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Nachgefragt bei: Jeannette Ebers-Ernst

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 21. Feb. 2018

# 26.02.2018

Dr.-Ing. Jeannette Ebers-Ernst von der grbv Ingenieure im Bauwesen GmbH & Co. KG - Jeder Bauingenieur tickt in seiner beruflichen Praxis anders. Arbeitsabläufe und Planungen gestalten sich, je nachdem, worauf der Einzelne Wert legt, unterschiedlich. Um den individuellen Eigenschaften erfolgreicher Ingenieure auf die Spur zu kommen und ihre Tipps und Hinweise für den Beruf für alle nutzbar zu machen, heißt es bei bauingenieur24 einmal im Monat "Nachgefragt bei ...". Bauingenieure und Experten ihres Faches liefern dabei im Interview aufschlussreiche Antworten zu unseren Fragen.

Dr.-Ing. Jeannette Ebers-Ernst ...

Dr.-Ing. Jeannette Ebers-Ernst ist Prokuristin des Ingenieurbüros grbv in Hannover sowie Mitglied der Jury zum Deutschen Brückenbaupreis. Foto: Hannah Jung
Dr.-Ing. Jeannette Ebers-Ernst ist Prokuristin des Ingenieurbüros grbv in Hannover sowie Mitglied der Jury zum Deutschen Brückenbaupreis. Foto: Hannah Jung

...unterstützt als Prokuristin der grbv Ingenieure im Bauwesen GmbH & Co. KG in Hannover die Geschäftsführung im Geschäftsfeld Wasserbau und betreut Projekte im Verkehrswasserbau und Ingenieurbau.

Als eines der ältesten freischaffenden Ingenieurbüros Deutschlands ist grbv seit über 90 Jahren mit inzwischen mehr als 100 Mitarbeitern im konstruktiven Ingenieurbau als kompetenter Partner in der Planung und Bauüberwachung tätig. In den Geschäftsfeldern Hoch- und Industriebau, Ingenieurbau, Windenergie und konstruktiver Wasserbau berät die Partnerschaft aus fünf Beratenden Ingenieuren öffentliche und private Bauherrn.

Ebers-Ernst ist Mitglied der Vertreterversammlung der Ingenieurkammer Niedersachsen und engagiert sich im Verband Beratender Ingenieure im Ausschuss Konstruktiver Ingenieurbau sowie im Arbeitskreis Wasserstraßen.

Wie bereits 2016, gehört Jeannette Ebers-Ernst auch 2018 zur Jury für den Deutschen Brückenbaupreis.


Frau Dr. Ebers-Ernst, was fordert Sie aktuell besonders in Ihrem Job?

Die in den vergangenen Jahren erheblich gestiegenen Investitionen der öffentlichen Hand in den Erhalt der Infrastruktur haben zu einer erhöhten Nachfrage unserer Ingenieurleistungen geführt. Häufig sind derzeit fehlende Personalressourcen auf Seiten der Auftraggeber und der Planer der limitierende Faktor bei der Projektabwicklung. Aus diesem Grund ist die Gewinnung von qualifizierten Mitarbeitern im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung des Büros für uns von entscheidender Bedeutung.

Über acht Jahre hinweg war ich als Projektleiterin für die Planung von fünf Schleusen am Dortmund-Ems-Kanal verantwortlich. Die Objekt- und Tragwerksplanung für die Schleusen, die Schleusenbrücken, tiefe Baugruben, die Vorhäfen und die Betriebsgebäude sind hierbei für uns konstruktive Ingenieure nahe liegend. Beim Bauen im Bestand und unter Betrieb sind darüber hinaus Fragen der Baustellenlogistik von besonderer Bedeutung.

Solche großen Infrastrukturprojekte mit einer Vielzahl an Fachdisziplinen und Projektbeteiligten verlangen engagierte Ingenieure, die über den Tellerrand hinausschauen, kommunikationsfähig sind und Fachthemen kompetent gegenüber Auftraggebern, Planungspartnern und der Öffentlichkeit vertreten können.

Unser Ziel ist es, für jedes Projekt, unabhängig von der Größe, die optimale Lösung zu finden. Darin liegt die eigentliche Ingenieuraufgabe.


