Berufsfeld Bau: Ausbildung top, Weiterbildung flop
Neuer Bau-Tarifabschluss: 1.080 Euro im ersten Ausbildungsjahr
Die deutsche Bauwirtschaft ringt um Fachkräfte. Dabei hat sie seit den jüngsten Tarifvereinbarungen (wir berichteten) ein starkes Pfund in der Hand. Die Vergütung für das erste Ausbildungsjahr wurde dabei für alle Ausbildungsberufe bundeseinheitlich auf 1.080 Euro erhöht.
Zudem sollen die Ausbildungsvergütungen im Westen zum 1. April 2026 erneut um 3,9 Prozent angehoben und die Ost-West-Angleichung vollzogen werden. "Mit dem neuen Tarifabschluss bieten wir die besten Vergütungen aller Branchen schon während der Ausbildung", betont Tim-Oliver Müller vom Hauptverband der deutschen Bauindustrie.
Solche positiven Argumente für eine Berufswahl unter jungen Menschen in Richtung Bauwirtschaft tun Not angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Ausbildungsverträge in der Branche 2023 zum zweiten Mal in Folge sank. Konkret wurden 12.680 Ausbildungsverhältnisse gemeldet, 2,1 Prozent weniger als im Vorjahr.
Ausbaugewerbe laut Fachkräftereport unter Azubis weiter am beliebtesten
Der Befund stammt aus dem jährlichen Ausbildungs- und Fachkräftereport der Sozialkasse der Bauwirtschaft (SOKA-BAU). Ein Viertel der hierbei befragten Unternehmen plant, auch 2024 auf Auszubildende zu verzichten. Unabhängig davon ist jedes Bauunternehmen in Deutschland aufgrund des umlagefinanzierten Berufsbildungssystem automatisch an der Ausbildung des Nachwuchses beteiligt. Neben einer schwächelnden Konjunktur werden das Fehlen geeigneter Bewerberinnen und Bewerber sowie schlechte Erfahrungen mit früheren Azubis als Gründe angegeben, nicht direkt selbst auszubilden.
Während sich die Ausbildungszahlen insgesamt negativ entwickelt haben, konnte die stärkste Ausbildungssparte, der Ausbau, erneut zulegen (+1,8%). Im Hochbau sank die Zahl neuer Ausbildungsverhältnisse im Vergleich zum Vorjahr hingegen deutlich (-12,6%). In der Tiefbausparte gab die Zahl neuer Azubis um 2,5 Prozent nach (vgl. Bild 1). Aktuell kommen auf jeden Bewerber im Hoch- und Tiefbau rechnerisch mehr als zwei Ausbildungsstellen, branchenübergreifend sind es lediglich 1,3 Ausbildungsstellen pro Bewerber.
Ausbildungstrend: Erstmals mehr Zimmerer als Maurer
Die laut SOKA-BAU-Erhebung am häufigsten gewählten Ausbildungsberufe am Bau waren im letzten Jahr Zimmerer, Maurer und Tiefbaufacharbeiter (Bild 2). Der Ausbildungsberuf des Zimmerers ist dabei erstmals der beliebteste und konnte einen deutlichen Zuwachs von 8,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen. Trotz einer Abnahme um 16,9 Prozent belegt der Ausbildungsberuf des Maurers den zweiten Platz.
An dritter Stelle bleibt der Ausbildungsberuf des Tiefbaufacharbeiters mit einem Zuwachs von 3,1 Prozent. Die Sozialkasse wertet diesen Umstand als Beleg, dass sich im Tiefbau der zweijährige Ausbildungsberuf des Tiefbaufacharbeiters immer weiter durchsetzt.
Weiterbildung: Deutsche Bauwirtschaft deutlich unter EU-Durchschnitt
Neben der grundständigen Ausbildung kann auch die betriebliche Weiterbildung für Bauunternehmen ein Hebel sein, neue Mitarbeitende von sich zu überzeugen und die Stammbelegschaft zu halten. Allerdings zeichnen aktuelle Zahlen zum Umfang von Weiterbildungsmaßnahmen in den Bauunternehmen hierzulande ein eher schlechtes Bild.
