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Nordrhein-Westfalen: Ingenieure lehnen »Lego-Brücken« ab

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 30. Juli 2015
Kategorie:

# 10.08.2015

Bauminister für Übernahme des niederländischen Konzepts. Ingenieurkammer hält Bauweise als Bestandsbrückenersatz für ungeeignet. Präsident sieht größeres Einsparpotenzial bei Planfeststellungsverfahren

Branche spricht sich gegen Einheitsbrücken aus

Für Ingenieure gilt: Jede Brücke ist anders. Alte Brücken durch vorgefertigte neue Lego-Brücken zu ersetzen, lehnt die Ingenieurkammer NRW daher ab. Foto: Gerhard Giebener  / Pixelio
Für Ingenieure gilt: Jede Brücke ist anders. Alte Brücken durch vorgefertigte neue Lego-Brücken zu ersetzen, lehnt die Ingenieurkammer NRW daher ab. Foto: Gerhard Giebener / Pixelio

Für die meisten Bauingenieure ist das Planen und Bauen eines Bauwerks, das als Unikat gelten kann, einer der wichtigsten Gründe für ihre Berufswahl. Standardisierte Lösungen und das Bauen nach "Schema F" laufen dem zuwider. Dennoch gibt es Bestrebungen, die Produktion von Bauwerken möglichst einheitlich und damit kostengünstig zu gestalten.

Ein Beispiel liefern standardisierte, vorgefertigte Brückenbauwerke nach dem niederländischen "Lego-Prinzip". Während der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) dieser Bauweise durchaus etwas abgewinnen kann, teilt der Präsident der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen diese Begeisterung nicht: "Diese Konstruktionen sind kaum als Ersatz für bestehende Brücken in NRW geeignet", äußerte sich Heinrich Bökamp skeptisch, nachdem Minister Groschek nach einem Besuch im Nachbarland von der "Lego-Bauweise" schwärmte. Neben Sicherheitsfragen sieht der Kammerpräsident vor allem den wirtschaftlichen Aspekt kritisch.


Kammerpräsident: Verbesserung durch kürzere Planungsphasen anstreben

"Weniger als 40 Prozent der Zeit, die in Deutschland für die Realisierung einer Brücke notwendig ist, entfällt auf den eigentlichen Bau. 60 Prozent werden für die Planungsphase, beispielsweise für sehr lange Planfeststellungsverfahren, benötigt", so Bökamp. "Wir sind gern bereit, in einer Task Force mitzuarbeiten, die Lösungen für eine deutliche Verkürzung dieser Zeitspannen entwickelt und damit zu einer schnelleren Verbesserung der maroden Infrastruktur beiträgt."


Sicherheitsstandards und finanzielle Vorteile nicht gewährleistet

Das sei dann der Fall, wenn beispielsweise zuerst die Brücke gebaut und danach die Zufahrtswege angepasst werden. Die aktuelle Situation in NRW sei aber das genaue Gegenteil, erläutert der Ingenieur. "Jede Brücke ist anders, die Spannweiten unterscheiden sich, die jeweilige Einbindung in die Umgebung ebenfalls. Wir haben höchst individuelle Voraussetzungen, an die sich die Brücke jeweils anpassen muss. Mit vorgefertigten Elementen kommt man da nicht weit, da die vor Ort vorhandenen Verhältnisse zuerst den Randbedingungen des Baukastensystems angepasst werden müssen.


Schnelle Bauweise kein Heilmittel gegen versäumte Investitionen

Bedenklich findet der Kammerpräsident auch die Bauweise an sich: "Wir wissen, dass insbesondere Fugen immer neuralgische Punkte sind. Sie sind wartungs- und damit kostenintensiv." Bei der niederländischen "Lego-Bauweise" gäbe es viele Fugen, was die zunächst vielleicht preiswerten Brücken auf Dauer ebenfalls schnell zu aufwändigen und teuren Bauwerken machen könne.


Baukultur wird in Frage gestellt

Letztlich, so der Ingenieurkammerpräsident, müsse sich die Gesellschaft eine wichtige Frage stellen: "Möchten wir in einer gebauten Umwelt leben, die vielerorts standardisierte Einheitsbrücken mit relativ bescheidenem gestalterischen Anspruch aufweist?" Bökamp ist sicher, dass baukulturell ein solches Szenario nicht erstrebenswert ist.