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Das Netzwerk ABE: Wie von Aachen aus die Transformation der Baubranche vorangetrieben wird

Verfasst von: Fabian Hesse; Dr. Kerstin Burmeister
Veröffentlicht am: 30. Mai 2024

Erfolgreiches Bauen ohne persönliche Netzwerke nicht denkbar

Auf die Frage, wie erfolgreiches Planen und Bauen gelingen können, lautet die Antwort häufig: Es geht nur gemeinsam. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl und, wichtiger, die Zusammenarbeit wird in persönlichen Netzwerken gepflegt und ausgebaut.

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Der Aachen Building Experts e.V. (ABE) wurde 2016 gegründet. Foto: ABE

Rund um den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Aachen hat sich seit 2016 mit dem Aachen Building Experts e.V. (ABE) ein sehr umtriebiger Verbund aus Expertinnen und Experten innerhalb der Baubranche einen Namen gemacht. Aktuell hat Hans-Jürgen Krause von der Kempen Krause Ingenieure GmbH aus Aachen den Vorstandsvorsitz inne. Man definiert sich selbst als "Innovationsnetzwerk entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Bau- und Immobilienbranche" und ist bemüht, diesen Anspruch durch eine Vielzahl an Veranstaltungen mit Leben zu füllen.

Hierzu zählen neben zahlreichen Wissenstransfer- und Vernetzungsveranstaltungen auch Seminare, das Bau-Startup-Forum sowie der Baukongress. Im ABE kommen inzwischen über 150 führende Unternehmen der gesamten Branche sowie die RWTH Aachen und die FH Aachen zusammen, um durch ein möglichst enges und direktes Zusammenwirken von Wissenschaft und Wirtschaft Innovationen zu fördern und umzusetzen. Dabei sollen auch neue Konzepte für Aus- und Weiterbildung entwickelt werden. Die Schwerpunkte legt der ABE unter anderem auf folgende Bereiche:

  • Building Information Modeling (BIM)
  • Smart Building (insbesondere TGA)
  • Materialien und Prozesse
  • Nachhaltigkeit durch z.B. ressourceneffizientes / kreislaufgerechtes sowie Textiles Bauen

Zusätzlich vernetzt ABE seine Mitglieder mit Studierenden der beiden Aachener Hochschulen und branchenspezifischen Startups.

Bauunternehmen Wolff & Müller tritt "Innovationsnetzwerk" bei

Von diesem Umfeld profitieren möchte auch die Wolff & Müller Holding GmbH & Co. KG. Das Stuttgarter Bauunternehmen ist derzeit mit 2.300 Beschäftigten an 25 Standorten in ganz Deutschland aktiv. Seit kurzem gehört man dem ABE an, was als Beleg dafür gewertet wird, dass das Netzwerk seinen Mitgliedern auch überregional wichtige Mehrwerte bietet.

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Seit Mai 2024 ist die Wolff & Müller Holding GmbH & Co. KG Teil der Aachen Building Experts (ABE). Im Bild (v.l.n.r.): Oliver Wilm (Geschäftsführer Wolff & Müller), Hans-Jürgen Krause (Vorstandsvorsitzender ABE), Albert Dürr (Geschäftsführer Wolff & Müller), Matthias Wolf (Bereichsleiter Wolff & Müller, NL Köln), Goar T. Werner (Geschäftsführer ABE). Foto: ABE e.V.

Oliver Wilm, Geschäftsführer bei Wolff & Müller, wird im Rahmen des diesjährigen Baukongresses (12./13.06.2024) an einer Podiumsdiskussion zum Thema "Innovationen und Regulationen als Schlüssel zum Erfolg" teilnehmen. Der Kongress steht unter dem Motto "Nachhaltigkeit, Automatisierung, Digitalisierung" und widmet sich folgenden Leitfragen:

  • Wo steht die Bau- und Immobilienbranche in Hinblick auf klimapositives Bauen?
  • Welche Handlungsmöglichkeiten haben Städte und Kommunen angesichts von Starkregen, Dürren und Hitze und was bedeutet dies für die Bauwirtschaft?
  • Mit welchen innovativen Verbindungstechnologien arbeitet der moderne Holzbau?

