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Ingenieurmethoden im Brandschutz - Chancen für den Stahlbau - Teil 1/4

Verfasst von: Prof. Dr.-Ing. P. Schaumann
Veröffentlicht am: 13. Sep. 2001
Kategorie:

# 17.09.2001

Im Wettbewerb mit anderen Bauweisen gewinnt der bauliche Brandschutz für den Stahlbau in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung. Gleichzeitig schreitet die Entwicklung von numerischen Nachweisverfahren im Brandschutz weiter fort. Der Beitrag beschreibt den aktuellen Stand der Ingenieurmethoden im Rahmen der neuen europäischen Normung und deren mögliche Auswirkungen auf die Entwicklungsmöglichkeiten im Stahlbau

1. Einleitung

Abb. 1 - Ungefähre Kosten für Brandschutzmaßnahmen in ECU pro m² im europäischen Vergleich, Abb.: Institut für Stahlbau
Abb. 1 - Ungefähre Kosten für Brandschutzmaßnahmen in ECU pro m² im europäischen Vergleich, Abb.: Institut für Stahlbau

Die Brandkatastrophe am Nachmittag des 11. April 1996 am Flughafen Düsseldorf hat die Bedeutung von Brandschutzmaßnahmen insbesondere für Sonderbauten mit großen Menschenansammlungen in dramatischer Weise in den Blickpunkt des Interesses einer breiten Öffentlichkeit und auch der Medien gerückt. Sie hat nicht nur in Nordrhein-Westfalen alle an der Planung und am Bau Beteiligten in besonderem Maße für die Belange des vorbeugenden baulichen Brandschutzes sensibilisiert. Schnell wurde die Forderung nach schärferen bauaufsichtlichen Regelungen laut. In der Tat liegt der historische Ursprung der bestehenden bauaufsichtlichen Regelungen im Hinblick auf den Brandschutz in der Reaktion auf die verheerenden Stadtbrände im letzten Jahrhundert und im letzten Weltkrieg. Einer der wesentlichen Gesichtspunkte ist daher das Abschottungsprinzip, z.B. durch die Anordnung von Abstandsflächen und Brandwänden. Die Erfahrungen haben bewiesen, daß diese Regelungen ganz wesentlich dazu beitragen, die Brandausbreitung zu behindern. Diese Maßnahmen können die Entstehung von Bränden und damit die Gefährdung von Menschen natürlich nicht verhindern. Die vorrangig baulich konstruktiven Anforderungen schlagen sich in den Landesbauordnungen u.a. in den Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile nieder. Je nach Gefahrenpotential in den Gebäuden wird dabei zwischen mindestens feuerhemmenden und feuerbeständigen Bauteilen unterschieden. In Ermangelung anderer Beurteilungsmethoden wurden die Eigenschaften feuerhemmend und feuerbeständig an dem Verhalten der Bauteile im Normbrandversuch festgemacht. Dabei wird regelmäßig feuerhemmend der Feuerwiderstandsklasse F 30 und feuerbeständig der Feuerwiderstandsklasse F 90 zugeordnet. Für den Stahlbau bringen Auflagen hinsichtlich der Feuerwiderstandsfähigkeit zwei wesentliche Wettbewerbsnachteile. Zum einen kann der Wunsch vieler Architekten nach sichtbaren, stählernen Tragkonstruktionen wegen nachträglich anzuordnender Brandschutzbekleidungen nicht erfüllt werden. Ästhetisch gewollte Lösungen können nicht realisiert werden. Zum zweiten führen Brandschutzmaßnahmen für die Stahlkonstruktion zu einer erheblichen Verteuerung, die den Wettbewerb zum Massivbau in manchen Marktsektoren erschwert.


2. Tragverhalten im Brandfall

Gleichung (2), Abb.: Institut für Stahlbau
Gleichung (2), Abb.: Institut für Stahlbau

Die Sicherheitsanforderungen im Bauwesen laut Bauproduktenrichtlinie 89/106/EEC verlangen, daß im Fall der Entstehung eines Brandes die Tragfähigkeit der Konstruktion für eine definierte Dauer vorausgesetzt werden kann. Wird die erforderliche Widerstandsdauer mit t-requ und die Zeit bis zum Versagen der Konstruktion mit t-u bezeichnet, so läßt sich diese Forderung vereinfacht in folgender Bedingungsgleichung ausdrücken: t-u >= t-requ (Gleichung 1). So einfach diese Bedingungsgleichung zunächst erscheint, so komplex wird sie bei näherem Hinsehen. Schon bei der Frage nach der erforderlichen Dauer t-requ wird die Kompliziertheit deutlich. Die „definierte Dauer“, von der in der Bauproduktenrichtlinie gesprochen wird, entspricht nicht etwa den 30 oder 90 Minuten des Normbrandversuches. Es hat sich fälschlicherweise eingebürgert, an dieser Stelle sofort den Zusammenhang zu den Feuerwiderstandsklassen des Normbrandversuches herzustellen. Die Dauer t-requ ist im Gegenteil in keiner gesetzlichen Vorschrift, DIN-Norm oder Richtlinie quantitativ festgelegt. Sie orientiert sich an den primären Schutzzielen des Brandschutzes, die dem Personenschutz gewidmet sein müssen. Zum Beispiel daran, wieviel Zeit für Flucht oder Rettung im Gebäude befindlicher Personen oder für die Durchführung von Brandbekämpfungsmaßnahmen notwendig ist. Hier spielen zahlreiche Parameter wie z.B. die Höhe der Brandbelastung und die Art und Nutzung des Gebäudes eine Rolle. In der Bau- und insbesondere in der Genehmigungspraxis muß das Fehlen objektiver Kriterien zur Festlegung dieser erforderlichen Dauer t-requ immer wieder zu differierenden Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile führen, wenn im Einzelfall mit erheblichen Ermessensspielräumen agiert wird. Einen Ausweg im Hinblick auf realistische, objektspezifische Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile bietet ein über die „definierte Dauer“ hinausgehender Ansatz. Dabei wird nicht nach der oben angesprochenen „definierten Dauer“ t-requ gefragt, sondern danach, welche thermische Belastung der Bauteile bei einem Brand maximal möglich ist. Die thermische Belastung drückt sich meist in Brandgastemperatur-Zeitkurven, sogenannten Naturbrandkurven, aus. Die Bedingungsgleichung (1) geht dann über in einen Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit.



QUELLEN UND VERWEISE:

Institut für Stahlbau - Uni Hannover
Teil 2/4