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Funktionale Ausschreibung: Vorgaben in Planungsunterlagen sind verbindlich

Verfasst von: Dipl.-Ing. Klaus D. Siemon
Veröffentlicht am: 11. Sep. 2008
Kategorie:

# 12.09.2008

Ausschreibungsvariante bislang mit viel Konfliktpotenzial. Bundesgerichtshof legt klar definierte Leistungsvorgaben als Vertragsbestandteil fest. Nachträge auch weiterhin bei Planänderungen gerechtfertigt

Funktionale Ausschreibung als Streitpunkt im Ingenieurbau

Bei funktionalen Ausschreibungen können Planer genaue Vertragsinhalte definieren. Foto: Thorben Wengert / Pixelio
Bei funktionalen Ausschreibungen können Planer genaue Vertragsinhalte definieren. Foto: Thorben Wengert / Pixelio

Besonders bei Ingenieurbauwerken und gewerblichen Hochbauten werden Bauleistungen oft funktional ausgeschrieben. In der Vergangenheit gab es oft Streit über den Inhalt dieser Verträge.

Das ist nun vorbei. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nämlich klargestellt, dass auch bei funktionalen Ausschreibungen genaue Leistungsvorgaben (zum Beispiel Zeichnungen) als Vertragsbestandteil gelten und von den ausführenden Unternehmen zwingend einzuhalten sind.

Im konkreten Fall wies eine Grundrissplanung als Bestandteil einer funktionalen Ausschreibung bei einem Auftrag an einen Generalunternehmer (GU-Auftrag) einen Bistrobereich aus, der aus Küche, Gastraum sowie Lager bestand.

Nach Vertragsschluss änderte der Auftraggeber seine Planung.


Auftraggeber lehnte Nachtragsforderung nach eigener Planänderung ab

Aus den bisherigen Räumen, von denen nur einer mit einer Lüftung ausgestattet war, wurde ein großer Bistrobereich, der insgesamt gelüftet werden musste. Folglich wurde eine größere Lüftungsanlage notwendig. Dafür legte der Generalunternehmer ein Nachtragsangebot vor.


BGH: Planungsunterlagen als Vertragsgrundlage entscheidend

Der Bundesgerichtshof stellt ganz eindeutig auf die Planungsunterlagen als Vertragsgrundlage ab. Jede Abweichung davon, so die Richter, stellt eine Änderungsanweisung dar, die zu vergüten ist.

Der Generalunternehmer bekam also Recht. Der Auftraggeber musste ihm die Aufwendungen für die größere Lüftungsanlage vergüten (Urteil vom 13.3.2008, Az: VII ZR 194/06; Abruf-Nr. 081382).


Funktionale Ausschreibung und Pauschalpreisvertrag formal gleich

Die BGH-Entscheidung ist für Architekten und Ingenieure absolut erfreulich. Auftraggeber gingen bisher davon aus, dass der Begriff "funktionale Ausschreibung" auf die ausgeschriebenen Funktionen abstellt. Das trifft nicht zu.

Eine funktionale Ausschreibung ist formal das gleiche wie ein Pauschalpreisvertrag. Folglich haben Sie es ab sofort selbst in der Hand, auch bei funktionalen Ausschreibungen genaue Vertragsinhalte zu definieren.

Als wichtigste Vertragsbestandteile hat der Bundesgerichtshof folgende Unterlagen anerkannt:

  • Bauwerkszeichnungen (unberührt vom Maßstab und der Planungstiefe)
  • Berechnungen und Baubeschreibungen (die Planungsinhalte oder Ausführungsanforderungen enthalten und Vertragsbestandteil mit dem Generalunternehmer geworden sind)
Diese Unterlagen müssen genau definiert werden, um Missverständnisse in Bezug auf den Vertragsinhalt auszuschließen. Es reicht nicht, nur allgemein Bezug auf die Pläne und Berechnungen zu nehmen.


Zeichnungen dank Urteil als Kalkulationsgrundlage nutzbar

Die Unterlagen müssen jeweils einzeln unverwechselbar Bestandteil der funktionalen Ausschreibung sein (zum Beispiel mit genauer Planbezeichnung, Plan-Nummer, Erstellungsdatum, Index bzw. Planstand).


