Kommentar zur DIN 4123 - Teil 2/3
Durch die DIN 4123 werden bei allen Erdarbeiten in der Nähe von bestehenden Gebäuden enge und scharfe Grenzen gezogen. Im Folgenden wird versucht, die wesentlichen Punkte kurz gefasst darzustellen und die Folgerungen für die Betroffenen aufzuzeigen. In Teil 2 geht es um die Auswirkungen der DIN 4123 für Baufirmen, Tragwerksplaner und Baugrundgutachter.
8. Auswirkungen
Die DIN 4123 für Erdarbeiten hat Auswirkungen auf die Zuständigkeiten aller am Bau Beteiligten:
8.1 Objektplaner
8.2 Tragwerksplaner
8.3 Baugrundberater
8.3.1 Erkundung des Baugrundes
Voraussetzung für die Anwendung der Norm ist ein ausreichend tragfähiger Baugrund, wobei dieses "ausreichend" über die Tabellen der DIN 1054 definiert und unter 7.1 aufgeführt ist. Darüber hinaus muß der Schicht- bzw. Grundwasserstand bekannt sein. Er muß mindestens 0,5 m unter der tiefsten Aushubsohle liegen bzw. bis auf dieses Niveau abgesenkt werden.
In Abs. 6.2 wird aufgeführt, daß die Untersuchungen nach DIN 4020 und 4021 erfolgen müssen und auf die besonderen Probleme aufgrund der Arbeitsraumauffüllung verwiesen. Da für alte Arbeitsräume eine Verdichtungsüberprüfung durchgeführt werden muß, ist eine Baugrunduntersuchung unumgänglich. Wie anders sollte auch die Unterscheidung/Abgrenzung zwischen rolligem und bindigem Boden verantwortlich erfolgen bzw. die Notwendigkeit einer Grundwasserabsenkung festgelegt werden? Auch für die Konsistenzgrenzenbestimmung muß vorher eine Bodenprobe gefördert werden.
8.3.2 Setzungen
Erwähnt werden die Mitnahmesetzungen in Abschnitt 8.2 und in 9.2 (=Vergleichsmäßigung durch Abtreppung). Nach 9.7 sollen die Mitnahmesetzungen durch Verkeilen/Hydraulik vorweggenommen werden. Letztere Methode kann allerdings nur bei Unterfangungen durchgeführt werden. Die Idee ist überzeugend, die praktische Durchführung aber problematisch. Voraussetzung wäre zunächst eine exakte Setzungsanalyse. Danach müßte der Altbau um den hoffentlich richtigen Betrag gehoben werden, da spätestens mit Erstellung der Kellerwand die Keile nicht mehr zugänglich sind.
Die Möglichkeit den jeweiligen mit Zunahme der Last eintretenden Setzungsbetrag auszugleichen bestünde nur mit dem Einbau aufwändiger Hydraulikkammern mit Fernsteuerung. Ist die Vorwegnahme nicht möglich, dann ist die Unterfangung nach DIN 4123 nicht zulässig. Es sei man kann nachweisen, daß die späteren Mitnahmesetzungen weder die Integrität noch die Gebrauchstauglichkeit des Bestandes gefährden.
In der Anmerkung zum 1. Abschnitt werden Setzungen bis 5 mm als unvermeidlich bezeichnet. In der Anmerkung zu Abschnitt 9.6 wird darauf hingewiesen, daß bei lamellenweiser Unterfangung der "unvermeidliche" Setzungsbetrag mehrfach eintreten kann. Diese Setzungen sind also für die Prüfung der Gebrauchstauglichkeit in jedem Fall anzusetzen. Hierzu kommen noch die Mitnahmesetzungen, die vor allem in Abhängigkeit von der Bodenart variieren.
Da die Tabellen der DIN 1054 für rollige Böden 1-2 und für bindige 2-4 cm angeben, reicht ein entsprechender Verweis nicht aus, sondern es wird eine Berechnung notwendig. Der Tragswerksplaner muß dann prüfen, in wie weit die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt wird. Da die Genauigkeit von Setzungsberechnungen zu wünschen übrig läßt, ist es unabdingbar anhand der Bewegungsmessungen die tatsächlich eintretenden Beträge zu kontrollieren.