Markus Kuhnhenne, Professor an der RWTH Aachen im Lehr- und Forschungsgebiet Nachhaltigkeit im Metallleichtbau, leitet die Fachsession "Klimapositives Bauen". Diese beschäftigt sich vor allem damit, wie eine wirksame CO2-Reduktion gelingen kann. Bei der Ausarbeitung des Themas für den Baukongress war unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) beteiligt, auf die der Begriff "klimapositiv" zurückgeht.

Baukongress 2024: Wo steht die Baubranche in Sachen Klimaneutralität?

In seiner Keynote "Bauen 2030 – Fit für 55?" will Kuhnhenne kritisch beleuchten, wo die Branche und einzelne Materialien auf dem Weg, die Netto-Treibhausgasemissionen (THG) bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral sein, stehen. Anschließend präsentieren mehrere Experten in kurzen Pitches den Stand bei verschiedenen Low Carbon Materials, zum Beispiel bei Stahl (ab 2026 wird der erste fossilfreie Primärstahl aus Schweden erwartet), Glas, Kunststoff und weiteren leichten Partnerwerkstoffen.

Der freie Architekt und Professor Martin Haas wurde als ein Highlight für die Fachsession gewonnen. Haas ist Mitinitiator der DGNB und bekannt für die Entwicklung innovativer, nachhaltiger Architektur. Ein Beispiel ist der Bau des vielfach ausgezeichneten Alnatura Campus in Darmstadt mit Außenfassaden aus Stampflehm.

Haas will in seinem Beitrag aufzeigen, wie die Dekarbonisierung die Architektur verändert. Er thematisiert auch die aktuelle Diskussion in der Architektur zu Low-Tech- und High-Tech-Lösungen. Anschließend stellt ein Vertreter des Deutschen Städtetages Strategien deutscher Städte in verschiedenen Regionen für einen klimaneutralen Gebäudebestand vor.

Breiter Austausch über Werkstoffe und Verbindungen im Holzbau

Novellierungen der Landesbauordnungen erlauben inzwischen mehrgeschossige Bauwerke in Holzbauweise, im europäischen Ausland wurden bereits Hochhäuser mit 24 Etagen errichtet. Die Keynote zur Fachsession "Moderner Holzbau mit ressourceneffizienten Verbindungen" des Baukongresses gibt einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen und Technologien, zum Beispiel die Verwendung von hochleistungsfähigen Holzwerkstoffen wie Brettsperrholz.

Leif Arne Peterson, einer der drei Holzbauprofessoren an der FH Aachen, leitet die Fachsession. Anhand konkreter Leuchtturmprojekte beschäftigen sich die Fachleute in dieser vor allem mit den Details ressourceneffizienter Verbindungen von Holz mit Holz sowie mit anderen Baumaterialien, beispielsweise Natursteinen, Stahl und Beton in Verbindung mit Holz.

Aufgezeigt werden sollen Lösungen für ein ganzheitlich nachhaltiges Bauwesen. "Wir müssen anfangen, die Gebäude von heute als Rohstofflager von morgen zu begreifen", betont Peterson. Möglich wird dies durch digitale Zwillinge der Bauwerke. Die Übersicht über alle Bauteile und Materialien zeigt dabei, was später erneut in anderen Gebäuden verbaut werden kann. Da die Bau- und Abbruchwirtschaft in Deutschland derzeit mehr als die Hälfte des Mülls verursacht, ist dies alles andere als trivial.