Laut der europaweiten Arbeitskräfteerhebung Labour Force Survey haben im Jahr 2022 nur 16 Prozent der Beschäftigten im deutschen Baugewerbe an einer Weiterbildung teilgenommen. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt waren es mehr als 22 Prozent, im Euroraum rund 24 Prozent.
Nimmt man eine weitere Umfrage, die Continuing Vocational Training Survey (CVTS), hinzu, zeigt sich zusätzlich, dass die üblicherweise unter Weiterbildung verstandenen externen Weiterbildungskurse in der deutschen Bauwirtschaft in deutlich geringerem Ausmaß angeboten werden als im europäischen Durchschnitt (17% gegenüber 25% in der EU).
Während rund 45 Prozent - und damit mehr als im EU-Durchschnitt (40%) - aller deutschen Betriebe Weiterbildungskurse für ihre Belegschaft planen, ist dies nur bei 24 Prozent der Baubetriebe der Fall. Anders als beim Ausbildungsgehalt steht die deutsche Baubranche in Sachen Weiterbildung deutlich schlechter da als andere Branchen. Und auch gegenüber dem direkten EU-Wettbewerb im Bausektor schneidet man schlechter ab. Im Durchschnitt planen immerhin rund ein Drittel der Baubetriebe innerhalb der Union gezielt Weiterbildungsmaßnahmen für ihre Beschäftigten.
"Der beruflichen Weiterbildung kommt in Zeiten des Fachkräftemangels eine besondere Bedeutung zu, da sie die Produktivität der Beschäftigten erhöht und so dem Fachkräftemangel entgegenwirken kann. Darüber hinaus können zusätzliche Berufsbilder erschlossen werden und so die Besetzung von Stellen erleichtert werden", konstatieren die Experten der SOKA-BAU. Die Bauwirtschaft sollte deshalb daran arbeiten, die Weiterbildung ihrer Belegschaften strategisch zu planen und die Zahl der Weiterbildungsangebote zu erhöhen.
Über ein Viertel der Baubeschäftigten älter als 55 Jahre
Aus- und Weiterbildung werden aufgrund der demografischen Entwicklung für den erfolgreichen Fortbestand des deutschen Baugewerbes entscheidend sein. Auch im vergangenen Jahr ist laut Branchen-Report der Anteil älterer Arbeitnehmer weiter gestiegen.
Rund 26 Prozent der gewerblichen Arbeitnehmer waren im vergangenen Jahr bereits älter als 55 Jahre. Der Anteil der Angestellten über 55 Jahre lag mit rund 29 Prozent noch höher. Gegenüber dem Jahr 2013 liegen die Werte um fast 50 Prozent höher.
Im Gegensatz dazu ist insbesondere der Anteil der Beschäftigten im mittleren Alter (zwischen 35 und 54 Jahren) gesunken (von 55% auf rund 46%). In den vergangenen Jahren konnte immerhin der Anteil der jüngsten Alterskohorten (15 bis 34 Jahre) leicht gesteigert werden, so auch im vergangenen Jahr.
2023: Renteneintrittsalter im Baugewerbe um zwei Monate gestiegen
Absolut betrachtet müssen nach Einschätzung der Sozialkasse in den kommenden zehn Jahren mehr als 200.000 gewerbliche Beschäftigte und Angestellte im Baubereich ersetzt werden, da sie in Rente gehen. Dabei ist das gesamte durchschnittliche Renteneintrittsalter im Trend zuletzt gestiegen.
Im vergangenen Jahr gingen die gewerblichen Bauarbeitnehmer durchschnittlich zwei Monate später in Rente als im Vorjahr. Das Renteneintrittsalter war bei deutschen Männern mit 63 Jahren und 8 Monaten zudem höher als jenes im Jahr 2022 (62 Jahre und 10 Monate).
Den Beschäftigten am Bau gelingt es somit im Trend zwar, länger zu arbeiten. Allerdings ist der Anteil der Erwerbsminderungsrenten (Erwerbsfähigkeit unter sechs Stunden) sowie der Anteil an Renten für Schwerbehinderte in der Bauwirtschaft mit 23,3 Prozent nach wie vor höher als im bundesdeutschen Schnitt.