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Carolin Küpper: "Arbeits- und Umweltschutz müssen in Hamburg nicht anders bewertet werden als in Bayern."

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 16. Jan. 2023

Wichtige Erfahrungen durch Bewertung von Explosionsgefahren im Forschungssektor - Digitalisierung birgt Gefahr anonymer Prozesse - Weniger Föderalismus im Arbeits- und Umweltschutz sinnvoll

Carolin Küpper M. Sc.

Carolin Küpper

Carolin Küpper M. Sc. ist selbstständige Sicherheitsingenieurin in Aachen. Foto: C. Küpper

Sicherheitsingenieurin Carolin Küpper hat nach ihrem Studium des Entsorgungsingenieurwesens an der RWTH Aachen vier Jahre als Umweltoberinspektorin bei der Bezirksregierung Köln gearbeitet. Ihre Beamtenlaufbahn hat sie nach vier Jahren beendet, eine Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) absolviert und sich den Herausforderungen in der freien Wirtschaft gestellt.

Nach weiteren vier Jahren in einem großen Ingenieurbüro hat sie den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Seit einigen Monaten ist sie nun als selbstständige Sicherheitsingenieurin in eigenem Büro tätig.

In ihren beruflichen Stationen hat sich Sicherheitsingenieurin Carolin Küpper Fachexpertise sowohl im Umwelt- als auch Arbeitsschutz angeeignet. Heute berät und unterstützt sie Unternehmen in diesem vielschichtigen Themenfeld.

Frau Küpper, was fordert Sie aktuell besonders in Ihrem Job?

Nach vier Jahren in einer Landesbehörde und weiteren vier Jahren in einem mittelständigen Ingenieurbüro habe ich nun den Schritt in die Selbständigkeit unternommen. Damit sind als Inhaberin meines eigenen Ingenieurbüros ganz neue Tätigkeitsfelder auf mich zugekommen – von Kundenakquise über Marketing bis hin zu steuer- und betriebswirtschaftlichen Aufgaben. Hierbei habe ich sehr viel Neues gelernt und freue mich über einen vielversprechenden Start.

Um meine Kunden aus verschiedenen Branchen rechtssicher zu beraten, ist es besonders in meinem Bereich des Beauftragtenwesens, das heißt als Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa), Umweltbeauftragte, Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatorin (SiGeKo) und Gefahrgutbeauftragte, äußerst wichtig, immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Eine kontinuierliche Fortbildung bezüglich rechtlicher und technischer Veränderungen ist somit unabdingbar. Daneben erweitere ich meine Kompetenzen stetig. So habe ich kürzlich die Ausbildung zur Gefahrgutbeauftragten Straße abgeschlossen.

Wie lange sind Sie schon in der Branche tätig und warum? Was war Ihr bisheriger beruflicher Höhepunkt?

Bereits während meines Studiums des Entsorgungsingenieurwesens 2007 hatte ich erste Kontakte mit dem Arbeits- und Umweltmanagement. Neben Fächern des Umweltrechts belegte ich auch Vorlesungen des Arbeitsschutzes. Bereits damals fand ich diese Veranstaltungen spannend und anregend. Auch war es schon immer eine Herzensangelegenheit von mir sich aktiv für Arbeitnehmer und Umweltschutz einzusetzen.

Nach meinem Studium blieb ich dem Umweltmanagement im Rahmen meiner Tätigkeit als Umweltoberinspektorin einer Mittelbehörde treu. Hierbei lernte ich – neben den bereits im Studium erlangten technischen Grundlagen – die Kontrollaufgaben der Behörde sowie die hierzu erforderlichen verwaltungsrechtlichen Vorgänge kennen. Nach vier Jahren wechselte ich dann zu einem großen Ingenieurbüro, welches im Wesentlichen in der Baubranche aktiv ist und Kunden in den verschiedenen Bauphasen berät und unterstützt. Themenfelder waren hier die Bauleitung und Bauüberwachung aber auch Brandschutz sowie barrierefreies Bauen.

Meine Gruppe des Arbeitsschutz- und Beauftragtenwesens war hierbei stets involviert. So beurteilte ich unter anderem im Rahmen von Genehmigungsanträgen die Umsetzung der Anforderungen aus der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), des Explosionsschutzes (nach GefStoffV) oder der Umweltgesetze wie zum Beispiel des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) hinsichtlich Lärm- und Lichtimmissionen. Nebenbei erwarb ich die Qualifikation als Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatorin (SiGeKo), sodass ich aktiv Baustellen begleitet und überwacht habe.

