Digitale Transformation und Künstliche Intelligenz: Herausforderungen und Lösungsansätze bei der Kombination von Theorie und Praxis
Die Digitale Transformation (DT) im Bauwesen wurde mit der Einführung numerischer Verfahren initiiert, mit der BIM-Technologie weiterentwickelt und mündet mittelfristig in den baupraktischen Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI).
Zur erfolgreichen Umsetzung von DT und KI in der Praxis bedarf es der Analyse des Status quo sowie innovativer Lösungsansätze der aufgedeckten Schwierigkeiten durch die Forschung, welche über die Lehre und berufliche Weiterbildung in den Baualltag transportiert werden.
Technologien und Methoden der Digitalen Transformation
Warum Digitale Transformation?
Standpunkte zur Digitalen Transformation
Stand der Digitalen Transformation und Lösungsansätze
Es ist somit festzustellen, dass die DT nicht ohne Weiteres von einem erfolgreichen Beispiel auf andere übertragen werden kann oder gar Verallgemeinerungen möglich sind. Vielmehr sind Praxislösungen der DT nach den Erfordernissen projekt- und betriebsspezifisch zu entwickeln.
Bei der Bewertung bezüglich einer erfolgreichen Umsetzung der DT muss aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen hinsichtlich Genauigkeit und Abstimmungsbedarf zwischen dem Hochbau und dem Tief- bzw. Ingenieurbau differenziert werden. Weiterhin sollte berücksichtigt werden, dass bei den beteiligten Planenden und Bauausführenden die effiziente digitale Planung in hoher Qualität nicht ad hoc und ohne einen erhöhten Aufwand durchführbar ist, sofern nicht bereits mehrere Bauprojekte mit entsprechenden Prozessen abgewickelt und analysiert wurden (Bild 2).
Zusammenarbeit üben
Die Forschungs- und Lehrinstitutionen müssen daher einen engeren Kontakt zur Bauwirtschaft herstellen, um Lösungen und einen Kulturwandel hin zu kollaborativen Denk- und Arbeitsweisen der zukünftigen Ingenieurinnen und Ingenieure zu fördern.
Hierzu muss in den Hochschulen das Verständnis für die Themen, Prozessabläufe und Komplikationen der Praxis gestärkt werden. Insbesondere brauchen wir eine Modernisierung der Lehre zur verständlichen und praxisgerechten Aufbereitung komplexer Themen der DT. Ein Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Architektur, Bauingenieurwesen und Immobilienwirtschaft ist das gemeinsame Lehrkonzept der OTH Regensburg, der Universität Regensburg sowie der TU München.
Ziel ist die Abwicklung eines Bauprojektes in Teams mit Studierenden aus den unterschiedlichen Fachbereichen unter Einbringung und optimaler Nutzung ihrer Kompetenzen und Ressourcen. Die Organisation und Entwicklung der Bauprojekte erfolgt mit der BIM-Methode (Bild 3). Zudem werden von den Studierenden Organisationsstrukturen zur Koordination des Projektes festgelegt, eine gemeinsame Plattform zum zentralen Austausch der Daten unter Berücksichtigung der zu erbringenden Leistungen und Koordinationsaufgabenaufgesetzt und eine architektonische, bautechnische und betriebswirtschaftliche Bearbeitung des Projektes mittels eines modellbasierten Ansatzes durchgeführt.
Erste Erfahrungen zeigen, dass es zu Beginn des Projektes Diskussionsbedarf zum Verstehen der Bedürfnisse der anderen Fachdisziplinen gibt. Diese Startschwierigkeiten lösen sich durch die Erkenntnis, dass eine kollaborative Arbeitsform auf der Basis einer gemeinsamen digitalen Plattform schneller und effektiver zum Ziel führt.
Hervorzuheben gilt es, dass durch dieses Projekt die Mehrwerte einer BIM-basierten Planung für die Studierenden sichtbar werden und sich damit nachhaltig verankern lassen. Beispielsweise zeigen sich diese Mehrwerte in Form einer effizienten und sicheren Kalkulation, einer transparenten und durchgängigen Kommunikation, bei der Ermittlung der CO2-Emission des Bauwerks oder bei der Unterstützung des Vertriebs durch Einsatz von Virtual Reality und Mock-ups.