Mindestbestandteile einer funktionalen Ausschreibung

Um eine funktionale Ausschreibung wasserdicht zu gestalten, sollten folgende technische Inhalte geklärt sein:

  1. Achten Sie darauf, dass die übergebenen Pläne genau beschrieben sind (mit Planverzeichnissen, etc.).
  2. Die funktionale Ausschreibung muss eine Regelung enthalten, wie verfahren wird, wenn es Widersprüche zwischen Plänen gibt (zum Beispiel Vorrang der Ausführungsplanung vor der Entwurfsplanung oder Vorrang der Ausführungszeichnungen vor den textlichen Beschreibungen).
  3. Die funktionale Ausschreibung sollte eine "Sicherheitsklausel" enthalten. In ihr sollte geregelt sein, dass alle weiteren – für die fachgerechte Erfüllung des Vertragszwecks notwendigen – Planungsleistungen, die nicht Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen sind, vom Auftragnehmer selbst einzukalkulieren und zu erbringen sind.
  4. Es sollten die Werkstattzeichnungen oder Ausführungszeichnungen beschrieben werden, die der Auftragnehmer selbst erstellen und vor Ausführung vorlegen muss. Dazu gehört auch eine Regelung über die Planprüfung und die Freigabe zur Ausführung.
  5. Es sollte eine Leistungsbeschreibung derjenigen Planungsleistungen vorliegen, die der Auftragnehmer selbst erbringen muss (zum Beispiel Schal- und Bewehrungspläne, Ausführungspläne der Technischen Ausrüstung, Nachweis des Wärmeschutzes gemäß EnEV, Vermessungsarbeiten bei Neubauten, SiGeKo-Leistungen, etc.).
  6. In der funktionalen Ausschreibung sollten alle textlichen Beschreibungen und Berechnungen aufgelistet werden, die als Vertragsbestandteil zugrunde zu legen sind (zum Beispiel Baubeschreibung mit Materialfestlegungen und Berechnungen zur Dimensionierung von technischen Anlagen).
  7. Festzulegen sind auch die zu bemusternden Bauteile.
  8. Die funktionale Ausschreibung sollte einen Terminplan mit Zwischenterminen enthalten. Auch eine Verpflichtung zur ständigen Aktualisierung der Terminplanung ist unentbehrlich.
  9. In der Auschreibung müssen die Risiken beschrieben sein, die der Auftragnehmer einkalkulieren und übernehmen muss (zum Beispiel das Schadstoffrisiko beim Bauen im Bestand). Wenn die Risiken fachgerecht beschrieben sind, ist der VOB/A und der BGH-Rechtsprechung Genüge getan (Pflicht zur eindeutigen und erschöpfenden Ausschreibung).
  10. Es sind die öffentlich-rechtlichen Bedingungen, die einzuhalten sind, zu beschreiben. Gleiches gilt für Leistungen, die in diesem Zusammenhang vom Auftragnehmer zu erbringen sind (zum Beispiel Abstimmungen in Sachen Brandschutz, Denkmalschutz, Brandschutzordnung während der Bauzeit, Schlussabnahme durch die Bauaufsicht, vorzulegende Errichter- bzw. Übereinstimmungserklärungen, etc..
  11. Es müssen die Leistungen Dritter beschrieben werden, für die der Auftragnehmer die Kosten übernehmen muss (zum Beispiel Prüfgebühren für die Prüfung der Werkstattpläne im Stahlbau, Gebühren für die Brandschutzgutachten, etc.).
  12. Die funktionale Ausschreibung muss auch Angaben enthalten, wie die Projektübergabe stattfinden soll, welche Leistungen fertig gestellt sein müssen und welche Unterlagen übergeben werden.
  13. Last but not least sind noch Festlegungen zu Art, Umfang und Inhalt der Dokumentation für das anschließende Facility-Management sowie für wiederkehrende Prüfungen und Wartungsarbeiten erforderlich.


Nachtragsangebote bei funktionalen Ausschreibungen weiter möglich

Noch einmal zur Klarstellung: Die BGH-Entscheidung hat nicht zur Folge, dass ein Bauunternehmen bei funktionalen Ausschreibungen nie mehr einen Nachtrag durchsetzen kann.

Werden Pläne geändert, die Vertragsbestandteil waren, rechtfertigt das nach wie vor auch bei funktionaler Ausschreibung und Beauftragung eine Zusatzvergütung (zum Beispiel nach § 2 Nummer 5 VOB/B). Voraussetzung ist aber, dass eine Abweichung von den Ausschreibungs- und Vertragsgrundlagen vorliegt.



QUELLEN UND VERWEISE:

Planungsbüro professionell (PBP)