Spannende Forschungsergebnisse werden auch zu aktuellen Entwicklungen bei den Verbindungstechnologien erwartet. Vertreter mehrerer namhafter Schraubenhersteller werden Verbindungen mit Holzschrauben im Holzbau praxisnah präsentieren. Es geht zum Beispiel um Schrauben mit zwei Meter Länge, mit selbstbohrenden Spitzen oder um Modelle, die beim Eindrehen die Bauteile zusammenziehen oder sogar eine Vorspannung erzeugen.

Diskutiert werden auch die Vorteile von Schrauben im Hinblick auf eine anzustrebende Kreislaufwirtschaft. Der Vortrag "Multifunktionaler Holz-Beton-Verbundbau" thematisiert die Bedeutung der Verbundfuge in der Tragwerksplanung von Holzverbund-Konstruktionen.

Als eines der "Off-Site"-Angebote können Baukongress-Teilnehmende das Aachener Zentrum für Holzbau (AZH) in Simmerath besichtigen. Vorgestellt werden unter anderem Forschungsvorhaben wie die Entwicklung eines neuen Wandsystems. Das aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) der EU sowie des Landes NRW errichtete AZH verfügt über Prüfanlagen auf dem Niveau der führenden europäischen Forschungseinrichtungen.

Lösungen für Klimaanpassungen im urbanen Raum

Karsten Kerres, Vorstandsvorsitzender des Institute of Smart City Engineering an der FH Aachen (ISCE), leitet die Fachsession "Paradigmenwechsel im Umgang mit der Ressource Wasser – Klimaanpassung im urbanen Raum und Konsequenzen für die Bauwirtschaft". Diese stellt Herausforderungen der Städte und Gemeinden insbesondere in Hinblick auf wasserwirtschaftliche Infrastrukturen in den Fokus.

Zum Thema "Wassersensible Stadtentwicklung" stellt der Architektur- und Ingenieurdienstleister Sweco Best-Practice-Beispiele aus Deutschland, den Niederlanden und Schweden vor. Es wird dargelegt, von welchen Lösungen aus dem Ausland die deutsche Bauwirtschaft lernen kann und welche übertragbar sind.

Aus deutscher Perspektive schildert ein Vertreter der Wohnungsbaugesellschaft Vivawest Wohnen GmbH unter anderem, was die Umsetzung einer wassersensiblen Stadtentwicklung in der Praxis bedeutet. Die Stadt Duisburg hat solche Lösungen bereits auf einigen Neubau-Arealen realisiert. Diese werden vorgestellt und erläutert.

In Deutschland gibt es bisher mehr Erfahrungen mit Neubaugebieten als mit innerstädtischen Bereichen. Noch fehlen schlüssige Gesamtkonzepte und Strategien, die über die Umgestaltung einzelner Straßenzüge hinausgehen. Auch hier soll die Fachsession interessante Einblicke und Anregungen liefern.

Schmutzwasser in der Stadt: Von der Entsorgung zur Ressourcenwirtschaft

Städte und Kommunen werden zukünftig auch neue Wege im Umgang mit Schmutzwasser gehen müssen. Anstatt Wasser wie bisher gereinigt aus den Kläranlagen in Gewässer einzuleiten, wird zu überlegen sein, ob die wichtige Ressource nachhaltig genutzt werden kann.

Wasserrückgewinnung und Wasserwiederverwendung optimieren ihren Einsatz und wirken Knappheit entgegen. Sei es, dass landwirtschaftliche Flächen mit vorbehandelten Abwässern bewässert werden oder dass Brauchwasser Verwendungen zugeführt wird, die keine Trinkwasserqualität erfordern.

Auch lassen sich Nährstoffe wie Phosphate und Baustoffe wie Zellulose oder mineralische Abwasserinhaltsstoffe rückgewinnen und wieder den Kreisläufen zuführen. Dies trägt auch zum CO2-minimierten Bauen bei. Der Baukongress bewertet die hierin liegenden Potenziale und setzt sich sowohl mit der Entwässerung bestehender Siedlungen als auch mit Umsetzungen bei der Quartiersentwicklung auseinander.