Worauf legen Sie als Jury-Mitglied des Deutschen Brückenbaupreises wert?

Beim Deutschen Brückenbaupreis geht es genau um die beschriebene Erfüllung der Grundaufgabe eines Bauingenieurs. Dazu zählt, unter den gegebenen Randbedingungen ein Brückenbauwerk zu schaffen, dass dem Ort angemessen, in seiner Konstruktion schlüssig, wirtschaftlich sowie nachhaltig ist und Impulse in die Gesellschaft aber auch für zukünftige Entwicklungen setzt.

Die Auslober, das heißt die Bundesingenieurkammer und der Verband Beratender Ingenieure VBI, möchten mit dem Preis dazu beitragen, dass die herausragenden Brückenbauer mit ihrem Wirken für die Gesellschaft in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen werden. Nicht zuletzt leistet man damit auch einen wichtigen Beitrag für die Nachwuchsgewinnung.

Ich denke, dass uns als Jury die Arbeit zum Erreichen der genannten Ziele mit den diesjährigen Nominierungen und den Preisträgern wieder sehr gut gelungen ist. (Anm. d. Red.: siehe Quellen und Verweise)


Wie lange sind Sie schon in der Branche tätig und warum?

Nach meiner Promotion am Institut für Statik der Technischen Universität Braunschweig habe ich meine berufliche Entwicklung vor über 15 Jahren als Tragwerksplanerin im Brückenbau begonnen. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit in einem Konzern mit stetig wachsenden Managementaufgaben habe ich mich vor zwei Jahren für den Wechsel zu grbv entschieden, da die eigenverantwortliche Ingenieurtätigkeit in anspruchsvollen Projekten ein wichtiger Antreiber für mich ist.

Ingenieurwissenschaften sind für mich die perfekte Verbindung naturwissenschaftlicher Grundlagen und praktischer Anwendung. Der Reiz im Ingenieurbau besteht für mich in der unmittelbaren Verbindung von Objekt- und Tragwerksplanung, weil wir Ingenieure damit unsere Kreativität optimal entfalten können.


Welche Wege geht Ihr Unternehmen in punkto Personalgewinnung? Wie sichern sich Unternehmen der Baubranche den Nachwuchs?

Bei der Personalgewinnung werden wir durch einen externen Personaldienstleister unterstützt. Insbesondere bei der Nachwuchsgewinnung setzen wir jedoch auf die direkte Ansprache über bestehende Kontakte zu Universitäten und Hochschulen.

Die Beschäftigung von Werkstudenten und die Betreuung von Masterarbeiten sind gute Möglichkeiten, junge qualifizierte Ingenieure für unser Büro zu gewinnen. Hier können wir durch ein attraktives Arbeitsumfeld, verschiedene Zusatzleistungen und herausfordernde Projekte punkten.

Bisher hinkt die Baubranche im Hinblick auf die Digitalisierung den anderen Ingenieurdisziplinen hinterher. Der aktuelle Digitalisierungsprozess bietet aus meiner Sicht die Chance, mehr junge Menschen für den Beruf des Bauingenieurs zu gewinnen.

Auch die Imagekampagne www.ingenieur-talente.de von VBI-Mitgliedsunternehmen aus dem konstruktiven Ingenieurbau ist ein super Beitrag, um junge Menschen für unseren Beruf zu begeistern.

Die Initiative ClubING der Ingenieurkammer Niedersachsen fördert den Austausch zwischen Studierenden und erfahrenen Kolleginnen und Kollegen und soll dem Nachwuchs den Berufseinstieg erleichtern. (Anm. d. Red.: siehe Quellen und Verweise)


Auf wen hören Sie beruflich?

In fachlicher Hinsicht ist mir der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen sehr wichtig. Viele Aufgaben lassen sich nur in einem Team lösen und kritisches Hinterfragen offenbart oft Schwachstellen in der vermeintlich brillanten Idee.

Auch bei Fragen der Führung ist mir das Feedback von Kollegen und Vorgesetzten wichtig, entscheidet doch häufig die Kommunikation im Team über den Projekterfolg.

Für meine berufliche Entwicklung war und ist mir meine Familie ein wichtiger Ratgeber.


In welche (Informations-)Technik investieren Sie?

