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Wärmedämmung muss umweltfreundlicher werden

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 1. Apr. 2013
Kategorie:

# 02.04.2013

Gebäudedämmung aufgrund von energetischer Sanierung immer gefragter. Herkömmliche Systeme gegen mikrobielles Wachstum belasten Umwelt. Forschungsprojekt soll Alternativen entwickeln und mittels Umfrage Datengrundlage schaffen

Hoher Sanierungsbedarf

Was aussieht wie ein grauer Schleier auf der Fassade, sind Algen. Um diese zu vermeiden, testen Forscher des Fraunhofer IBP aktuell Einsatzmöglichkeiten biozid-freier Komponenten und Beschichtungen. Foto: Fraunhofer IBP
Was aussieht wie ein grauer Schleier auf der Fassade, sind Algen. Um diese zu vermeiden, testen Forscher des Fraunhofer IBP aktuell Einsatzmöglichkeiten biozid-freier Komponenten und Beschichtungen. Foto: Fraunhofer IBP

In Deutschland wird in den nächsten 20 Jahren bei fast der Hälfte aller bestehenden Wohnhäuser mit einem energetischem Sanierungsbedarf gerechnet. Bei einem Bestand von rund 40,2 Millionen Wohnungen entspräche das einer Million zu sanierender Gebäude pro Jahr. Diese Immobilien müssen, im Sinne der Energieeffizienz, beispielsweise mit einer nachträglichen Dämmung versehen werden. Dabei kommen häufig sogenannte Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) zum Einsatz.

In der Bilanz für das Jahr 2011 weist der Fachverband Wärmedämm-Verbundsysteme einen Absatz von 37 Millionen Quadratmetern verbauter WDVS für seine Mitglieder aus. Das verarbeitete WDVS-Volumen im deutschen Gesamtmarkt stieg von 41,8 Millionen Quadratmetern verlegter Fläche in 2010 auf 42,5 Millionen im vergangenen Jahr.


Unerwünschter Nebeneffekt

Unschöner Nebeneffekt oder vermeidbares Risiko? Auf der Außenwand eines Hauses hat sich Bewuchs gebildet. Foto: Fraunhofer IBP
Unschöner Nebeneffekt oder vermeidbares Risiko? Auf der Außenwand eines Hauses hat sich Bewuchs gebildet. Foto: Fraunhofer IBP

Es gibt allerdings einen Nebeneffekt dieser energetischen Sanierungsmethode, der noch nicht hinreichend untersucht ist: "Mit der Verringerung des Wärmetransports durch die Fassade geht eine Absenkung der Temperatur an den Außenoberflächen einher", berichtet Dr. Wolfgang Hofbauer, Leiter der Arbeitsgruppe Biologie am Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP). "Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich auf der Außenfläche von diesen Gebäuden Tauwasser bildet. Die vermehrte Verfügbarkeit von Feuchte bildet eine verbesserte Grundlage für mikrobielles Wachstum." Durch das beschriebene Wachstum können sich schließlich Verfärbungen auf der Fassade bilden. Diese beeinträchtigen zwar nicht das Wärmedämmvermögen, können aber einen optisch unschönen Eindruck vermitteln.

Nicht immer ist mit einem solchen Ergebnis zu rechnen. Das an der Fassadenoberfläche herrschende Mikroklima wird durch die materialtechnischen Eigenschaften der verwendeten Beschichtungsstoffe, die Bauweise und die klimatischen Bedingungen bestimmt. Auch die unmittelbare Umgebung eines Bauwerks hat einen Einfluss: Liegt es in der Stadt, auf dem Land in der Nähe von Gewässern oder Wäldern.

Um den Bewuchs mit Algen oder Pilzen zu verzögern, werden Kunstharzputze und Dispersionsfarben für Fassaden meist mit bioziden, also schädlingsbekämpfenden Wirkstoffen versetzt. Durch ablaufendes Regenwasser können diese Wirkstoffe von der Fassadenoberfläche in die Umwelt gelangen. Hierin sieht unter anderem das Umweltbundesamt ein Problem, weshalb es beim Fraunhofer-IBP eine Untersuchung des Einsatzes von WDVS in Auftrag gegeben hat.


Umweltfreundliche Alternativen schaffen

Die Forscher evaluieren dabei aktuell die Einsatzmöglichkeiten biozid-freier Komponenten und Beschichtungen. Eine Alternative könnten womöglich hygrisch optimierte Putze sein, die keine Biozide enthalten, aber möglicherweise nicht unter allen Rahmenbedingungen langfristig vollständig ohne Bewuchs bleiben. Mit Hilfe der gewonnenen Ergebnisse soll ein Einsatz biozider Wirkstoffe an Fassaden künftig möglichst vermieden oder zumindest deutlich verringert werden und somit auch die negativen Einflüsse auf die Umwelt. Forschung am Objekt, um Bekanntes messbar zu machen.

Zunächst wollen die Fraunhofer-Forscher die aktuell bestehende Anwendungssituation für WDVS in Deutschland analysieren. Dies umfasst neben einer gründlichen Marktanalyse auch die Ermittlung der Rahmenbedingungen, unter denen kein Bewuchs auftritt oder die zu einem Bewuchs von Mikroorganismen an den Fassaden führen. Zum einen werden Art und Ausführung der WDVS erfasst, zum anderen sind aber auch Architektur und Konstruktion der Gebäude sowie die bauphysikalischen Aspekte und die mikroklimatischen Bedingungen wichtige Parameter.

Der Einfluss der einzelnen Parameter, die Algen- oder Pilzbewuchs fördern, wurde bislang nicht wissenschaftlich quantifiziert. Detaillierte Kenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Bedingungen sind jedoch die Grundvoraussetzung für fundierte Ergebnisse. Ein Ziel des IBP-Projektes ist es daher, eine solide Datengrundlage zur Anwendungssituation von WDVS zu schaffen.


Umfrage für Bauherren und Hausbesitzer

Ein wesentliches Ziel des Projekts besteht darin, auf der Basis der Erfahrungen möglichst vieler Bauherren Empfehlungen für den Einsatz biozid-freier Systeme aufzuzeigen. Die durch eine webbasierte Umfrage erhobenen Daten fließen außerdem als wissenschaftliche Grundlage in die Weiterentwicklung des seit 2009 bestehenden Umweltzeichens "Blauer Engel" für WDVS (RAL-UZ 140).

Aus dieser Umfrage heraus werden Fallbeispiele ausgewählt und es sollen – sofern vom Hausherren gestattet – Ortsbegehungen erfolgen. Sowohl langfristig schadensfreie als auch von Pilzen und Algen befallene Gebäude sollen detailliert betrachtet und analysiert werden. Daraus resultierend wollen die Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts wesentliche Einflussfaktoren für eine langfristig bewuchsfreie Verwendung von WDVS herausarbeiten.



QUELLEN UND VERWEISE:

Umfrage für Bauherren und Hausbesitzer