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Nachgefragt bei: Gerd Maurer

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 10. Sep. 2019

# 25.09.2019

Prof. Dr.-Ing. Gerd Maurer von der Technischen Hochschule Deggendorf - Jeder Bauingenieur tickt anders. Arbeitsabläufe und Planungen gestalten sich, je nachdem, worauf der Einzelne Wert legt, unterschiedlich. Um den individuellen Eigenschaften erfolgreicher Ingenieure auf die Spur zu kommen und ihre Tipps und Hinweise für den Beruf für alle nutzbar zu machen, heißt es bei bauingenieur24 einmal im Monat "Nachgefragt bei ...". Bauingenieure und Experten ihres Faches liefern dabei im Interview aufschlussreiche Antworten zu unseren Fragen.

Dr.-Ing. Gerd Maurer ...

Dr.-Ing. Gerd Maurer ist Professor für Baumanagement an der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umwelttechnik der Technischen Hochschule Deggendorf. Foto: THD
Dr.-Ing. Gerd Maurer ist Professor für Baumanagement an der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umwelttechnik der Technischen Hochschule Deggendorf. Foto: THD

Dr.-Ing. Gerd Maurer ist Professor für Baumanagement an der Fakultät für Bauingenieurwesen und Umwelttechnik der Technischen Hochschule Deggendorf.

Maurer war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart. Als Bauunternehmer wirkte der gebürtige Neu-Ulmer in Ulm und Weimar bevor er verschiedene Führungsfunktionen bei Ed. Züblin sowie den Planungsunternehmen Scherr+Klimke AG Ulm, ATP München und Kohlbecker Gesamtplan München bekleidete.

Zu Maurers Spezialgebieten gehören neben den Fachdisziplinen des Bau- und Unternehmensmanagements der Auslandsbau sowie Building Information Modeling (BIM).


Was fordert Sie aktuell besonders in Ihrem Job?

Ich bin seit August 2019 Professor an der Technischen Hochschule Deggendorf und somit noch mitten in der Einarbeitung. Der Fokus wird in meinem ersten halben Jahr bzw. Semester klar auf der Lehre liegen. Dafür erarbeite ich aktuell aus meinem theoretischen Wissen die nötigen Konzepte, Materialien und Literaturlisten für meine kommenden Vorlesungen und Seminare. Diese Inhalte kombiniere ich natürlich mit meinen Erfahrungen aus der Baupraxis. Außerdem fließen Neuerungen aus dem Baurecht und aktuelle Zahlen und Daten als Grundlage der Baupreisermittlung in die akademische Lehre ein.

In der Vergangenheit habe ich bereits mehrere Lehrtätigkeiten ausgeübt, wenn auch nicht in Vollzeit. Nicht zuletzt auch dank der Begleitung meiner Kinder während ihres Studiums bin ich mit den modernen Gegebenheiten an den Unis und Hochschulen gut vertraut. Mich erwarten zunächst Studierende aus dem dritten bzw. siebten Semester sowie dem Master-Bereich. Hier gehe ich davon aus, dass die jungen Leute bereits ihren Fokus gefunden und damit die erste Hürde des Studierens, nämlich die Wahl des richtigen Faches, überwunden haben.

Natürlich will und werde ich mich als Professor auch in der Forschung und Entwicklung betätigen. Meine bisherigen eigenen Veröffentlichungen schließen Texte zum digitalen Planen und Bauen bzw. BIM ein, die unter anderem auch als Grundlage meiner Lehre dienen.

Die notwendige Digitalisierungsoffensive bzw. die digitale Transformation im Planen und Bauen ist eine große Herausforderung unserer Zeit, welche ich gerne und aktiv begleite. Hier gilt es bisherige Insellösungen in geschlossene und System unterstützende Lösungen zu überführen. Ziel ist es, durch den Kontakt zu bestehenden Firmen sowie zu Start-ups alle Beteiligten auf dem Weg mitzunehmen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass unsere Absolventen immer den aktuellen Stand der Technik kennen.

