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Nachgefragt bei: Nicole Zahner

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 26. Jan. 2017

# 30.01.2017

Dipl. Bau-Ing. ETH Nicole Zahner vom StudioC Berlin - Jeder Bauingenieur tickt in seiner beruflichen Praxis anders. Arbeitsabläufe und Planungen gestalten sich, je nachdem, worauf der Einzelne Wert legt, unterschiedlich. Um den individuellen Eigenschaften erfolgreicher Ingenieure auf die Spur zu kommen und ihre Tipps und Hinweise für den Beruf für alle nutzbar zu machen, heißt es bei bauingenieur24 einmal im Monat "Nachgefragt bei ...". Bauingenieure und Experten ihres Faches liefern dabei im Interview aufschlussreiche Antworten zu unseren Fragen.

Dipl. Bau-Ing. ETH Nicole Zahner ...

Dipl. Bau-Ing. ETH Nicole Zahner realisiert mit dem StudioC Berlin unterschiedlichste Bauprojekte in der Hauptstadt und darüber hinaus. Foto: Urs Füssler
Dipl. Bau-Ing. ETH Nicole Zahner realisiert mit dem StudioC Berlin unterschiedlichste Bauprojekte in der Hauptstadt und darüber hinaus. Foto: Urs Füssler

...ist Statikerin im eigenen Büro StudioC in Berlin. Mit insgesamt sechs Mitarbeitern erarbeitet Zahner als Tragwerksplanerin vorwiegend Lösungen für unterschiedlichste Projekte im Hochbau, von Gebäuden über Brücken bis hin zu großen Kunstwerken.

Das Unternehmen ist auf kein Material und keine Planungsphase festgelegt.


Frau Zahner, was fordert Sie gerade besonders in Ihrem Job?

Aktuell planen wir ein siebengeschossiges Wohngebäude in Berlin Lichtenberg. Das Projekt dient der Innenstadtverdichtung und soll im Auftrag einer Wohnungsbaugesellschaft möglichst kostengünstig umgesetzt werden, um die entstehenden 70 Wohnungen zu moderaten Mieten anbieten zu können.

Obwohl wir hier auf eine Luxusbauweise verzichten, soll das Gebäude architektonisch ansprechend sein. Statisch ist es eine Herausforderung, da wir in den Obergeschossen auf ein leichtes Mauerwerk mit guter Dämmqualität setzen. Als Alternative zu einem Wärmedämmverbundsystem vermeiden wir so die spätere problematische Entsorgung der Baustoffe als Sondermüll.

Für den Sockel planen wir mit Fertigteilen, die in einer Sandwich-Bauweise verarbeitet werden. Wir hoffen unter anderem dadurch die Kosten niedrig zu halten.

Viele unserer Projekte drehen sich um das Thema Nachverdichtung in der Hauptstadt. Hier gibt es logistische und technologische Besonderheiten, die ich als positive Herausforderungen sehe. In der Planung spielen umstrukturierbare Wohnräume eine immer größere Rolle, das heißt, die Wohnungen können später je nach Bedarf an die Lebenssituation ihrer Bewohner angepasst werden.

Berlin ist auf seiner großen Fläche sehr gut erschlossen, umso wichtiger ist es, den Leuten auch guten und bezahlbaren Wohnraum zu bieten, damit sie tatsächlich das Fahrrad oder den ÖPNV nutzen können. In anderen europäischen Großstädten wie zum Beispiel in London ist man diesbezüglich gescheitert.


Wie lange sind Sie schon in der Branche tätig und warum?

Meine Wahl für das Bauingenieurwesen war letztlich eher Zufall. Ich stamme aus Luxemburg, habe aber an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich studiert. Es hätte auch Maschinenbau oder Chemie sein können.

Die eher wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Bauen ging mir während des Studiums ziemlich auf die Nerven. Ich habe es dennoch durchgezogen und wollte anschließend auch nicht umsonst studiert haben, weshalb ich mir eine entsprechende Anstellung suchte.

In der Schweiz gab es damals, Mitte der 1990er Jahre, wenig Arbeitsmöglichkeiten. Schließlich wurde ich in Berlin fündig, zunächst in einer Baufirma. In einem Schweizer Ingenieurbüro bekam ich danach schnell viel Verantwortung und der Beruf begann mir Spaß zu machen.

Irgendwann hatte ich die Wahl zwischen einer Karriere als Projektmanagerin in einem großen internationalen Konzern mit eher oberflächlicher fachlicher Betätigung und der vertieften Projektarbeit als selbstständige Statikerin. Durch eine Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Architekturlehre ergaben sich persönliche Kontakte zu verschiedenen Architekten, was schließlich die ersten Aufträge mit sich brachte. Damit war die Entscheidung gefallen. Seit 2001 gibt es das StudioC.


