Zum Hauptinhalt springen

Bauausführung: Was es mit "versteckten Mängeln" auf sich hat

Verfasst von: RA Prof. Dr. jur. Günther Schalk
Veröffentlicht am: 27. Feb. 2023
Kategorie:

Versteckter Mangel im Baurecht gar nicht definiert

"Bei versteckten Mängeln hat der Auftraggeber eine deutlich längere Gewährleistung" – das ist eine Mär, die sich seit vielen Jahren im Baurecht hält. Einen "versteckten" (oder auch "verdeckten") Mangel als solchen kennt das Baurecht nämlich nicht.

Pflasterarbeiten
Das OLG Köln hat u.a. klargestellt: Das Verlegen von Platten im Splittbett ist für eine Straßenbaufirma eine handwerkliche Selbstverständlichkeit und bedarf nur eingeschränkter Kontrolle durch die Bauoberleitung Foto: Petra Bork  / Pixelio

Ein Auftraggeber hat über eine bestimmte Dauer eine Mängelhaftung (VOB-Vertrag in der Regel 4 Jahre, wenn nichts anderes vereinbart ist, Nicht-VOB-Vertrag 5 Jahre).

Alle Mängel, die er innerhalb dieser Frist nicht rügt, sind "dahin", egal, ob sie offen liegen oder nicht. Es gibt allerdings eine Ausnahme: nämlich die der arglistig verschwiegenen Mängel.

Wie funktioniert das? Ein Beispiel hierfür liegt dem Urteil des OLG Köln vom 13.4.2022 (11 U 22/21) zugrunde. Eine Baufirma hatte über sechs Jahre hinweg Pflasterarbeiten im Bereich von Straßen auszuführen.

Ersatzprodukt enthielt Schwermetalle

Laut Leistungsverzeichnis (LV) hätte sie ein "Brechsand-Splittgemisch" aus Brechsand und Basalt für den Bau verwenden müssen. Stattdessen hatte sie ein industriell gefertigtes Recyclingprodukt eingesetzt. Der Auftraggeber nahm die Arbeiten zwischen 2005 und 2010 sukzessive ab, ohne Mängel zu rügen. Später – nach Ablauf der Mängelhaftungsfrist – stellte sich heraus, dass das Material Schwermetalle enthielt und ein komplett neuer Unterbau im Austausch hergestellt werden musste. Kostenpunkt: über eine Million Euro.

Der Bauunternehmer berief sich darauf, dass die Mängelansprüche verjährt seien und er nicht mehr in der Mängelhaftung sei. Das OLG Köln sah das anders:

  1. Hat der Auftragnehmer nach dem Leistungsverzeichnis als Bettungsmaterial ein "Brechsand-Splittgemisch 0/5 oder 0/8 mm Basalt ca. 50% Brechsand 0/2 (teils: o. 0/8) mm, (teils: ca.) 50% Splitt 2/5 o. 2/8 mm" zu verwenden, ist die Leistung mangelhaft, wenn der Auftragnehmer ein industrielles Recycling-Erzeugnis einsetzt.
  2. Kommt der Auftragnehmer der Aufforderung zur Mängelbeseitigung in einer vom Auftraggeber gesetzten angemessenen Frist nicht nach, kann der Auftraggeber die Mängel auf Kosten des Auftragnehmers beseitigen lassen. Für die zur Beseitigung der Mängel erforderlichen Aufwendungen kann der Auftraggeber - auch im VOB/B-Vertrag - Vorschuss verlangen.
  3. Der Vorschuss soll spätere Selbstvornahmeaufwendungen abdecken und dem Auftraggeber die Möglichkeit geben, die Mängelbeseitigung ohne eigene Mittel zu betreiben. Diese Absicht ist grundsätzlich zu unterstellen. Ein Anspruch auf einen Kostenvorschuss besteht nur dann nicht, wenn von vorneherein feststeht, dass der Auftraggeber den Mangel nicht binnen angemessener Frist beseitigt.
  4. Ansprüche wegen arglistig verschwiegener Mängel verjähren - auch bei Vereinbarung der VOB/B - in der regelmäßigen Verjährungszeit von drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, ab dem die Kenntnis vom Mangel vorlag.
  5. Der Auftragnehmer verschweigt einen offenbarungspflichtigen Mangel arglistig, wenn ihm dieser bei der Abnahme bekannt ist und er ihn dennoch nicht offenbart. Dazu genügt es, wenn dem Auftragnehmer die vertragswidrige Ausführung und das damit einhergehende Risiko bewusst sind.
  6. Das Verlegen von Platten im Splittbett ist für eine Straßenbaufirma eine handwerkliche Selbstverständlichkeit und bedarf daher nur eingeschränkter Kontrolle durch die Bauoberleitung.
  7. Ein Bieter, der im Rahmen vorangegangener Baumaßnahmen vertragswidriges und zudem kontaminiertes Bettungsmaterial verwendet hat, ist unzuverlässig und kann von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Fazit: Verjährung beginnt erst mit Kenntnis verschwiegener Baumängel

Die Kernaussage: Verschweigt ein Bauunternehmer einen Mangel, verjähren Mängelansprüche innerhalb von drei Jahren. Aber: Die Verjährung beginnt dann erst zu laufen, sobald der Auftraggeber Kenntnis von den Mängeln erhält. Das rettete dem Auftraggeber im vorliegenden Fall seine Mängelansprüche.

Ein solches arglistiges Verschweigen liegt immer dann vor, wenn der Bauunternehmer selbst weiß, dass er mangelhaft geleistet hat, den Auftraggeber aber nicht darauf hinweist. Im vorliegenden Fall hätte der Straßenbauer also dem Auftraggeber von sich aus mitteilen müssen, dass er ein anderes Material eingebaut hat als im LV ausdrücklich vorgegeben. Dann hätte der Auftraggeber nur die normalen vier Jahre Mängelhaftung laut VOB ab Abnahme gehabt.