Mir ist bei all dem an einer anwendungsorientierten Forschung gelegen. Ein Beispiel bilden die so genannten Property Technologies zur digitalen Transformation der Immobilienwirtschaft. Hier möchte ich weiter mithelfen, Software-Lösungen und Tools für Bauunternehmen und Ingenieurbüros, auch und gerade im KMU-Bereich, zu entwickeln und anzuwenden.


Wie lange sind Sie schon Bauingenieur und warum?

Ich bin seit meinem Abschluss am 11.11.1988 Bauingenieur. Als Sohn eines Bauingenieurs wurde ich gewissermaßen bereits in eine Bauunternehmung für Hoch- und Ingenieurbau hineingeboren.

Anders als beispielsweise im Fahrzeugbau, wo die Produkte meist bereits nach wenigen Jahren verschlissen sind, schaffen wir Bauingenieure mitunter langfristig bleibende "Fundamente des Lebens". Das ist etwas extrem Schönes.

Als überzeugter Teamplayer mag ich das Image des Bauingenieurs, der kein allmächtiger Superheld ist, sondern immer nur mit anderen gemeinsam erfolgreich sein kann.


Wie definieren Sie die Rolle der Hochschulen sowohl für sich genommen als auch im Zusammenspiel mit anderen Akteuren des Bauwesens?

Auf der einen Seite müssen Hochschulen bedarfsorientiert ausbilden, damit Firmen und Verwaltungen die Fachkräfte bekommen die sie benötigen. Dabei muss genau geschaut werden, welche Zugangskompetenzen der Studierenden erforderlich sind und wie man ihnen am Ende des Studiums im Rahmen des Career Service einen optimalen Berufseinstieg ermöglicht.

Auf der anderen Seite sollte eine anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungsarbeit stehen. Die Hochschulen können so beispielsweise beim Thema BIM wertvolle Lösungen entwickeln, die eine sinnvolle Verknüpfung der digitalen Arbeitsmethode mit den allgemeinen Regeln der Ausschreibung bzw. der Angebotserstellung ermöglichen.

Durch den engen Kontakt mit Kammern und Verbänden müssen sich die Hochschulen stets über die aktuelle Situation innerhalb der Bauwirtschaft informieren und diese bei der Zusammenstellung ihres Studienangebots entsprechend berücksichtigen.


Was bringen Sie wie den angehenden Bauingenieuren bei? Was müssen diese selbst mitbringen, damit sie für den Beruf "geeicht" sind?

Ziel der Lehre an der Hochschule ist es, theoretisches Fachwissen bereits zusammen mit der Anwendung in der Praxis zu vermitteln. Daneben spielt die Sozialkompetenz eine wichtige Rolle. Angehende Bauingenieure müssen frühzeitig lernen und begreifen, dass sie später nie allein arbeiten werden, sondern vielmehr als Kollaborateure, im positivsten Sinne einer unabdingbaren Zusammenarbeit, tätig werden.

Um die Fähigkeiten der Kollaboration auszubilden, simulieren wir in den Vorlesungen und Seminaren - durchaus auch in Form von Rollenspielen - Verhandlungssituationen und Formen der Präsentation der eigenen Ingenieurarbeit.

Die zukünftigen Bauingenieure werden so auf das Zusammentreffen mit Architekten, aber auch Kaufleuten und anderen Akteuren vorbereitet. Am Ende steht immer das Ziel einer gelungenen Kommunikation, was immer auch voraussetzt, das ein gegenseitiges Verständnis und Interesse besteht.

Wichtig erscheint mir bei der Frage der Berufsvoraussetzung zu betonen, dass das Bauingenieurwesen keine Männerdomäne mehr ist, denn es geht nicht nur um Beton, Brücken und Massivbau sondern um die Bewältigung einer Querschnittsaufgabe. Das war eigentlich schon immer so, ist aber durch die gewachsene Interdisziplinarität, unter anderem durch die stärkere Berücksichtigung der Umwelt, noch zentraler geworden.

Die Affinität zu Zahlen und ein grundlegendes technisches Interesse bleiben darüber hinaus weiterhin essentiell für den Job.


Bitte vervollständigen Sie den Satz: "Um in Zukunft erfolgreich zu planen und zu bauen, kommt es darauf an, dass..."

... man sich in den Bauherrn hineinversetzt und somit Empathie für denjenigen entwickelt, der das Ganze bezahlt. Zudem muss man offen sein und die Zusammenarbeit wollen.


