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Dämmstoffe aus mineralisiertem Schaum versprechen beste Eigenschaften

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 28. Sep. 2017
Kategorie:

# 04.10.2017

Forscher der TU Darmstadt entwickeln und testen neuartigen Werkstoff. Brandsicherheit als Vorteil gegenüber weit verbreitetem Polystyrol. Forderung an Gesetzgeber nach ganzheitlicher Betrachtung von Dämmstoffen

Bauschaum aus Mineralien soll Super-Dämmstoff ergeben

An der TU Darmstadt wird aus mineralisiertem Schaum ein neuartiger Dämmstoff produziert und getestet. Foto: Alex Kindermann / TU Darmstadt
An der TU Darmstadt wird aus mineralisiertem Schaum ein neuartiger Dämmstoff produziert und getestet. Foto: Alex Kindermann / TU Darmstadt

Der Brand im Londoner Grenfell-Tower im Juni 2017 hat die Beschaffenheit von Dämmstoffen in den Fokus der breiten Öffentlichkeit gerückt. Auch schon vor dem Unglück gingen Forscher der Frage nach, wie Dämmstoffe nicht nur brandsicherer sondern zudem geringer wärmeleitfähig, wirtschaftlicher und nachhaltiger werden können.

An der Technischen Universität Darmstadt ist man einem solchen Super-Dämmstoff auf der Spur. Die Grundlage liefert dabei ein Bauschaum aus mineralischen Inhaltsstoffen.

"Die Basis für mineralisierten Schaum muss man sich im Prinzip wie Rasierschaum vorstellen", sagt Dr.-Ing. Albrecht Gilka-Bötzow vom Institut für Werkstoffe im Bauwesen (WiB) den Forschungsgegenstand. So werde zunächst Wasser mit ein wenig oberflächenaktivem Stoff in einem Generator aufgeschäumt und dann für die nötige Festigkeit mit einem Zementleim vermischt. Nach dem Abbinden entstehe ein sehr leichter, rein mineralischer Dämmstoff.


Neuen Dämmstoff an Modellfabrik der TU Darmstadt getestet

Der mineralische Dämmstoff wurde beim Bau einer energieeffizienten Modellfabrik getestet. Foto: Lukas Möller / TU Darmstadt
Der mineralische Dämmstoff wurde beim Bau einer energieeffizienten Modellfabrik getestet. Foto: Lukas Möller / TU Darmstadt

"Dieser kann im flüssigen Zustand direkt auf das zu dämmende Bauteil aufgetragen oder auch in Form gegossen werden", so Gilka-Bötzow weiter. In welcher Zusammensetzung mineralisierter Schaum sich am zuverlässigsten mit gleichbleibend guten Eigenschaften herstellen lässt, hat der Wissenschaftler im Rahmen seiner Doktorarbeit untersucht.

Inzwischen hat das Material nach TU-Angaben seinen ersten Praxistest bestanden. Beim Bau der ETA-Fabrik, einer energieeffizienten Modellfabrik auf dem Campus der TU Darmstadt, wurde die Außenhülle des Gebäudes aus Fertigteilen errichtet, bei denen schon im Betonwerk die tragenden Betonteile mit dem neuen Dämmstoff vollflächig versehen wurden. Planung, Bau und Betrieb wurden und werden wissenschaftlich durch Forscher unterschiedlicher Fachbereiche der TU Darmstadt und weiterer Partner begleitet.


Statik, Wärmedämmung und Brandschutz von Baubehörde gesondert geprüft

"Da für das neue Material noch keine allgemeinen Regelungen existieren, mussten unter anderem Teile der Statik, die Wärmedämmung und der Brandschutz von der Baubehörde gesondert geprüft werden", beschreibt Andreas Maier vom kooperierenden Institut für Statik und Konstruktion (ISMD) das Vorgehen.


Nachhaltiger Dämmstoff als Alternative zu Polystyrol gesucht

"Brandsicherheit stand zuerst gar nicht im Fokus unserer Forschung", erklärt Gilka-Bötzow. Die Wissenschaftler des Institut für Werkstoffe im Bauwesen seien eigentlich auf der Suche nach einem besonders nachhaltigen Dämmstoff, der möglichst vollständig recycelbar ist, gewesen. Hintergrund war demnach die Tatsache, dass der in Deutschland am häufigsten eingesetzte Dämmstoff Polystyrol nach der Behandlung mit Flammschutzmitteln als Sondermüll betrachtet wird, was bei der Entsorgung zu erheblichen Kosten führen kann.


Materialschwund einziger Nachteil des mineralisierten Schaums

Ist mineralisierter Schaum also der Dämmstoff der Zukunft? Die Brandsicherheit, Vielseitigkeit, Flexibilität, Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit sprechen nach Ansicht der Forschungsgruppe um Albrecht Gilka-Bötzow klar für den neuen Stoff. Die Wärmedämmeigenschaften ließen sich mit denen von Glas- oder Steinwolle ähnlicher Rohdichte vergleichen.

Mineralisierter Schaum habe aber auch Nachteile: "Während des Abbinde- und Aushärtungsprozesses schwindet das Material etwas", sagt Gilka-Bötzow. Eine Möglichkeit, diesem Problem zu begegnen, sei die Erforschung alternativer Zusammensetzungen.


Geopolymere ersetzen Zement als Bindemittel

"Aktuelle Forschungsarbeiten zielen darauf, den Zement, also das Festigkeit gebende Bindemittel im mineralisierten Schaum ganz durch Geopolymere zu ersetzen", erklärt Professor Eddie Koenders, Leiter des Instituts für Werkstoffe im Bauwesen. Geopolymere sind alkalisch aktivierte zementfreie Bindemittel, die aufgrund ihrer besonderen Erhärtungsreaktion hohe Frühfestigkeiten und eine hohe Hitzebeständigkeit entwickeln.

Sie weisen zudem ein im Vergleich deutlich niedrigeres Treibhauspotential auf. Mineralisierter Schaum könne, so die Hoffung der Forscher, dadurch noch nachhaltiger werden.


Forscher: Ganzen Lebenszyklus von Dämmstoffen berücksichtigen

"Bei gesetzlichen Vorgaben wird die Nachhaltigkeit noch zu wenig beachtet", gibt Koenders zu bedenken. Er plädiert dafür, den gesamten Lebenszyklus eines Dämmstoffs im Rahmen eines Gebäudeentwurfs stärker zu berücksichtigen, also neben dem Beitrag zur Senkung der Betriebskosten auch den Energieaufwand für die Herstellung und Entsorgung mit zu betrachten.

Diese wirklichkeitsnähere Betrachtung würde nicht zuletzt die Konkurrenzfähigkeit von mineralisiertem Schaum als neuartigen brandsicheren Dämmstoff verbessern.


Eigenschaften von Dämmstoffen aus mineralisiertem Schaum

  • zu mehr als 99 Prozent mineralische Inhaltsstoffe
  • nicht brennbar
  • Trockenrohdichte zwischen 160 kg/m³ und 200 kg/m³
  • Porenanteil ca. 90 Prozent
  • Wärmeleitfähigkeit bei 180 kg/m³ ca. 0,06 W/(m • K)