Aktuelle Themen sind hier die Einführung von BIM und die Datensicherheit.

Trotz des Rufs der öffentlichen Hand nach "OpenBIM-Lösungen" etablieren sich für die einzelnen Verkehrsträger spezifische Softwarelösungen. Das zwingt uns dazu, "mehrgleisig" zu fahren, um den Anforderungen der verschiedenen Auftraggeber gerecht zu werden und bedeutet erhöhte Investitionskosten für Software und Schulung der Mitarbeiter. Mit einer übergeordneten "Digitalisierungsstrategie" versuchen wir, für alle Geschäftsfelder vergleichbare Prozesse zu entwickeln.

Durch die Bandbreite der Geschäftsfelder, die Prüftätigkeit und verschiedene Forschungsaufträge verfügen wir insgesamt über einen umfangreichen Softwarekatalog, den wir nach Bedarf ständig aktualisieren.


Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?

Im Arbeitskreis Wasserstraßen des VBI haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Vergabesituation für Ingenieurleistungen bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) zu verbessern.

Trotz erheblicher Investitionsmittel löste die WSV in den vergangenen Jahren nur wenige Planungsaufträge aus. Eine Ursache hierfür ist die angespannte Personalsituation in der Verwaltung, das bedeutet, dass Investitionsmittel von der WSV nicht in vollem Umfang abgerufen werden können, da entsprechende Personalkapazitäten fehlen.

Deshalb erarbeiten wir Vorschläge zur Verbesserung der Vergabeprozesse, Konkretisierung der Vertragsbedingungen und Handreichungen zur Honorarermittlung, um die WSV bei ihrer Aufgabenerledigung zu unterstützen. Dafür wünschen wir uns auch Unterstützung aus der Politik.

Ein anderes Thema sind die Überlegungen zur Einführung von "Fachingenieuren" als besonderer Ausdruck der Fachkompetenz über die Ingenieurgesetze der Länder. Hier wünsche ich mir, dass die Politik stattdessen für eine solide Ingenieurausbildung an Universitäten und Hochschulen sorgt, um zu vermeiden, dass wir zukünftig zum Nachweis unserer fachlichen Eignung zahllose zusätzliche Qualifikationsnachweise vorweisen müssen.

Die Einführung von "Fachingenieuren" führt zu einer Abwertung unserer Hochschulabschlüsse und erzeugt für die Büros zusätzliche Bürokratie. Er ist der falsche Weg zur Qualitätssicherung in Planung und Ausführung.


Wie sieht Ihre individuelle Weiterbildung aus?

Der technische Fortschritt erfordert von uns lebenslanges Lernen. Zum einen lerne ich natürlich aus meinen Projekten, die häufig auch neue Fragestellungen mit sich bringen, zum anderen aber auch aus dem Austausch mit erfahrenen Kollegen. Um diesen Austausch zu fördern, gibt es in unserem Büro in den einzelnen Geschäftsfeldern interne Projektvorstellungen, die im Sinne von "best practice" dem Erfahrungsaustausch dienen.

Darüber hinaus bilde ich mich selbstverständlich über das Studium einschlägiger Fachpublikationen, die Teilnahme an Weiterbildungsveranstaltungen der Fachverbände wie zum Beispiel der Vereinigung der Staßenbau- und Verkehrsingenieure (VSVI) in Niedersachsen, der Ingenieurkammern und der Bundesanstalt für Wasserbau aber auch durch Teilnahme an Fachkongressen wie dem Dresdener Brückenbausymposium oder der Mitarbeit im Ausschuss für konstruktiven Ingenieurbau des VBI weiter.


Welchen Ausgleich haben Sie zum Beruf?

Ausgleich zum Berufsalltag finde ich vor allem bei meiner Familie, gemeinsamen sportlichen und kulturellen Aktivitäten aber auch der ehrenamtlichen Tätigkeit für eine Schule in privater Trägerschaft oder der Mitarbeit in Auswahlseminaren für die Studienstiftung des deutschen Volkes.



QUELLEN UND VERWEISE:

Brückenbaupreis 2018: Nominierungen stehen fest
ClubING - Das Nachwuchsprogramm der Ingenieurkammer Niedersachsen