Aufträge, Umsatz, Personal: Bauwirtschaft kämpft gegen Negativtrend
2023 ohne Frühjahrsbelebung: 16,9 Prozent weniger Aufträge bei 8,9 Prozent weniger Umsatz
Seit über einem Jahr gehen die Aufträge für die Bauwirtschaft kontinuierlich zurück. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sank der Auftragseingang auch im zurückliegenden April im Vergleich zum Vorjahr real um 10,3 Prozent. Für den gesamten Zeitraum von Januar bis April ergibt sich mittlerweile ein realer Ordereinbruch von 16,9 Prozent. Im Vergleich zum Vormonat wurde ein Auftragsrückgang von 1,3 Prozent ausgewiesen.
Der Umsatz ist nominal zwar mit 2,7 Prozent noch leicht im Plus, aufgrund der nach wie vor stark gestiegenen Baumaterial- und somit Baupreisen aber um real 10,8 Prozent eingebrochen. Für die ersten vier Monate ergibt sich damit ein Umsatzminus von real 8,9 Prozent. Die traditionelle Frühjahrsbelebung am Bau fiel damit in diesem Jahr aus.
Aufträge im Wohnungsbau um 34,6 Prozent eingebrochen
Nach wie vor leidet insbesondere der Wohnungsbau unter der kostenbedingten Zurückhaltung privater und gewerblicher Investoren. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie spricht von einem regelrechten "Investitionsstreik". Konkret ist der Auftragseingang im Wohnungsbau im April preisbereinigt um 29,8 Prozent eingebrochen.
Für die ersten vier Monate ergibt sich dadurch ein Minus von 34,6 Prozent. Im gleichen Zeitraum sind die Wohnungsbaugenehmigungen um 27,3 Prozent zurückgegangen. Im April klagte laut einer ifo-Umfrage jedes dritte Bauunternehmen über einen Auftragsmangel im Wohnungsbau, im März war es noch jedes vierte.
Das nominale und reale Orderplus im April in den Sparten Wirtschaftstiefbau, hervorgerufen durch Großaufträge bei der Bahn, sowie dem öffentlichen Hochbau konnten den starken Einbruch im Wohnungsbau und die Rückgänge in den anderen Sparten nicht ausgleichen.
16,5 Prozent weniger Stellen für Baufacharbeiter
Die wegbrechenden Aufträge wirken sich naturgemäß auch auf die Personalpolitik der betroffenen Unternehmen aus. Die Zahl der offenen Stellen für Facharbeiter mit bauhauptgewerblichen Berufen ist seit Monaten rückläufig. Zuletzt meldete die Bundesagentur für Arbeit für Mai 2023 ein Minus von 16,5 Prozent auf 15.420 Stellen.
Im Spartenvergleich sind dabei die Hochbauunternehmen am stärksten auf die Einstellungsbremse getreten. Die Zahl der offenen Stellen sank hier um 19,8 Prozent. "Bei der Situation im Wohnungsbau ist das kein Wunder", so Tim-Oliver Müller. Von einer generellen Trendwende auf dem Bauarbeitsmarkt kann seiner Meinung nach aber noch nicht gesprochen werden. Schließlich liege die Zahl der offenen Stellen nach wie vor auf einem hohen Niveau.
Zudem klagten im Branchendurchschnitt immer noch 32 Prozent der vom ifo-Institut befragten Bauunternehmen über einen Fachkräftemangel, allerdings mit deutlich unterschiedlicher Ausprägung. Der Mangel ist im Wohnungsbau mit 26 Prozent erwartungsgemäß niedriger.
Ein Blick auf die vorgelagerten Branchen der Bauindustrie lässt laut Hauptverband darauf schließen, dass die Stellenanzeigen weiter abnehmen werden. So hätten Bauträger und Unternehmen, welche Grundstücke erschließen, zuletzt 37,1 Prozent weniger Stellen ausgeschrieben. Offene Stellen für Planer und Architekten seien um 27,4 Prozent zurückgegangen.
Hauptverband: Beschäftigtenzahl wird bis Jahresende gleich bleiben
Tim-Oliver Müller ist alarmiert: "Der Auftragsmangel macht sich überall bemerkbar. Vereinzelt mussten Bauunternehmen sogar Personal entlassen." Bei der Bundesagentur für Arbeit waren im Mai 14.170 arbeitslose Baufacharbeiter:innen mit bauhauptgewerblichen Berufen gemeldet, 10,2 Prozent mehr als im gleichen Monat des Vorjahres.
"Die Beschäftigungsdynamik der vergangenen Jahre wird nun erst einmal zu Ende sein. Die Betriebe des Bauhauptgewerbes haben seit dem Beschäftigten-Tiefpunkt 2009 nahezu 500.000 Personen eingestellt, abzüglich der Rentenabgänge war dies ein Plus von knapp 222.000. Für das laufende Jahr gehen wir von einer Stagnation der Zahl der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe aus. Die Bauunternehmen werden vor allem versuchen, den Abgang in die Rente auszugleichen", prognostiziert Müller.
Hochbau: Unternehmen schauen pessimistisch in die Zukunft
Der Blick in die Zukunft fällt angesichts der aktuellen Konjunkturzahlen bei vielen Branchenvertretern pessimistisch aus. Im Rahmen des ifo-Konjunkturtests im Mai gaben 39 Prozent der Befragten an, eine eher ungünstigere Entwicklung ihrer Geschäftslage zu erwarten. Im Wohnungsbau waren es sogar 57 Prozent, so viele wie noch nie im Monat Mai.
35 Prozent der vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) befragten Bauunternehmen erwarteten eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage, von den Hochbauunternehmen sogar 43 Prozent. Lediglich acht bzw. sieben Prozent (Hochbau) rechnen mit einer Verbesserung.
Die zunehmende Verschlechterung der Baukonjunktur hat sich auch schon auf die Ertragslage ausgewirkt. Nahezu jedes fünfte (Wohnungs-)Bauunternehmen klage laut DIHK über einen Eigenkapitalrückgang, jedes dritte plane, die eigenen Investitionen zu reduzieren.