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Auf dem Weg zum Kreislaufbeton: Baustoffrecycling und CO2-Bindung entscheidend

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 17. Juni 2024

Dekarbonisierung der Betonindustrie durch Umrüstung von Zementwerken und intensive Baustoffforschung

Für eine Tonne Zement sind in Deutschland bislang rohstoffbedingt etwa 600 Kilogramm CO2-Emissionen nötig. Daraus resultiert ein relativ hoher Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß für die Betonherstellung von sechs bis neun Prozent. Sowohl Unternehmen als auch Forschungseinrichtungen beschäftigen sich aktuell intensiv mit der Frage, wie die Betonproduktion nachhaltiger und damit zukunftsfähig werden kann.

Der Baustoffhersteller Holcim etwa rüstet seine Zementwerke mit Technologien zur Abscheidung und Aufbereitung von Kohlenstoffdioxid um. Heidelberg Materials wiederum baut die Zahl seiner vom Concrete Sustainability Council (CSC) zertifizierten Produktionsstätten aus, wodurch die in den insgesamt 32 CSC-zertifizierten Sand- und Kieswerken des Unternehmens gewonnenen Rohstoffe und Bauprodukte für sogenannte Green-Building-Projekte eingesetzt werden können.

Kreislaufbeton
In einer Pilotanlage (Bild) wird Belit-Zementklinker in einem elektrisch beheizten Drehrohrofen bei unter 1.000 Grad Celsius aus bisher kaum genutztem feinen Betonbruch und Kalk produziert. Foto: Helmut Reis, KIT

Ein weiterer Ansatz zur Dekarbonisierung bzw. "grünen Transformation" der Betonbranche wird am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verfolgt. Forschungsgegenstand ist hier der sogenannte Zementklinker. "Typischer Portlandzement besteht zu einem großen Teil aus Klinker, der in einem energieintensiven Verfahren aus Kalkstein gebrannt wird", erklärt Peter Stemmermann vom Institut für Technische Chemie (ITC) am KIT. Seine Forschungsgruppe hat einen Belit-Zementklinker entwickelt, der zum Teil aus recyceltem Beton hergestellt wird.

Bei der Herstellung kommt neben einer vollelektrischen Brenntechnik für den Betrieb mit regenerativer Energie auch eine Kohlendioxidatmosphäre zum Einsatz, die den Energiebedarf des Verfahrens weiter reduziert. "Statt 1.400 Grad Celsius kommen wir mit 1.000 Grad Prozesstemperatur im Drehrohrofen aus", erklärt Stemmermann. Und weiter: "Die unvermeidbaren CO2-Emissionen aus der Kalksteinreaktion im Brennofen werden aufgefangen und in einem zweiten Verfahrensschritt im Kreislaufbeton gebunden."

Dieser zweite Verfahrensschritt soll die Pilotanlage in einer zukünftigen Ausbaustufe ergänzen. Aktuell können in der Anlage rund 100 Kilogramm Klinker pro Tag hergestellt werden. Insgesamt sinkt der Energieeinsatz im direkten Vergleich zur konventionellen Klinkerherstellung um 40 Prozent.

Ziel klimaneutraler Kreislaufbeton: Baustoffreste als Ressourcen betrachten

Den Forschenden am KIT geht es letztendlich um ein Verfahren zur Herstellung von klimaneutralem Kreislaufbeton. "Grundlage ist dabei das Recycling von Beton", sagt Rebekka Volk vom Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion des KIT.

Sie entwickelt den Ressourcenkreislauf gemeinsam mit dem Team des ITC um Peter Stemmermann und macht auf ein grundlegendes Umdenken aufmerksam: "Statt hochwertige Reste zu deponieren oder im Straßenbau einzusetzen, nutzen wir Gebäude am Ende ihres Lebenszyklus als Ressource, um wieder einen hochwertigen Baustoff zu produzieren." Hier knüpft man an die Idee des urban mining an, also der Rückgewinnung von Materialien aus Bestandsgebäuden und anderen Bauten.

Zur Herstellung des Zementklinkers werden dabei besonders feinkörnige Betonabfälle verwendet, die bislang kaum genutzt und meist deponiert werden. Klimaneutral wird der spätere Kreislaufbeton aus dem KIT durch die direkte Kopplung der Klinkerherstellung mit der Produktion von karbonatisierter Gesteinskörnung, also dem grobkörnigen Füllmaterial im Beton.

Karbonatisierte Gesteinskörnung als CO2-bindender Zuschlagsstoff

Dabei wird das Kohlenstoffdioxid aus der Klinkerproduktion direkt zur Karbonatisierungshärtung grobkörniger Betonabfälle eingesetzt und so langfristig gebunden. Durch den zusätzlichen Einsatz von Prozesswärme aus der Klinkerproduktion ist auch dieser Verfahrensschritt in einem Druckbehälter besonders energieeffizient.

"Es entsteht ein hochwertiger Zuschlagstoff", betont Stemmermann. "Wir konnten zweifelsfrei nachweisen, dass die Karbonatisierung die Mikrostruktur der Gesteinskörnung verbessert, indem sie deren Porosität reduziert." Zur Herstellung von Kreislaufbeton werde dieses Aggregat dann gemeinsam mit Belit-Zement verarbeitet, was insgesamt für eine ausgeglichene CO2-Bilanz sorge.