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Dipl.-Ing. Michael Brix: "Bauleute sind hochgradig animös."

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 14. Apr. 2021

# 23.04.2021

Dipl.-Ing. Michael Brix, selbstständiger Bauingenieur und Sachverständiger aus Dresden | Begeisterung für Gutachtertätigkeit hält ein Leben lang an. Bachelor-Studium schränkt berufliche Bandbreite ein. Technik kann Sachverständigentätigkeit nicht ersetzen

Dipl.-Ing. Michael Brix

War 38 Jahre als Bauingenieur im In- und Ausland aktiv: Diplom-Ingenieur Michael Brix aus Dresden.  Foto: Privat
War 38 Jahre als Bauingenieur im In- und Ausland aktiv: Diplom-Ingenieur Michael Brix aus Dresden. Foto: Privat

Michael Brix lebt und arbeitet als geprüfter Sachverständiger und Bauingenieur in Dresden.

Von 1982 bis 2021 war er in verschiedenen Bereichen als Bauingenieur aktiv, inzwischen ist er im Ruhestand.

Zu seinen Spezialgebieten gehören der Schlüsselfertigbau sowie die Gutachtertätigkeit als Sachverständiger für Energieeffizienz und Schäden an Gebäuden.


Herr Brix, was hat Sie zuletzt besonders in Ihrem Job gefordert? Welche Projekte und Ereignisse werden Ihnen in Erinnerung bleiben?

Bis zu meinem Rentenbeginn am 1. Februar 2021 war ich zuletzt knapp ein Jahr im Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung der Stadt Dresden als Projektleiter angestellt. Dies hat mich in besonderer Weise herausgefordert, da es die erste Tätigkeit im öffentlichen Dienst war.

Zu den Aufgaben zählten beispielsweise die Bewertung von Bauschäden an verschiedenen öffentlichen Gebäuden, insbesondere Nässeschäden bei erdberührten Wänden, die Bewertung von Dächern zur Aufnahme und Eignung von Photovoltaikanlagen und die Bewertung der Nutzbarkeit eines Verkehrsgeländes zur zukünftigen Nutzbarkeit. Hinzu kam die Kalkulation von Instandsetzungskosten bei Neunutzung von Mietgebäuden sowie die Prüfung von Gebäudeinstandsetzungskosten bei genutzten Bestandsgebäuden.

Abgesehen von diesen Tätigkeiten erinnere ich mich gern an verschiedene größere und auch intensiv spezifische Projekte in den letzten drei Jahrzehnten. 1985 war ich als Abschnittsbauleiter für die schlüsselfertige Erstellung eines IBM-Bürogebäudes in Köln verantwortlich, 1992 als Projektleiter für die schlüsselfertige Erstellung eines Logistikcenters bei laufendem Betrieb in Köln Porz mit Abbruch, Umbau und Neubau.

1995 wiederum wirkte ich als Geschäftsführer Technik bei der ARGE Schloßparkcenter Senftenberg, 1997 als verantwortlicher Projektleiter bei der schlüsselfertigen Erstellung eines Fernsehgebäudes in Berlin Mitte.

Es folgten weitere Projekte, wie der Bau eines Spaßbades in Meißen oder die Konzeption eines Kongresscenters. Von 2006 bis 2010 habe ich als freier Sachverständiger mehr als 300 Due-Diligences [d.h. sorgfältige Prüfungen eines Verkaufsobjekts, Anm. d. Red.] in verschiedenen europäischen Ländern erarbeitet.


Wie lange waren Sie in der Branche tätig und warum?

Ich war von 1982 bis 2021 und damit über 38 Jahre lang als Bauingenieur tätig. Nach dem Studium zum Diplom-Ingenieur an der RWTH Aachen mit der Vertiefungsrichtung Konstruktiver Ingenieurbau begann ich 1983 in Ingenieurbüros mit der Erstellung von Statiken im Industriestahlbau. Der Schwerpunkt lag hier auf Produktionshallen in der Chemie und Stahlbau in nuklearen Anlagen. Statik hat mich vom Studium her sehr interessiert.

1985 interessierte mich nach dem Zivildienst die Funktion des verantwortlichen Bauleiters im Schlüsselfertigbau. Somit war ich von da ab bis 2001 bei verschiedenen Generalunternehmern tätig.

Die schlüsselfertige Erstellung von Gebäuden finde ich sehr interessant und besonders anspruchsvoll. Man steuert das Projekt meist ganzheitlich von der "grünen Wiese" bis zur nutzfähigen Abnahme.

Alle Partner sind dabei inhaltlich und vertraglich zu binden und zu koordinieren. Das Themenfeld Qualität, Termineinhaltung und Wirtschaftlichkeit direkt und persönlich in der Hand zu haben, ist der Reiz an der Sache.

Ab 2003 interessierten mich als neues Feld meiner Entwicklung verschiedene Gutachteraufgaben und die Gründung meines Ingenieurbüros. Ich habe mich dazu als Sachverständiger für Schäden an Gebäuden und als Sachverständiger für Energieeffizienz von Gebäuden qualifiziert.

