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Die Rappbode-Talsperre im Ostharz

Verfasst von: Gerhard Butke
Veröffentlicht am: 20. Nov. 2006
Kategorie:

# 20.11.2006

Wenn man im Ostharz von Rübeland in Richtung Wendefurth fährt, überquert man die Staumauer der Rappbode-Talsperre, der größten Talsperre im Harz. Die Staumauer ist 415 m lang, 12,5 m breit und mit einer Höhe von 106 m die höchste in Deutschland. Mehr als zwei Jahrzehnte (1936 bis 1959 mit Unterbrechungen) hat es gedauert, bis alle Bauwerke im Talsperrensystem fertiggestellt waren.

Talsperrensystem im Ostharz

Blick auf die Rappbode-Talsperre: am Ende der Mauerkrone ist links das Schieberhaus mit Glasfassade, rechts das Windenhaus. Foto: Redaktion
Blick auf die Rappbode-Talsperre: am Ende der Mauerkrone ist links das Schieberhaus mit Glasfassade, rechts das Windenhaus. Foto: Redaktion

Schneeschmelze und reiche Niederschläge führten im Harz oft zu großen Überschwemmungen, die immer wieder die Bewohner des Bodetales und des Harzvorlandes bedrohten. Bereits am Ende des 19. Jahrhunderts überlegte man, wie die Bevölkerung vor diesen Urgewalten geschützt werden kann.

Das erste Konzept einer Bode-Talsperre legte der Ingenieur Arnecke aus Thale im Jahre 1891 vor. Der Bau der 105 m hohen Sperrmauer sollte sich durch die Gewinnung von Strom rechnen. In dem 15 km langen Stausee wären die Ortschaften Treseburg und Altenbrak versunken.

Das Konzept von Arnecke fand jedoch keinen Finanzier. Nachfolgende Konzepte sahen bereits mehrere Talsperren vor. Eine Entwurfsbearbeitung aus dem Jahre 1911 sah dann auch die Trinkwassergewinnung aus dem Talsperrensystem vor.

Kernstück des Talsperrensystems im Ostharz ist die Rappbode-Talsperre, zu der noch die Vorsperren der Rappbode und der Hassel gehören, sowie die Überleitungssperre bei Königshütte, das Hochwasserschutzbecken Kalte Bode (Mandelholzstausee) bei Königshütte, die Talsperre Wendefurth und das Pumpspeicherwerk Wendefurth.


Baubeginn im Dritten Reich und Fertigstellung zu DDR-Zeiten

Bauzustand im Jahr 1957: die Talsperre ist auf eine Höhe von 80 m angewachsen, im Vordergrund wasserseitig ist der Entnahmeturm für das Rohtrinkwasser zu sehen. Foto: Helmut Pape / Harzer Urania e.V.
Bauzustand im Jahr 1957: die Talsperre ist auf eine Höhe von 80 m angewachsen, im Vordergrund wasserseitig ist der Entnahmeturm für das Rohtrinkwasser zu sehen. Foto: Helmut Pape / Harzer Urania e.V.

1938 wurde mit den Bauarbeiten an der Rappbode-Talsperre begonnen. Allerdings kam es bereits 1941 aufgrund des Zweiten Weltkrieges zum Baustopp.

Nach Gründung der DDR wurden die Bauarbeiten 1952 an der Rappbode-Talsperre, einschließlich der neu geplanten Trinkwassergewinnung, wieder aufgenommen. Die ursprüngliche Anlagenplanung blieb erhalten, wurde aber den neuesten technischen Erkenntnissen angepasst. 860.000 m³ Beton wurden eingebaut, um dieses imposante Bauwerk zu schaffen.

Für die Staumauer wurde 500 m flussaufwärts ein Diabas-Steinbruch aufgeschlossen. Während der Bauausführung wurden im Gründungsbereich die ersten Großscherversuche in situ durchgeführt und im Betonbau die Grundlagen für einen hydrotechnischen Massenbeton hoher Qualität entwickelt. Maßgebend dafür war die Steuerung des Feinkornbereiches mit Brechsand, Natursand und Steinmehl. Ein Kubikmeter Kernbeton enthielt anfangs 200 kg Zement, später 180 kg Zement (HOZ 225 mit 20% POZ-Klinker-Anteil).

Die nach Sieblinie dosierten Zuschlagstoffe reichten bis zur Korngröße 100 mm. Für den Vorsatzbeton betrug die Zementzugabe 280 kg/m³, die Korngröße der Zuschlagstoffe bis 70 mm. Die Herstellung des Betons erfolgte nach einer Rezeptur, die im Betonlabor auf der Baustelle erarbeitet wurde.


Schwergewichtsmauer staut Trinkwasserreserve für östliche Städte im Harz

Eine der beiden Gedenktafeln zum Bau der Talsperre. Foto: Redaktion
Eine der beiden Gedenktafeln zum Bau der Talsperre. Foto: Redaktion

Die Staumauer ist in 30 Felder (Segmente) aufgeteilt. Die Feldbreite beträgt in der Talsohle 16 m, sie reduziert sich an den Hängen auf 10 m. Die Arbeitsfugen in den Mittelfeldern sind im Mauerkern als 2 m breite Sparräume mit Treppen und Podesten ausgebaut.

Der Mauerkörper kann so ständig überwacht werden. Die Sohle der Sparräume liegt etwa 10 m über der Gründungssohle. Die Sparräume sind durch Kontrollgänge miteinander verbunden, die in der Summe 2.400 m lang sind.

Die Talsperre erreicht bei Vollstau eine Wasserfläche von 390 Hektar bei 109 Millionen Kubikmetern angestautem Wasser. Bei der Sperre selbst handelt es sich um eine so genannte Schwergewichtsmauer, die durch ihr Eigengewicht den Fluss absperrt. Sie wurde in gerader Achse gebaut.

Das gestaute Wasser dient vor allem als Trinkwasserreserve für die östlichen Städte im Harz. Mit einer Kraftwerksleistung von 5,5 Megawatt trägt der Stausee auch zur Stromgewinnung bei. Am 3. Oktober 1959 (kurz vor dem 10. Jahrestag der Gründung der DDR) wurde die Talsperre ihrer Bestimmung übergeben.


Umfassende Sanierung zwischen 1999 und 2003

Straße auf der Mauerkrone, die vor dem Tunnel Richtung Rübeland endet. Foto: Redaktion
Straße auf der Mauerkrone, die vor dem Tunnel Richtung Rübeland endet. Foto: Redaktion

Die Rappbode-Talsperre wurde zwischen 1999 und 2003 umfassend saniert. Die Fahrbahn und der Beton der Mauerkrone waren durch die Witterungseinflüsse und die Verkehrsbelastungen sanierungsbedürftig geworden. Die Mauerkrone erhielt einen völlig neuen Straßenaufbau und ist mit Fußwegen als Landstraße 1. Ordnung ausgebaut.

Der angrenzende Straßentunnel vor der Staumauer wurde ebenfalls umfassend saniert. Weiterhin wurden die Entnahmeeinrichtungen für das Rohwasser überholt, die teilweise aus dem Jahr 1959 stammten. Die messtechnische Bauwerksüberwachung wurde erneuert und teilweise automatisiert.