Ein Höhepunkt meiner Tätigkeit war unter anderem die Bewertung von Explosionsgefahren im Forschungssektor namhafter Hochschuleinrichtungen. So beriet ich beim Einsatz neuartiger Antriebssysteme unter Einsatz von Methan und Wasserstoff. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Tätigkeit war die Beratung im Arbeitsschutz bei der Umnutzung mehrstöckiger Verwaltungseinheiten.

Durch meinen beruflichen Werdegang und meine kontinuierliche Weiterbildung decke ich ein breites Portfolio unterschiedlicher Fachdisziplinen ab und kann so jedem Kunden bei der Verbesserung seiner Managementsysteme behilflich sein.

Sie waren als Beamte im öffentlichen Dienst sowie in der freien Wirtschaft beschäftigt. Wie waren Ihre jeweiligen Erfahrungen als Bewerberin und welche Wege sollten Arbeitgeber heute in punkto Personalgewinnung gehen?

Der Bewerbungsprozess im öffentlichen Dienst ist zumeist formeller als in der freien Wirtschaft. Bis zum eigentlichen Vorstellungsgespräch sind verschiedenste Unterlagen, wie zum Beispiel ein polizeiliches Führungszeugnis, das Abiturzeugnis oder auch ein Gesundheitstest erforderlich. Das Vorstellungsgespräch erfolgte in meinem Fall analog. In der freien Wirtschaft sind die Prozesse zumeist flexibler und die Rückmeldungen zeitnaher. Häufig erfolgt das Vorstellungsgespräch digital sowie in lockerer Atmosphäre.

Infolge des zunehmenden Fachkräftemangels sehe ich es als sehr wichtig an, dass Arbeitgeber bei der Personalgewinnung proaktiv vorgehen und dem potentiellen Arbeitnehmer den Bewerbungsprozess möglichst einfach gestalten. Neben Konkretem wie dem Gehalt spielen auch weichere Aspekte wie die Reputation des Arbeitgebers, ein gutes Gemeinschaftsgefühl und vor allem die Zufriedenheit der Mitarbeiter eine zentrale Rolle.

Auch der Arbeitsschutz ist hierfür wesentlich. Daher setze ich bei meinen Kunden auf die Schaffung hochwertig ausgestatteter Arbeitsplätze gekoppelt mit einer gesunden Arbeitsumgebung. Denn nur wenn sich Mitarbeiter wohlfühlen, bleiben Sie dem Unternehmen langfristig erhalten und werben neue Kollegen an.

Bitte vervollständigen Sie den Satz: "Um erfolgreich zu planen und zu bauen kommt es in Zukunft darauf an, dass..."

Synergien genutzt werden und die einzelnen Akteure eng verzahnt miteinander agieren. Jeder Einzelne soll sich mit seinen persönlichen Stärken in das Projekt einbringen können. So lassen sich die jeweiligen Prozesse beschleunigen, da sich jeder auf sein Spezialgebiet fokussieren kann. Generalisten, die dabei den Überblick behalten, das Team dirigieren und den Austausch untereinander fördern, übernehmen ebenso eine wichtige Rolle.

Was bedeutet die Digitalisierung und Automatisierung des Bauens für Sie? Welche technischen Potenziale, welche Grenzen sehen Sie?

Die Digitalisierung ermöglicht Prozesse zu beschleunigen. So können mithilfe von Tablets und entsprechender Anwendungen schon während der Begehung Protokolle erstellt werden. Fotos können direkt im Plan mit dem jeweiligen Mangel sowie der genauen Lage hinterlegt werden. Die Bearbeitungszeit im Nachgang einer Begehung wird hierdurch drastisch reduziert. Die Verantwortlichen erhalten die Mängeldokumentation somit sehr zeitnah.

Eine große Bedeutung nimmt in Zukunft die Nutzung von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) ein. Mit VR können Betriebsvorgänge in einer virtuellen Welt realitätsnah geprobt und kritische Aspekte bereits in der Frühphase aufgedeckt werden. Die Folgen von Fehlbedienung und Fehlverhalten werden in einer solchen Simulation hautnah miterlebt. Somit können das Bewusstsein für Gefahren gesteigert, eine Sensibilisierung erreicht und schlussendlich Unfälle vermieden werden.