Bei der Bewertung von Gebäuden sind Verkehrsgutachten, Due-Diligences, Schadensgutachten und Sanierungen von Schäden bis heute die Schwerpunkte. Die Gutachtertätigkeit, also das Aufnehmen von Symptomen, die Erklärung von Phänomenen, die Begründung von Ursachen der Situation sowie die Entwicklung von Ideen zur Abhilfe, begeistert mich als Selbstständiger bis heute.


Wie bewerten Sie die aktuelle Personalsituation in den Unternehmen der Baubranche? Welche Wege führen Ihrer Meinung nach zu einer erfolgreichen Rekrutierung und Beschäftigung?

Aus Erfahrung weiß ich, dass die Zahl der Bauingenieure begrenzt war und ist. Der Umfang der Bauziele ist es nicht. Ich sehe die Zukunft daher sehr optimistisch für die Entwicklung der Bauingenieure.

Kritisch sehe ich die ausschließliche Bachelorausbildung, Hier werden vor allem in Ingenieurbüros aber auch in der Industrie Leute von der Hochschule billig eingekauft. Das kann gut gehen.

Will man jedoch wechseln, fragt man sich, ob diese Ausbildung differenziert genug dafür ist, auch größere Ziele in Bezug auf Inhalt und Kostenrahmen anzusteuern. Es ist nicht zielführend, sich zu schnell auf das zu konzentrieren, was man mag und kennt oder umgekehrt.

Meine Laufbahn ist da beispielhaft: Den Schlüsselfertigbau habe ich in der Ausbildung nicht gekannt, die Gutachtertätigkeit auch nicht. Das waren aber genau die wesentlichen Bereiche, mit denen ich Geld verdient habe.

Die RWTH Aachen hat mir zu meiner Zeit im Diplomstudium eine sehr breite Kenntnis von allen Bereichen des Bauingenieurwesens vermittelt. Ein Abschluss "Bachelor" ist hingegen mit einem "Graduierten Ingenieur" oder "Diplom-Ingenieur FH" nicht zu vergleichen. Der Abschluss "Master" ist deshalb heute zu empfehlen oder eben der Abschluss Diplom-Ingenieur, welcher zum Beispiel an der Technischen Universität Dresden nach wie vor vergeben wird.


Auf wen haben Sie beruflich gehört?

Auf erfahrene Poliere, Baufacharbeiter, Bauhelfer, Bauleiter, Fachleute beim Kunden und Handwerker, dabei meist Schlosser und Dachdecker. Oft auch zuerst auf meine Intuition bei der Lösung von Problemen.


Welchen Stellenwert sollte Ihrer Meinung nach die Technik in den Unternehmen der Baubranche einnehmen? Was kann durch moderne Technik und BIM für die Baubranche gewonnen werden?

Da sehe ich nicht viel. Ich kenne noch Millimeterpapier, Rechenschieber, Festnetztelefon, Diktiergerät und Telex. Damit wurden die Bauten auch fertig. Ein Fehler der Ingenieure kann darin bestehen, zu Vieles technikbasiert über zu bewerten, vor allem was Firmen raten und auch auf Messen empfehlen.

Wir sind viel zu sehr DIN oder EN fixiert. Gute Bauregeln basieren auf Erfahrungen und kommen manchmal auch in Normen vor. Die Struktur eines Gebäudes, also die Statik, die Struktur eines Bauprozesses bzw. die Projektleitung sowie die Abrechnung von Leistungen, also die Buchhaltung, haben sich vielleicht seit der Römerzeit gar nicht so nennenswert verändert. Wir haben nur viele neue und schnelle Hilfsmittel dazubekommen.

Bauen ist für mich mehr Psychologie als Technik. Bauleute sind hochgradig animös [gereizt bzw. feindselig, Anm. d. Red.] und schnell eingeschnappt und suchen nach Schuldigen. Einen alten erfahrenen Polier davon zu überzeugen, dass er Fehler macht, kann kein Computerprogramm leisten. Einem Hersteller von zum Beispiel Abdichtungsmaterialien deutlich zu machen, dass das langjährig auf dem Markt vorhandene Produkt an der Kellerwand schädlich ist, kann keine Technik ersetzen.


Welche Aufgaben hat die Politik vorrangig zu erfüllen und wo sind ihr Grenzen gesetzt?

Das kann ich nicht beurteilen.


Worauf haben Sie bei Ihrer individuellen Weiterbildung Wert gelegt?

Dinge, die ich angehe, muss ich kennen. Neue Gebiete, wie zum Beispiel die Verkehrswertschätzung, haben eine eigene Struktur, da braucht es Fortbildung.

Und die Materialien ändern sich immer mehr. Die Baustoffe sind sehr stark von der Chemie weiterentwickelt worden. Man muss sich da immer wieder weiterbilden.


Welchen Ausgleich hatten Sie zum Beruf? Welche Pläne haben Sie für den Ruhestand?

Als Ausgleich sollte man mindestens fünf Hobbies entwickeln und pflegen. Bei mir waren und sind es noch mehr, darunter Motorradfahren, Hochseesegeln, Skifahren, Tanzen, Kochen, Musizieren, Sprachen lernen und anwenden, Fahrradfahren und Reisen.

Im Ruhestand will ich Abstand nehmen von dem, was mich ausgemacht hat in der Funktion des Bauingenieurs. Ich bin mehr als Techniker, als Ansager auf Baustellen oder als Aufmaßprüfer.