Welche Wege geht Ihr Unternehmen in punkto Personalgewinnung?

Ich halte den Kontakt zu den Hochschulen aus vielerlei Gründen für sehr wichtig. Die Rekrutierung von Fachkräften ist einer.

Wenn wir eine konkrete Stelle besetzen möchten, gelingt die Ansprache nach meiner Erfahrung am besten mittels entsprechender Online-Portale. Wir hatten damit unlängst auf Anhieb Erfolg.


Auf wen hören Sie beruflich?

Das sind vor allem befreundete Kollegen, denen ich sehr vertraue und mit denen man fachlich auf Augenhöhe spricht. Leider gelingt der Austausch im Alltag bisher zu selten, weshalb ich neben der Mitgliedschaft im Berliner Architekten- und Ingenieur-Verein (AIV) weitere Kontakte zu entsprechenden Netzwerken anstrebe, sobald es die Zeit erlaubt.


In welche Technik investieren Sie?

Wir sind technisch gut aufgestellt, aber keine IT-Freaks. Die Technik wird den Erfordernissen des jeweiligen Projekts angepasst, nicht umgekehrt.

Die Einführung von BIM haben wir schon mehrfach erwogen. Bislang wurde ein Vorgehen nach dieser Methode am Ende von den Bauherren nicht gewünscht, weshalb wir sie auch noch nicht implementiert bzw. umgesetzt haben. Das wird aber früher oder später mit Sicherheit passieren und dann sind wir bereit.


Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?

Um das Bauingenieurwesen für möglichst viele junge Menschen interessant zu machen, muss ganz eindeutig in Bildung von klein auf investiert werden. Meine Erfahrung zeigt mir, dass die Kolleginnen und Kollegen, welche nicht durch ihr Elternhaus für den Beruf geprägt wurden, häufig einen bildungsferneren Hintergrund haben. Der Beruf ist somit vielfach ein Aufsteigerberuf. Dies kann er aber nur dann sein, wenn jedem die Möglichkeit gegeben wird, das Studium aufzunehmen, er oder sie entsprechend vorgebildet sind.

Zudem sollten alle berufspolitischen Akteure dazu beitragen, den Beruf in der Öffentlichkeit präsenter zu machen. Ich erinnere mich, dass die Lektüre von Romanen, in denen ein Ingenieur eine Rolle spielte, wie in Max Frischs "Homo faber" oder Heinrich Bölls "Billard um halb Zehn", für mich ein Grund waren, den Beruf kennen lernen zu wollen. Warum also nicht für mehr Bauingenieure in Vorabendserien plädieren?

Entgegen vieler Stimmen, halte ich das Arbeiten und Wirtschaften innerhalb der Baubranche in Deutschland nicht für überreguliert. Im Gegenteil finde ich die ausführlichen DIN-Vorschriften, die in der Welt ihresgleichen suchen, unabdingbar für den Erhalt der hohen Qualitätsstandards, wenngleich damit wirtschaftliche Zwänge verbunden sind. In der Schweiz haben wir uns oft in den deutschen Regelwerken Rat geholt.

Auch freue ich mich immer wieder über eindeutige und für jedermann verbindliche Verfahrenswege von der Bauplanung bis zur Realisierung. Das kenne ich unter anderem aus meinem Heimatland ganz anders. Im internationalen Vergleich existiert die Korruption, in Deutschland nicht wirklich. Dafür aber eine objektive Rechtsprechung. Diese demokratischen Errungenschaften gilt es zu erhalten.


Wie sieht Ihre individuelle Weiterbildung aus?

Ich lerne mit jedem Projekt etwas Neues. Die detaillierte Beschäftigung mit einem Bauvorhaben zwingt mich geradezu zum ständigen Selbststudium. Hin und wieder besuche ich auch Fortbildungen, wenn das Thema gerade für mich und meine Arbeit relevant ist.

Von der Mitarbeit an verschiedenen Hochschulen hat mein Wissensstand bislang immer profitiert, weshalb ich weitere solcher Engagements für die Zukunft nicht ausschließe. Das dort praktizierte interdisziplinäre Arbeiten reizt mich sehr.

Wie gesagt, ist der ständige Draht zur Wissenschaft für mich allgemein sehr wichtig. Wenn es die Projekte zulassen, können neue Erkenntnisse aus der Forschung auch direkt angewandt werden. Umgekehrt kann man selbst Rückmeldung geben, in welche Richtung aus Anwendersicht stärker geforscht und gelehrt werden müsste. Es ist ein Geben und Nehmen, das beide Seiten weiterbringt.


Welchen Ausgleich haben Sie zum Beruf?

Die Arbeit lasse ich grundsätzlich im Büro. Der Feierabend und die Wochenenden gehören meiner Familie. Es macht Spaß, meinen Kindern die Welt zu zeigen und dabei selbst Neues zu entdecken.