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Nachgefragt bei: Volker Mörgenthaler

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 17. Dez. 2015

# 30.12.2015

Dr.-Ing. Volker Mörgenthaler von der BIT Ingenieure AG - Jeder Bauingenieur tickt in seiner beruflichen Praxis anders. Arbeitsabläufe und Planungen gestalten sich, je nachdem, worauf der Einzelne Wert legt, unterschiedlich. Um den individuellen Eigenschaften erfolgreicher Bauingenieure auf die Spur zu kommen und ihre Tipps und Hinweise für den Beruf für alle nutzbar zu machen, heißt es bei bauingenieur24 einmal im Monat "Nachgefragt bei ...".

Dr.-Ing. Volker Mörgenthaler ...

Dr.-Ing. Volker Mörgenthaler ist Vorstandsvorsitzender der 2014 gegründeten BIT Ingenieure AG in Karlsruhe. Foto: Ulrich Treckmann
Dr.-Ing. Volker Mörgenthaler ist Vorstandsvorsitzender der 2014 gegründeten BIT Ingenieure AG in Karlsruhe. Foto: Ulrich Treckmann

...ist Vorstandsvorsitzender der BIT Ingenieure AG in Karlsruhe. In der AG haben sich die vier Ingenieurbüros Miltner (Karlsruhe), Ernst+Co (Freiburg / Villingen Schwenningen), Mörgenthaler (Öhringen / Heilbronn) und Nußbaum (Bretzfeld / Heilbronn) zusammengeschlossen. BIT steht für Beratende Ingenieure Tiefbau.

Die Gesellschaft ist in den Bereichen Wasser-, Verkehr- und Stadtplanung tätig. Unter Anwendung der 3-D-Visualisierung werden u.a. auch Projekte im Bereich der regenerativen Energien (solare Lärmschutzwände, Standortanalysen für Windenergieanlagen) realisiert.

In der AG arbeiten aktuell ca. 130 Ingenieure, Techniker und Bauzeichner in ganz Baden-Württemberg zusammen. Zu den Kunden zählen sowohl die Öffentliche Hand als auch Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungsunternehmen im In- und Ausland.


Herr Mörgenthaler, was fordert Sie gerade besonders in Ihrem Job?

Zum einen ist das die Konsolidierung unserer im November 2014 gegründeten und damit recht jungen AG. Durch die Verschmelzung sind unterschiedliche Mentalitäten, Unternehmenskulturen und Systeme zusammengekommen. Wir sind mitten im Prozess, die Kommunikation zwischen den Standorten auf eine gemeinsame Linie zu bringen, die unterschiedlichen Systeme zu harmonisieren und einheitliche Standards aufzustellen.

Das fängt beim QM-System an und geht über eine standortübergreifende Projektverwaltung bis hin zur gemeinsamen Adressdatenbank oder dem büroübergreifenden digitalen Archiv. Sehr viel Fingerspitzengefühl erfordert es, Verantwortlichkeiten neu zu verteilen, standortübergreifende Projektteams zu bilden und ein gemeinsames werteorientiertes Selbstverständnis zu schaffen, mit dem sich alle identifizieren können. Viel Energie ist derzeit auch nötig, den Außenauftritt der BIT Ingenieure AG zu forcieren über Fachbeiträge in Magazinen, wie dieses Interview hier, Anzeigen, Projektberichterstattungen oder die Teilnahme an Konferenzen und Bildungsveranstaltungen.

Zum anderen beschäftigt mich die Bewältigung aktueller Aufträge. Durch den Zusammenschluss ist die Gesellschaft in der Lage, auch überregionale, nationale und internationale Großprojekte abzuwickeln. So haben die BIT Ingenieure an Masterplänen für kurdische Städte im Nordirak mitgewirkt und einen Masterplan zur Regenentwässerung bzw. zum Hochwasserschutz der saudi-arabischen Hauptstadt Riad mitentwickelt. In Ungarn sind wir für ein deutsches Automobilunternehmen tätig.

Die Kundenpflege wird darüber hinaus permanent betrieben. Selbst wenn eine Kommune, ein Regierungspräsidium oder ein Unternehmen gerade keine Projekte zu beauftragen hat, ist Präsenz und Erinnerung unabdingbar. Für die Kontaktpflege nutzen wir alle Möglichkeiten, darunter ein jährliches Kundenmagazin und einen monatlich erscheinenden E-Mail-Infobrief.


Wie lange sind Sie schon in der Branche tätig und warum?

Eigentlich bin ich schon seit meiner Kindheit in der Branche tätig, also seit rund 50 Jahren. In den Ferien habe ich oft meinen Vater bei kleinen Aufgaben im Büro unterstützt und für mich war immer klar, dass ich in seine Fußstapfen treten will. Nach Abitur und Wehrdienst begann ich in Stuttgart mein Studium des Bauingenieurwesens mit den Schwerpunkten Straßenverkehr, Straßenbau und Baubetrieb. 1990 habe ich dann mein Diplom abgelegt.