Wie digitalisiert arbeiten Sie bereits in Ihrem Job? Welche Herausforderungen sehen Sie in punkto technische und digitale Ausstattung für das Bauwesen?

Die bereits mehrfach erwähnte notwendige Zusammenarbeit in unserem Job und auch in der Funktion des Hochschulprofessors im Bauingenieurwesen gelingt heute nur dank digitaler Arbeits- und Speichermöglichkeiten, welche ich täglich rege nutze.

Allgemein sehe ich noch große Hürden bei der flächendeckenden Implementierung digitalen Bauens. Was bislang fehlt sind Standards, die dafür sorgen könnten, dass alle Beteiligten ein annähernd gleiches Verständnis für die Prozesse besitzen.

Mit der Einführung verbindlicher Standards, beispielsweise durch einen allseits anerkannten und nutzbaren digitalen Bauantrag, würde die Durchgängigkeit erhöht bzw. überhaupt erst einmal geschaffen. Hier sehe ich unter anderem die Bauverbände in der Pflicht, darauf hin zu wirken.

Die bewährte Arbeitsteiligkeit beim Planen und Bauen sollte sicher nicht so ohne Weiteres über Bord geworfen werden. Gleichzeitig sollte sich diese nicht zum Nachteil für die Digitalisierung der Baubranche auswachsen.

Unabhängig von der Nutzung digitaler Techniken möchte ich in diesem Zusammenhang eines festhalten: Der kreative Prozess braucht immer das Unmittelbare, Manuelle und haptisch Visuelle.

Gerade für Projekte der Lean Construction und bei agilen Designmethoden bleiben daher Flip-Chart und Post-its gegenüber digitalen Kommunikationsmitteln die bessere Wahl. Eine gut lesbare Handschrift und die Freihandskizze sind meiner Meinung nach im Bauingenieurwesen unersetzlich.


Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?

Um die Vorraussetzungen für die Digitalisierung zu schaffen, müssen die Genehmigungsbehörden und öffentliche Verfahren der Ausschreibung und Vergabe digitaler werden, Stichwort "Digitaler Bauantrag".

Die Fachhochschule Deggendorf wurde in den 1990er Jahren zusammen mit mehreren anderen Hochschulen in Bayern in mittelgroßen Städten jenseits der Ballungsräume gegründet. Das war der richtige Ansatz, der auch im Hinblick auf die aktuellen Probleme der Wohnungsnot in Großstädten beibehalten und intensiviert werden sollte.

Kleinere Hochschulen sollten dementsprechend in allen Bundesländern stark gefördert werden. Wir brauchen nicht nur Exzellenzuniversitäten in Deutschland.


Welchen Ausgleich haben Sie zum Beruf?

In meiner Freizeit genieße ich die Zeit mit meiner Familie sowie lange Waldspaziergänge mit meinem Hund Joy. Auch für einen Halbmarathon oder herausfordernde Golfrunden bin ich zu haben.

Darüber hinaus bin ich begeisterter Donaufahrer und Mitglied des Donaufreunde Ulm e.V. . Mit der "Ulmer Schachtel" [moderner Nachbau der traditionellen Einweg-Boote für Donaufahrten flussabwärts; Anm. d. Red.] haben wir auch schon mehrmals in Deggendorf angelegt. Weitere Strecken bis Belgrad habe ich auch schon absolviert. Eine Fahrt bis zum Schwarzen Meer steht für 2021 auf dem Programm.


Die Technische Hochschule Deggendorf (THD)

bietet als staatliche Fachhochschule zahlreiche Bachelor-Studiengänge und Master-Studiengänge in den Bereichen Technik, Wirtschaft und Medien an.

Die Fakultät Bauingenieurwesen und Umwelttechnik bietet folgende Studiengänge:

  • Bachelor Bauingenieurwesen
  • Bachelor Umweltingenieurwesen
  • Master Bau- und Umweltingenieurwesen
  • Bachelor Ressourcen- und Umweltmanagement (auslaufend)



QUELLEN UND VERWEISE:

Fakultät Bauingenieurwesen und Umwelttechnik der TH Deggendorf