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Bauwerksüberwachung: Satellitensysteme erleichtern statisch-dynamische Vermessung kritischer Infrastruktur

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 25. Jan. 2024

Ingenieurgeodäsie: Messungsarbeiten für Planung, Bau und Nutzung von Bauwerken

In der Ingenieurgeodäsie geht es um sämtliche Vermessungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Planung, Bauausführung sowie der Überwachung von technischen Bauwerken und Anlagen. Hinzu kommt die Überwachung natürlicher Objekte wie zum Beispiel von Böden und Hängen.

Ingenieurgeodäsie_Antenne
Bild 1: Caroline Schönberger vom Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme der TU Graz steht neben einer Referenzantenne bei der Kölnbreinsperre in Kärnten. Mit einem neuen Messverfahren kommen lokale Antennen und die öffentlich zugänglichen Signale von globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS) für die Echtzeit-Bauwerksüberwachung zum Einsatz. Quelle: IGMS / TU Graz

Die bevorzugte Methode der Ingenieurgeodäsie ist das Monitoring, also sie systematische Erfassung, Messung oder Beobachtung eines Vorgangs oder Prozesses. Hierbei kommen unter anderem Messsysteme zur statischen und dynamischen Erfassung von Gebäuden zum Einsatz.

Besondere Bedeutung erhält dieses Monitoring im Bereich der kritischen gebauten Infrastruktur, nämlich Bauwerke und Anlagen bzw. Teile davon, die für zentrale Gesellschaftsfunktionen, wie die Gesundheit oder die Sicherheit, zwingend erforderlich sind. Beispiele sind Staumauern oder große Stromtrassen.

Neue Methode kombiniert statische und dynamische Bauwerksüberwachung

Eine Forschungsgruppe vom Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme der Technischen Universität Graz hat unlängst durch wissenschaftliche Messungen an der Kölnbreinsperre in Kärnten (höchste Staumauer Österreichs) und dem DC Tower in Wien (höchstes Gebäude Österreichs) eine satellitengestützte Methode zur statischen und dynamischen Überwachung von kritischer Infrastruktur entwickelt.

Das Projekt namens "InfraHealth"“ ist im strategischen Schwerpunktfeld "Information, Communication & Computing" der TU Graz verankert und wurde von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützt.

Mit der neuen Methode sei es möglich, nicht nur mittels statischer Messung langsame Verformungen, die etwa durch Änderungen des Staupegels bei einer Staumauer auftreten, nachzuverfolgen. Durch dynamische Messungen ließen sich auch Gebäudeschwingungen erfassen und anhand von Abweichungen Schäden oder andere kritische Veränderungen erkennen, heißt es von der TU Graz. Bislang mussten für statische und dynamische Messungen unterschiedliche Methoden genutzt werden.

Die neue Methode ermögliche aufgrund der Wetterunabhängigkeit der Satelliten außerdem eine ununterbrochene Überwachung. "Die hohe Genauigkeit, die wir mit den Messungen im Projekt InfraHealth erzielen konnten, ist beinahe einzigartig", sagt Projektleiterin Caroline Schönberger. "Wir können mit Satelliten, die sich rund 20.000 Kilometer von uns entfernt befinden, Schwingungen im Millimeterbereich oder sogar darunter erfassen."

Forscher: Zustand älterer Ingenieurbauwerke mit neuem System besser messbar

Dieses Projekt bereite den Weg zum großräumigen Einsatz von globalen Navigationssatellitensystemen (GNSS) für statisches und dynamisches Monitoring kritischer Infrastruktur und damit zur laufenden und von Umwelteinflüssen unabhängigen Überwachung ihrer Sicherheit. Davon profitierten nicht nur Bauwerksbetreiber, sondern auch deren Nutzer.

Staumauer_Bauwerksüberwachung
Bilder 2 u. 3: An der Kölnbreinsperre, der höchsten Staumauer
Österreichs, wurden im Rahmen des Projekts InfraHealth
mittels Antennen (kleines Bild) dynamische und statische
Messungen zur Bauwerksüberwachung durchgeführt.
Quelle: IGMS - TU Graz

"Die Kombination von statischer und dynamischer Überwachung von Infrastruktur in einem Messsystem ermöglicht es, ein tiefes Verständnis für den aktuellen Gesundheitszustand eines Bauwerks zu bekommen", ergänzt Werner Lienhart, Leiter des Instituts für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme der TU Graz. Gerade bei großen Ingenieurbauten wie Brücken oder Staumauern, die sich dem Ende ihrer geplanten Nutzungsdauer nähern, sei das von großer Bedeutung.

Bei dem neuen Messverfahren kommen lokale Antennen (siehe Bild 2 u. 3) und die öffentlich zugänglichen GNSS-Signale von Galileo-, GPS- und GLONASS-Satelliten zum Einsatz. Die Antennen werden an relevanten Messpunkten auf dem Bauwerk angebracht, eine weitere, sogenannte Referenzantenne befindet sich in relativer Nähe auf stabilem Untergrund.

Über die Satelliten bestimmen die Antennen ihre Position, für die dynamische Messung alle 0,05 Sekunden, also mit einer Frequenz von 20 Hertz. Hier haben sich laut der Forschungsgruppe GPS- und Galileo-Signale zur Bestimmung bewährt, da die Antennen damit zuverlässiger ihre Position erfassen können. Anhand dieser aufgezeichneten Rohdaten berechnen die Forschenden die Frequenzantwort des Bauwerks.

Statische Messung unter Kombination dreier Satellitennavigationssysteme

Bei der statischen Messung findet die Auswertung in einem festen Intervall statt, das auf jeden Fall höher als eine Sekunde ist. Es kann auch eine Stunde oder einen Tag betragen. Hier brachte die Kombination aller drei GNSS-Systeme die besten Ergebnisse, zu Galileo und GPS kam auch das russische Satellitennavigationssystem GLONASS hinzu.

Um vorab sicherzugehen, dass die Antennen an den für sie vorgesehenen Messpunkten Kontakt zu den Satelliten haben werden, entwickelte das Forschungsteam ein Tool, mit dem es virtuell die komplette Planung vornehmen konnte. Bei der Kölnbreinsperre stellte das Team so vorab fest, dass nicht nur die beiden Antennen in der Mitte und jeweils auf halbem Weg zum Rand der Mauer genügend Satellitensignale empfangen können, sondern auch ganz am Rand. Gerade der Übergang zu festem Gelände ist bei der Überwachung von Staumauern wichtig.

Statt sechs Antennen benötigte das Team am DC Tower lediglich zwei, eine zur Messung der Gebäudefrequenz und eine, um zu prüfen, ob sich das Gebäude aufgrund von äußeren Einflüssen wie Wind auch verdreht. Während der dortigen Versuche zeigte sich, wie genau das neue Verfahren Veränderungen wahrnehmen kann. So konnten die Forschenden im Zuge der Messreihen die Ausläufer eines etwa 550 Kilometer entfernten Erdbebens in Norditalien aufgrund der Bewegungen des Towers aufzeichnen.