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Brüchiger Beton: Schweizer Forschende finden Ursache für Bauskandal in Irland

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 5. Jan. 2023
Kategorie:

Massive Rissbildung in tausenden Häusern im Nordwesten des Landes. Frost als Ursache von eidgenössischen Materialforschern widerlegt. EU-Bauvorschriften wohl missachtet

Irland seit 50 Jahren im europäischen Binnenmarkt

Abb. 1: Im Nordwesten Irlands sind die Betonwände tausender Häuser von Rissen durchzogen. Foto: Paul Dunlop / Ulster University

Vor 50 Jahren trat Irland der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, dem Vorläufer der Europäischen Union, bei. Seitdem ging es wirtschaftlich bergauf. Dabei erhielt auch die bauliche Infrastruktur einen ordentlichen Schub.

So wurden mit dem Geld aus der europäischen Staatengemeinschaft in den letzten Jahrzehnten irische Autobahnen gebaut und Häfen modernisiert. Gleichzeitig brachte eine relativ lockere Steuerpolitik namhafte große IT-Unternehmen oder auch Pharmakonzerne auf die grüne Insel.

Letztere Tatsache sorgt dafür, dass die wirtschaftliche Kraft des Staates nicht mit dem persönlichen Lebensstandard vieler Menschen vergleichbar ist. Ein Bauskandal in der irischen Grafschaft Donegal im Nordwesten des Landes trifft daher die einkommensschwachen Bevölkerungsteile besonders hart.

Tausende Häuser von Rissen durchzogen

Vor Ort sind die Betonwände von tausenden Häusern von Rissen durchzogen, die teure Reparaturen oder gar einen Abbruch nötig machen (Abb. 1). Seit Jahren gibt es Demonstrationen und sogar Streit im Parlament aufgrund der Sache. Seit 2016 befasst sich eine Task Force der Regierung mit dem Fall. Die Kosten für Schäden und Entschädigungen sollen sich auf bis zu drei Milliarden Euro belaufen.

Schweizer Forschungsteam widerlegt bisherige These zur Schadensbildung

Hier hielt Andreas Leemann, Leiter einer Forschungsgruppe für Betontechnologie an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, kurz Empa, einen vielbeachteten Vortrag. Er schilderte darin Resultate von Analysen zu dem instabilen Beton in Donegal, die zusammen mit dem Umweltforscher Paul Dunlop von der Ulster University und weiteren Fachleuten durchgeführt wurden.

Leemann und sein Team widersprechen der bisherigen Vermutung, dass ein hoher Anteil des Minerals Glimmer den Beton anfällig für Frostschäden mache. Betonproben von vier betroffenen Häusern zeigten vielmehr, dass ein Mineral namens Pyrrhotin, bestehend aus Eisen und Schwefel, im Baumaterial in großen Anteilen vorhanden ist und offenbar eine verhängnisvolle Kaskade auslöst.

Erklärung für Bauschäden: Schwefel zersetzt Beton

Abb. 2: Forschende aus der Schweiz haben herausgefunden, dass ein übermäßiger Anteil des Minerals Pyrrhotin für die Risse im Beton verantwortlich ist. Foto: Andreas Leemann / Empa

"Wenn Pyrrhotin im Zementstein des Betons durch anwesenden Sauerstoff oxidiert wird, setzt dies Schwefel frei, der wiederum zur Bildung von Ettringit führt. Dieses Mineral entsteht zwar ohnehin bei der Erhärtung von Zement, doch die zusätzliche Ettringit-Bildung führt zu einer Ausdehnung, die schließlich Risse im Beton verursacht", erklärt Leemann.

Werde weiterer Schwefel freigesetzt, bilde sich das Mineral Thaumasit, so Leemann. "Dieser Prozess reduziert die Festigkeit des Betons, indem wichtige Bestandteile wie Calciumsilikathydrate aufgelöst werden, und kann letztlich in einem Zerfall des Baustoffs resultieren."

Rasterelektronenmikroskop- und Röntgenuntersuchungen führen ans Ziel

Um den Schadensmechanismen im Inneren dieses speziellen Betons näher zu kommen, wurden neben herkömmlichen Materialtests aufwändige Rasterelektronenmikroskop- und Röntgenuntersuchungen sowie thermodynamische Modellierungen vorgenommen. Zusätzlich gab es Recherchen in meteorologischen Daten, um der gängigen Theorie von Frostschäden durch zu hohen Glimmergehalt auf den Zahn zu fühlen.

Grenzwerte in EU-Bauvorschriften überschritten

Warum aber wurde die Erklärung durch den Pyrrhotin-Gehalt und seine Folgen zuvor übersehen? Diese Möglichkeit wird laut Andreas Leemann in der betreffenden irischen Bauvorschrift IS 465 schlicht nicht berücksichtigt. In der entsprechenden EU-Norm EN 12620 ist hingegen vorgeschrieben, dass ein allfälliger Pyrrhotin-Gehalt in den Baustoffen beim Schwefelgehalt berücksichtigt werden muss.

Irischer Staat schenkt Forschungsergebnissen große Beachtung

Obwohl die Empa-Fachleute Proben aus nur vier Häusern im Detail untersucht haben, liegt es nahe, dass sich die Resultate verallgemeinern lassen, denn Daten von irischen Ingenieuren aus fast 100 betroffenen Häusern zeigen, dass auch sie beachtliche Mengen an Pyrrhotin enthalten.

Die Untersuchungsergebnisse aus der Schweiz haben in Irland bereits ein großes Echo ausgelöst, wie Berichte im irischen Fernsehen und Radio und in Zeitungen wie der «Irish Times» zeigen. Der irische Staat finanziert nun eine vertiefte Untersuchung durch das Empa-Team und weitere internationale Partner.

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