Danach folgte bis 1995 die Promotion am Lehrstuhl für Straßen- und Verkehrswesen. Anschließend bin ich in das väterliche Ingenieurbüro eingestiegen, wo ich 1999 zusammen mit meinem Bruder die Geschäftsführung übernahm und diese bis zur Gründung der BIT Ingenieure innehatte.


Wo sehen Sie das deutsche Bauingenieurwesen in 10 Jahren?

Meine Erfahrung zeigt, dass sich im Bauingenieurwesen vor allem die Arbeitsweise durch die neuen digitalen Möglichkeiten radikal verändert hat. Auch weiterhin bleiben neue Technologien treibende Kräfte für die Arbeitsweise und Projektabwicklung in unserer Branche. In zehn Jahren wird es vor allem darum gehen, mächtige Datenbanken zu beherrschen und interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Teamfähigkeit wird das entscheidende Kriterium sein und eben die Nutzung neuester Technologien. Die 3-D-Modellierung wird zunehmen und nicht nur Planungen steuern, sondern auch Baustellen und Bauprozesse.

Erneuerbare-Energie-Projekte, energieeffiziente Verkehrskonzepte, Energierückgewinnung und -speicherung werden ebenso zu unserem Ingenieursalltag gehören wie intelligente Stromnetze oder die energetische Nutzung von Abwasser oder Regenwasser. Auch wird die Bürgerbeteiligung deutlich zunehmen, mit allen planerischen Konsequenzen.


Welche Wege gehen Sie in punkto Personalgewinnung und wie sichern Sie sich den Nachwuchs von morgen?

Wir haben die BIT Ingenieure AG unter anderem gegründet, um die Nachfolgeregelung langfristig sicherzustellen. Die Inhaber der vier Büros, welche zum Teil in fortgeschrittenem Alter sind, waren sich darin einig: Nach uns soll es mit dem Erreichten weitergehen.

In unserer AG haben wir deshalb die Nachfolge für die nächsten 10-15 Jahre geregelt. Gemeinsam arbeiten wir daran, entsprechende Nachwuchskräfte heranzuziehen, die nach dieser Zeit die Verantwortung übernehmen können.

Es gilt bereits heute, die Führungskräfte von morgen zu entdecken. Hier bietet sich ein sehr großes Potenzial, wobei wir auf der Suche nach Talenten und qualifizierten Ingenieuren "mehrgleisig fahren": Zum einen bieten wir Schnupperpraktika für Schülerinnen und Schüler sowie Stipendien für hochbegabte Studenten an. Studierende haben zudem die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum bei uns ihre Bachelor- oder Masterarbeit zu erstellen, mit der Option, nach dem Abschluss des Studiums bei uns anzufangen.

Für die aktive Mitarbeitergewinnung nutzen wir auch Karrierebörsen sowie Ingenieurnetzwerke, darunter die Akademie für Ingenieure in Ostfildern, über die wir bereits qualifizierte ausländische Fachkräfte gewonnen haben. Natürlich bilden wir auch selber aus, sowohl für kaufmännische Berufe als auch für Berufe im Bauingenieurwesen, vom Bauzeichner bis zum Techniker.

Wer sich den akademischen Nachwuchs sichern will, muss heutzutage zudem die sozialen Netzwerke nutzen und sich dort mit Stellenausschreibungen und Firmenporträts präsentieren.

Unabhängig von der Rekrutierung, ist die "familientaugliche" Integration von Frauen in unserem mittelständisch geprägten Unternehmen eine sehr große Herausforderung.


Auf wen hören Sie beruflich?

Zuallererst auf mich und meine Intuition. Dann aber sehr stark auf meine Partner im Vorstand der AG und den Aufsichtsrat, aber auch auf unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Meinung mir wichtig ist. Sie gibt oft den Ausschlag für die ein oder andere Weichenstellung.

In der AG haben wir verschiedene Arbeitskreise, die sich sehr intensiv mit speziellen Themen beschäftigen und qualifizierte Entscheidungen für den Vorstand vorbereiten. Einsame Entscheidungen gibt es bei uns nicht. Wir kennen uns alle schon seit vielen Jahren und vertrauen einander. Das ist die Basis für den gemeinsamen Erfolg. Im Gespräch und in der Auseinandersetzung miteinander kommen wir in der Regel zu guten Ergebnissen, die dann von allen getragen werden.

Natürlich höre ich auch auf fachliche Koryphäen und auf Kunden, wobei es bei letzteren vor allem aufs Zuhören ankommt.


In welche Technik investieren Sie generell?