Mit AR – also der Erweiterung der realen Welt – können Informationen über kritische Anlagen, Betriebsmittel oder Gefahrstoffe vor Ort per Brille oder Tablet verfügbar gemacht werden. Beispielsweise durch Einblendung von Checklisten zur Prüfung von Betriebsmitteln, durch erklärende Hinweise der Funktionen komplexer Bedienfelder und Armaturen oder durch Darstellung der Leitungsführung (Elektro, Gas, Wasser).

Negative Aspekte der Digitalisierung sind jedoch nicht außer Acht zu lassen. Es besteht die Gefahr anonymer Prozesse, die fast ausschließlich virtuell abgewickelt werden. Auch kann ein psychischer Druck bei ständiger Erreichbarkeit, zunehmender Arbeitsdichte und schnellen Kommunikationswegen und damit einhergehendem Erwartungsdruck zeitnaher Antworten aufgebaut werden. Umso wichtiger ist daher eine klare Abgrenzung zwischen Arbeits- und Erholungszeiten.

Sinnvoll kann in dem Zuge auch die Definition von Zeitfenstern sein, bei denen man beispielsweise für Kollegen nicht erreichbar ist. Diese ungestörte Zeit kann für komplexere Aufgabenstellungen – Stichwort "Deep Work" – genutzt werden.

Insgesamt überwiegt für mich der Nutzen der Digitalisierung. Um zuvor genannte negative Aspekte auszuschließen beziehungsweise zu minimieren ist eine klare und aktive Kommunikation entscheidend.

Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?

Ich wünsche mir weniger Föderalismus in der Gesetzgebung. Insbesondere Themen wie Arbeits- und Umweltschutz müssen in Hamburg nicht anders bewertet werden als in Bayern. Das vorrangige Ziel, Arbeitsunfälle und Umweltverunreinigungen zu verhindern, ist in allen Bundesländern identisch.

Auch habe ich teilweise das Gefühl, dass Gesetze zu bürokratisch sind und der Bezug zum Praxisalltag verloren gegangen ist. Hier würde ich mich freuen, wenn größere Spielräume bei der Umsetzung vorhanden wären und dies im optimalen Fall zu einer schnelleren Bearbeitung von Genehmigungsverfahren führen würde.

Wie muss man sich heute weiterbilden, um morgen im Bauwesen noch bestehen zu können?

Heutzutage ist es wichtig, offen für Neues zu bleiben und sich der stetigen Entwicklung anzupassen. Ein breites berufliches Netzwerk hilft hierbei.

Insbesondere bei rechtlichen Änderungen ist ein lebhafter Austausch mit verschiedenen Akteuren sehr hilfreich. Regelmäßig die einschlägigen Quellen aufzusuchen sowie Fortbildungen bei den verschiedenen Berufsgenossenschaften oder dem Verband der Sicherheitsingenieure (VDSI) zu absolvieren, sollten zum Berufsalltag gehören.

Es ist vorteilhaft, sich bei der Weiterbildung nicht allein auf einen Bereich zu fokussieren, sondern sich ebenfalls Grundwissen in benachbarten Disziplinen anzueignen. So gelingt eine reibungsfreie Kommunikation auf Augenhöhe sowohl auf der Baustelle als auch im Betrieb.

Welchen Ausgleich haben Sie zum Beruf?

Sport, Freunde und Familie sowie mein Ehemann geben mir den besten Ausgleich. Hier in Aachen sind die Niederlande nicht weit weg. Daher ist es nicht selten, dass wir am Wochenende eine Fahrradtour dorthin unternehmen.

Daneben versuche ich auch sonst das Fahrrad so gut es geht in den Arbeitsalltag zu integrieren. Zu Fortbildungen oder Kundenterminen ist das Fahrrad mein treuer Begleiter, solange es aufgrund von Strecke und Terminen möglich ist. Der Bezug zur Natur ist mir wichtig und wird mit Pausenspaziergängen und ausgedehnten Wanderungen gestärkt.

QUELLEN UND VERWEISE:

Website der Sicherheits­ingenieurin Carolin Küpper