Die Ertüchtigung zweier Bahnbrücken über die Mosel Teil 1/2
# 11.11.2002
Im Zuge des Ausbaus der Mosel zur Großschifffahrtswasserstraße in den 70er Jahren ergab sich die Notwendigkeit, die Moselbrücken – dabei insbesondere die Pfeiler – für den Lastfall Schiffsanprall zu überprüfen
1 Einleitung
Die Mosel zwischen Koblenz und Trier wird durch fünf Brücken der DB AG gekreuzt, die alle in der Zeit zwischen 1855 und 1875 erstmalig gebaut worden sind. Im Krieg wurden die Brücken zumindest teilweise zerstört und danach zwischen 1946 und 1953 wieder aufgebaut.
In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann der Ausbau der Mosel zu einer Großschifffahrtswasserstraße. Durch das gestiegene Schiffsaufkommen und die entsprechend größeren Schiffe ergab sich die Notwendigkeit, die Moselbrücken
– dabei insbesondere die Pfeiler – für den Lastfall Schiffsanprall zu überprüfen.
Bereits 1993 wurde die Ingenieurgruppe Bauen damit beauftragt, exemplarisch für eine ausgewählte Moselbrücke den Lastfall Schiffsanprall zu untersuchen. Da sich die Standsicherheit ohne zusätzliche Maßnahmen nicht nachweisen lies,
wurde der Umfang der Untersuchungen 1999 auf die restlichen vier Moselbrücken erweitert.
Im folgenden wird über die rechnerische Untersuchung der beiden Moselbrücken Konz und Bullay und die zur Ertüchtigung erforderlichen Verstärkungsmaßnahmen
berichtet. Bei beiden Brücken sind nur die Pfeiler anprallgefährdet, so dass die Standsicherheit nach einer für beide Brücken gleichartigen Sanierung mittels
Injektionen und Gewi-Ankern nachgewiesen werden konnte.
2 Situation an den Moselbrücken Konz und Bullay
2.1 Brücke Konz
Die Moselbrücke Konz hat eine Gesamtlänge von 217 m und spannt über insgesamt 7 Felder mit sechs Flußpfeilern und zwei Widerlagern. Der 1953 herge-stellte Überbau ist für beide Gleise getrennt und besteht jeweils aus einem Vollwandträger aus Stahl über fünf Felder durchlaufend und zwei angehängten Einfeldträgern. Die Fundamente der Flußpfeiler 1, 2 und 4 bis 6 wurden 1855 aus Sandsteinmauerwerk errichtet und sind auf Sandstein gegründet. Die Pfeilerschäfte wurden 1953 erneuert und bestehen aus Beton B25 bis B35, wobei die Betongüte zum Fundament hin stark abnimmt. Das Fundament und der Schaft
des Pfeilers 3 wurden 1953 aus Beton neu hergestellt. Die Betongüte in oberen Schaftbereich entspricht einem B35, nach unten nimmt auch sie ab.
Für die Nachrechnung der Pfeiler konnte aufgrund der wenigen vorliegenden Materialerkundungen für die Pfeiler nur eine Güte eines B15 angesetzt werden.
Für die Fundamente, die durch Injektionen verfestigt werden sollten, wurde die Festigkeit eines B10 angesetzt. Bei der Brücke Konz sind alle sechs Flußpfeiler anprallgefährdet (Abb.1).
2.2 Brücke Bullay
Über die Brücke Bullay lagen nur lückenhafte Unterlagen vor. Der Überbau wurde 1929 als Stahlgitterträger mit obenliegender Fahrbahn im Schotterbett für den Eisenbahnverkehr (zweigleisig) und untenliegender Betondecke als Fahrbahn für den Straßenverkehr (zweispurig) errichtet. Die Brücke spannt mit sechs Einfeldträgern
und fünf Flußpfeilern über 314 m. Für die obenliegende Eisenbahnstrecke befinden sich hinter den Widerlagern nochmals zwei angehängte Blechträgerüberbauten.
Die Überbauten wurden im Krieg teilweise zerstört und 1948 wieder hergestellt. Der komplette Unterbau, d.h. Fundamente und Pfeiler, wurden 1875 als Schwergewichtsmauern aus Tonschiefer- bzw. Tonsteinblöcken hergestellt. Das anfangs infolge der wenigen Untersuchungen als kompakt und dicht eingestufte Mauerwerk zeigte sich nach den ersten Aufschlußbohrungen zu Beginn der Bauarbeiten als stark mit Hohlräumen durchsetzt und durchströmt, so
dass auch hier Injektionen zur Wiederherstellung der ursprünglichen Bausubstanz erforderlich wurden. Für die Nachrechnung wurde eine Festigkeit eines Betons B5 angesetzt. Bei der Brücke Bullay sind nur die Pfeiler 2 bis 4 anprallgefährdet (Abb.2).
3 Lastannahmen und Berechnungen
In den gültigen Vorschriften der DB AG (DS 804 bzw. 805) finden sich wenig verwertbare Angaben zu konkreten Lasten für den Schiffsanprall, so dass die
Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) in Karlsruhe beauftragt wurde, Schiffsstoßlasten für die beiden Moselbrücken zu ermitteln. Die Basis für die Laster-mittlung bildete dabei ein probabilistisches Lastmodell, das neben der Art und Häufigkeit des Schiffsverkehrs auch die örtlichen Gegebenheiten der Brücken (Lage, Anfahrwinkel, Fahrrinnenbreite usw.) berücksichtigte. Für jede der Brücken wurden für die einzelnen Pfeiler Stoßlast-Zeit-Funktionen angegeben. Die Maximallasten lagen dabei zwischen 3,6 MN für den Flankenstoß und 11,7 MN für den Frontalstoß (Abb. 3).