8.3.3 Verbau / Verfestigung
Ein wesentlicher Kostenfaktor für die Unterfangung ist die Aufwändung für den Verbau. Damit eine Kalkulation möglich ist, muß genau bekannt sein, ob und in welchem Umfang nicht bindige Bodenarten auftreten.
Bei bindigen Böden muß bei der Gründung erst ab 1,25 m Höhe verbaut werden und bei Unterfangungen nur bis an den Bestand. Bei rolligen Böden muß schon bei geringeren Höhen verbaut werden sowie bei Unterfangungen unterhalb des Bestandes. Hinzu kommt noch ein Stirnverbau, soweit durch den Baugrundgutachter nicht eine ausreichende Standsicherheit nachgewiesen wird. Voraussetzung dafür ist eine ausreichende Kapillarkohäsion, bei der sich der Sachverständige auf sehr dünnem Eis bewegt.
Denn fehlt die Kapillarkohäsion, so muß vor der Ausschachtung für die Unterfangung der Boden verfestigt werden. Ob diese Regelung in der Praxis durchsetzbar ist, muß sich erst noch zeigen. Hier liegt für die Beteiligten ein erhebliches Risiko. Wird wider Erwarten eine Verfestigung notwendig, so ergibt sich daraus eine erhebliche. Kostenerhöhung und eine Zeitverzögerung.
8.4 Baufirma
Nach der neuen Norm darf keine Firma mehr mit den Arbeiten beginnen bevor nicht die kompletten bautechnischen Unterlagen freigegeben vorliegen. Bei Baubeginn darf nicht vergessen werden durch Stichproben zu prüfen, ob die Unterlagen mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Der entsprechende Abschnitt 6.1 ist so allgemein gehalten, daß sonst im Schadensfall die Fachfirma immer bei der Quotelung beteiligt sein wird. Sie sollte grundsätzlich darauf bestehen, daß eine Baugrunduntersuchung vorliegt und die Ver- und Entsorgungsleitungen erfragen (6.3). Darüber hinaus ist die Beweissicherung empfohlen und Höhenmessungen bei der Gründung und der Unterfangung sogar gefordert.
Die neue Norm hält Setzungen bis 5 mm für unvermeidlich. Es gilt also nicht mehr, daß in Verbindung mit den Aushub entstandene Schäden bei Nachbarn auf eine Verletzung der DIN-Norm zurück zuführen sind. Deshalb sollte der Bauunternehmer immer eine kompetente Setzungsanalyse einfordern und diese auf ihre Plausibilität prüfen. Die ständige Kontrolle der Höhenbolzen und die tägliche Dokumentation der sachgerecht durchgeführten Arbeiten liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse der Firma, denn nur so kann es ihr gelingen, die sachgerechte Arbeit zu belegen und eventuelle Schadensforderungen zurückzuweisen.
Stehen nicht bindige Böden bei der Unterfangung an, so muß vom AN immer der Nachweis einer ausreichenden Kapillarkohäsion eingefordert werden. Liegt sie nicht vor, so muß immer eingerechnet werden, daß eine Verfestigung notwendig wird.
Jede Ausschachtung neben bestehender Bebauung ist entsprechend der Aushubgrenzen (Abschnitt 7.2) zu prüfen, da eine Unterschneidung immer die TBG auf den Plan rufen kann, bzw. bei Schäden, die Schuld zum großen Teil bei der Fachfirma gesucht wird. Deshalb sollte grundsätzlich kein Aushub ohne einen vom Planer gegengezeichneten Aushubplan erfolgen.
Die Gründung und besonders die Unterfangung sind in ihren Anforderungen so komplex geworden, daß jede Firma vor Übernahme solcher Arbeiten einen Mitarbeiter entsprechend schulen muß, so daß Gewähr dafür besteht, daß die Arbeiten ebenso wie die Kontrollen sachgerecht durchgeführt werden. Besondere Aufmerksamkeit und praktische Erfahrung benötigt er für die Sicherstellung der Kraftschlüssigkeit des Verbaues (Rückbau mit leichter Verdichtung oder Umsteifung, Abs. 9.5 b) und den Ausgleich der Setzungen durch Nachkeilen oder Hydraulik (9.7).
QUELLEN UND VERWEISE:
Kommentar zur DIN 4123 - Teil 1/3
Kommentar zur DIN 4123 - Teil 3/3
Kühn Geoconsulting GmbH, Bonn