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Alte Brücken sicherer als gedacht?

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 16. März 2018
Kategorie:

# 23.03.2018

Experiment an ausgedienter Spannbetonbrücke bringt neue Erkenntnisse. Querkrafttragfähigkeit eventuell höher als bislang angenommen. Anpassung von Berechnungsmodellen nicht ausgeschlossen

Belastung von Straßenbrücken durch Verkehr steigt

In Hammelburg wurde das tatsächliche Tragverhalten einer alten Spannbetonbrücke getestet. Foto: Lehrstuhl für Massivbau / TUM
In Hammelburg wurde das tatsächliche Tragverhalten einer alten Spannbetonbrücke getestet. Foto: Lehrstuhl für Massivbau / TUM

Die Zahl der Autos und vor allem der Schwerlastverkehr nimmt in Deutschland immer weiter zu. Die zusätzlichen Belastungen für die Straßenbrücken sind mit denen von vor 35 Jahren - als mehr als die Hälfte der aktuell genutzten Brücken gebaut wurde - nicht mehr vergleichbar.

Professor Oliver Fischer vom Lehrstuhl für Massivbau der Technischen Universität München weist auf die Veränderungen in den einschlägigen Regelwerken hin:

"Wenn wir heute unsere alten Brücken mit neuen Regelwerken nachrechnen, dann erkennen wir bei vielen Bauwerken ein teilweise erhebliches rechnerisches Defizit, insbesondere in Bezug auf die Querkrafttragfähigkeit."


Schäden an Bestandsbrücken geringer als erwartet

Stark vereinfacht ausgedrückt entsteht die so genannte Querkraft, wenn Kräfte senkrecht auf die Brücke wirken. Dies ist bei der Belastung durch den Straßenverkehr der Fall. Innere Tragmechanismen leiten die Kräfte zu den Stützen, wo die Querkraft am größten ist.


Realversuch an alter Spannbetonbrücke soll Klarheit bringen

Bislang fehlten Untersuchungen zum tatsächlichen Tragverhalten von Brücken. Im Sommer 2017 konnte die Grenztragfähigkeit weltweit erstmals an einer realen, mehrfeldrigen Spannbetonbrücke getestet werden. Ort des Geschehens war das fränkische Hammelburg.


Ausgediente Brücke mit 1.400 Tonnen Gewicht belastet

Für das Experiment wurde ein etwa 32 Meter langer, 1,80 Meter hoher und fast 40 Tonnen schwerer Stahlträger auf der Brücke installiert und an den jeweiligen Pfeilerachsen verankert. Der Träger diente als Widerlager für insgesamt sechs Hydraulikpressen.


Aktuelle Berechnungsmodelle womöglich hinfällig

Die Forscher mussten sehr genau planen, wie und wo sie die Brücke belasten, um ein Querkraftversagen zu erzeugen. Am Ende gelang dies in allen fünf getesteten Bereichen. Es entstanden die vorhergesagten Schubrisse.


Brückensanierung: Verkehrsbehörden hoffen auf Einsparpotenzial

Sollte dieses Ergebnis am Ende der Auswertung bestätigt werden, könnte sich daraus ergeben, dass ein Teil der älteren Brücken länger erhalten bleibt und auch nötige Verstärkungsmaßnahmen reduziert würden.

Dieses Ergebnis käme dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sowie der Obersten Bayerische Baubehörde und dem Staatlichen Bauamt Schweinfurt, welche die aufwendigen Untersuchungen finanziert und begleitet haben, mit Sicherheit recht.



QUELLEN UND VERWEISE:

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