Die Nachrechnung der Pfeiler erfolgte mittels einer Finite-Element-Berechnung am Modell eines im Boden eingespannten Kragarms als dynamische Analyse mit
der vorgegebenen Stoßlast-Zeit-Funktion und zusätzlichen (statischen) Lasten aus Eigengewicht des Pfeilers und aus Eigengewicht und ungünstig wirkenden
Verkehrslast des Überbaus. Da am Pfeilerkopf keine ausreichend feste Verbindung zwischen den Lagern und dem Überbau gegeben war, konnte eine stützende
Wirkung des Überbaus nicht angesetzt werden. Die Überbaumasse wurde in der dynamischen Berechnung durch eine Ersatzmasse berücksichtigt (Abb.4).
Aus der dynamischen Berechnung ergaben sich für die untersuchten Pfeiler Biegebeanspruchungen, die in den unbewehrten Schaft- und Fundamentbereichen zu
unzulässigen Klaffungen geführt hätten. Zur Vermeidung dieser Klaffungen wurde daher die Verstärkung mittels Kleinbohrverpresspfählen geplant. Die Pfähle dienen innerhalb der Pfeiler zur Übertragung von Zugkräften auf der dem Anstoßpunkt zugewandten Seite sowie zusätzlich zur zugfesten Verankerung der
Pfeilerfundamente im anstehenden Fels. Damit konnte für alle maßgebenden Schnitte (Fundamentunterkante, Übergang Fundament zum Schaft und im Schaft selbst) die Übertragung der Zugkraft aus der Biegebeanspruchung sichergestellt werden. Auf der Druckseite muss die Druckkraft von der vorhandenen Pfeilersubstanz aufgenommen werden. Zusätzlich muss die Übertragung der Querkräfte sichergestellt sein.
Da bei den Pfeilern der Brücke Konz die Pfeilerfundamente und bei Bullay auch die Pfeilerschäfte vom Moselwasser durchströmt waren und größere Hohlräume und Fehlstellen innerhalb des Mauerwerks nicht auszuschließen waren, wurden diese Bereiche durch Injektionen mit Zementmörtel so Injektionst, dass die oben genannten Annahmen für die Mindestfestigkeiten erfüllt werden. Die Injektionsarbeiten mussten dabei vom Ponton aus in den unter Wasser liegenden Zonen der Pfeiler durchgeführt werden und stellten hohe Anforderungen an die Erfahrung
der ausführenden Firmen mit solchen Arbeiten. Durch die Injektionen war es möglich, den Querschnitt als weitgehend homogen zu betrachten und die Aufnahme
und Weiterleitung der oben genannten Druck- und Schubkräfte nachzuweisen.
Für die Planung und Durchführung der Sanierungsmaßnahmen musste wegen Abweichungen vom gültigen Regelwerk der DB AG eine unternehmensinterne
Genehmigung sowie eine Zustimmung im Einzelfall durch das Eisenbahnbundesamt erwirkt werden. Für die Ausführungsplanung, die behördlichen und
schifffahrtspolizeilichen Genehmigungen, die Ausschreibung und die Bauausführung der gesamten Maßnahmen standen insgesamt nur 10 Monate zur Verfügung.
4 Baugrund
4.1 Allgemeines
Im Rahmen der Baugrunduntersuchung waren insbesondere die folgenden Angaben zu ermitteln.
- Material der Pfeiler
- Gründungshorizonte der Pfeiler
- Abmessungen der Fundamente
- Allgemeine Bodenkenngrößen des Baugrundes
- Zulässige Bodenpressung und Mantelreibung für Kleinbohrverpresspfähle
4.2 Brücke Konz
Die Pfeiler der Brücke bestehen aus 1951-53 neu aufgebautem Beton. Ab einer Tiefe von drei bis vier Metern unter Mittelwasser nimmt die Qualität des Betons deutlich ab. Das Material ist sehr grobporig und wahrscheinlich schlecht verdichtet. Es wurden auf Bohrstrecken bis zu einer Länge von 40 cm reiner Kies erbohrt. Die gewonnen Betonproben weisen eine Festigkeit in der Güteklasse eines B35 auf, haben jedoch nur Dichte von ca. 2,2 bis 2,3 to/m³. Dies lässt ebenfalls auf eine schlechte Verdichtung schliessen und stellt die Festigkeitsklasse in Frage (Abb.5).
Zwischen Fundamentunterkante und anstehendem Baugrund wurden bis zu 30 cm dicke Hohlräume angebohrt.
An einigen Fundamenten besteht der Fundamentkörper aus altem Bruchsteinmauerwerk, welches sich in sehr schlechtem Zustand befand.
Unterhalb der Fundamente steht der Mittlere Buntsandstein als Abfolge des Trias an. An seiner Oberfläche ist dieser Sandstein feinkörnig und verwittert bis stark verwittert. In zunehmender Tiefe steht der Sandstein kompakt, unverwittert und mit hoher Tragfähigkeit an. In diesem Fels wurde die zulässige Mantelreibung für die Kleinbohrverpreßpfähle mit 500 kN/m² angenommen.
Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Pfeiler zwar auf tragfähigem Baugrund stehen, jedoch die Mängel in den Pfeilern wie z.B. Hohlräume, Kiesnester und ausgespülte Bereiche zwingend zu sanieren waren. Ein Durchströmen der Pfeiler mußte dauerhaft ausgeschlossen werden.