Die Verschmelzung der vier Ingenieurbüros zur AG hat weitreichende investive Folgen. Im letzten Jahr haben wir in eine einheitliche Unternehmenssoftware investiert, mit der wir nun standortübergreifend unsere Projekte verwalten, Buchhaltung, Finanzen und Controlling zentral steuern und in der wir die Telefonverzeichnisse zusammengeführt haben. Voraussetzung dafür war die Installierung entsprechender Hardware.

Derzeit bereiten wir eine zentrale Datenverwaltung vor mit einer gemeinsamen Adressdatenbank. Was nun ansteht, ist die Vereinheitlichung der technischen Programme. So haben wir uns beispielsweise im Bereich der hydraulischen Simulation und der Analyse von Wasserversorgungsnetzen standortübergreifend für eine einheitliche Berechnungssoftware entschieden.

Ansonsten stehen jedes Jahr Updates unserer Programme an, von CAD-Software über GIS bis zu Modellierungsprogrammen für die Wasserver- und -entsorgung, den Hochwasserschutz oder der Straßenplanung. Außerdem wachsen wir. Allein im letzten Jahr sind etwa 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu hinzugekommen. Was wiederum heißt: rund 15 neue Rechner, eine Vielzahl an weiteren Lizenzen und auch neue Programme für Spezialaufgaben.


Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?

Ich wünsche mir dreierlei Dinge: Dass die Förderungen für Erneuerbare Energien nicht noch weiter eingeschränkt werden; dass die öffentlichen Mittel für Instandhaltung und Sanierung von Infrastrukturen deutlich ausgeweitet werden; und dass den Kommunen mehr Handlungsspielraum bei der Umsetzung regionaler Projekte eingeräumt wird.

Der Klimaschutz ist in den kommenden Jahren die größte Herausforderung für das Überleben der Menschheit und darf nicht weiter so stiefmütterlich von der Politik behandelt werden. Die Auswirkungen des Klimawandels bekommen wir heute schon Jahr für Jahr deutlicher zu spüren und wenn nicht jetzt gehandelt wird, hat das katastrophale Auswirkungen auf die ökologischen Systeme und in weiterer Konsequenz auf das Lebensumfeld von allen Menschen. Keine Stadt, kein Dorf wird davon verschont bleiben.

Straßen, Plätze, öffentliche Gebäude und die Versorgungsnetze für Wasser, Strom und Gas sind in Deutschland häufig in die Jahre gekommen und gehören zum Teil grundlegend saniert und den neuen Gegebenheiten angepasst. Weitere Versäumnisse treiben die Kosten erheblich in die Höhe. Jetzt in Infrastruktur investieren heißt, später einzusparen.

Der Handlungsspielraum für Kommunen ist durch Überregulierung bis hin zu den Vorgaben durch die europäische Gesetzgebung eingeschränkt. Eine Harmonisierung und Entschlackung der Rechtsverordnungen stärkt die Kommunen in ihrer Souveränität und ermöglicht eine schnellere Planung und Realisierung von kommunalen Projekten.


Wie sieht Ihre individuelle Weiterbildung aus?

Ich halte mich durch das intensive Studium von Fachliteratur und Beiträgen in den Fachmagazinen, durch die Teilnahme an Kongressen und Konferenzen sowie durch Recherchen im Internet auf dem Laufenden. Dabei suche ich vor allem nach neuen Entwicklungen und deren Auswirkungen auf das Bauingenieurwesen.

Besonderen Wert lege ich auf den fachlichen Austausch mit Vorständen und Geschäftsführern anderer Ingenieurunternehmen zur frühen Erkennung von Trends und möglichen künftigen Handlungsweisen zu Risiken. Manchmal nehme ich mir auch 1-2 Tage Auszeit und besuche ein interessantes Seminar- oder Kolloquium, um den Blick für andere Sichtweisen zu öffnen. Dies muss nicht unbedingt fachbezogen sein.


Welchen Ausgleich haben Sie zum Beruf?

Privat verbringe ich die Zeit am liebsten mit meiner Familie und mit Freunden. Wenn es das Wetter erlaubt, fahren wir Rad, gehen spazieren oder genießen die Luft im offenen Auto. Manchmal joggen wir auch gemeinsam. Ein gutes Essen und Wein mit Freunden oder gemeinsames Kochen schätze ich ebenfalls. Im Winter liebe ich Sushi, im Sommer bin ich leidenschaftlicher Griller großer Steaks.

Im Spätsommer gehe ich oft mit Freunden in die Berge, wandere von Hütte zu Hütte und ersteige auch schon mal einen 3.000er in den Alpen. Und wenn es irgendwo Bäume zu fällen gibt, bin ich mit der eigenen Motorsäge gerne dabei. Das letzte Mal war das in unserem Garten. In dem kann ich mich im Frühjahr und Herbst richtig "austoben", den Boden bearbeiten, Neues pflanzen.