Künstliche Intelligenz als "praktisches" Werkzeug im Bauwesen
Zukünftig wird unser Alltag immer mehr mit digitalen Komponenten versehen sein. Dies gilt auch für die Baubranche, sodass sich in den kommenden Dekaden zwar nicht die Abfolge des Planens und Bauens, aber die dazu erforderlichen Werkzeuge verändern werden: am Modell statt am Plan, mithilfe einer Maschine statt per Hand oder in Form eines Komponentensystems statt als individuelles Einzelprojekt.
Heute werden dazu vielfältige Simulations- und Analysewerkzeuge in den beteiligten Fachdisziplinen wie die Finite-Elemente-Methode der Tragwerksplanung, Energiebedarfs- oder Behaglichkeitssimulationen der Bauphysik und insbesondere Kostenschätzungen und -analysen des Baubetriebs bemüht. Werden diese Evaluations- und Beurteilungsprozesse derzeit in der Regel noch manuell und in Sequenzen abgearbeitet, erlaubt die Einbindung von Künstlicher Intelligenz und insbesondere des Maschinellen Lernens ein zeitliches Kurzschließen der Simulationsmodelle für ein schnelleres Leistungsfeedback desuntersuchten Entwurfs sowie die parallele Untersuchung mehrerer Entwurfsvarianten.
Mit KI-Technologien können die Projektbeteiligten mit einer Art "Entscheidungswerkzeug" unterstützt werden. Dazu muss die Verknüpfung von bauspezifischem Wissen mit den KI-Algorithmen weiter erforscht und für das Bauen entwickelt werden. Im Bauwesen wird die Analyse von Big Data mit den üblichen KI-Algorithmen zu wenig aussagekräftigen Ergebnissen führen, weil die Daten anders sind: Typische KI-Algorithmen nutzen strukturell homogene und repräsentative Daten, sodass eine Vergleichbarkeit über die einzelnen Datenpunkte hinweg möglich ist. Im Bauwesen liegen überwiegend wenige und eher heterogene Informationen vor.
Die Fragestellung an eine typische KI (Erlernen eines Musters aus vergleichbaren oder identischen historischen Daten) unterscheidet sich von der Aufgabenstellung des Planungs- und Bauprozesses (Lösung eines parametrischen Problems unter einer Vielzahl von Rand- und Zielbedingungen). Für das Bauwesen können KI-Algorithmen jedoch dazu beitragen, Muster auf abstrakteren Ebenen zu erkennen und Daten zu vergleichen.
So ist beispielsweise auf der Bauteilebene eine Mustererkennung in den Metadaten einer Fassade mit den Metadaten des Rohbaus wenig sinnvoll. Hingegen ist eine Mustererkennung zwischen verschiedenen Objekten des Typs "Bürogebäude" zur Erkundung von Konstruktionsprinzipien sinnvoll. Folglich muss für das Bauwesen eher von relativ kleinen, einzelnen vergleichbaren Datensätzen ausgegangen werden, was eine entsprechende Berücksichtigung in der Auswahl und Weiterentwicklung der KI-Algorithmen erfordert.
Als Beispiel für die Zukunft der Tragwerksplanung sei der KI-begleitete Entwurf von Brücken angeführt [2].Während heutzutage die Qualität und Leistungsfähigkeit maßgeblich von der menschlichen Intelligenz und Erfahrung der beteiligten Fachplanenden abhängt, wird künftig eine domäneninformierte KI diesen Prozess als sogenannter Co-Pilot vor allem in frühen Projektphase begleiten (vgl. Bild 4).
Die KI nimmt hier als Co-Pilot die Rechenarbeit und Modellkommunikation ab, sodass der Entscheidungsfindungsprozess aufgrund der durch die KI bereitgestellten Datengrundlage in den Fokus beim beteiligten Fachpersonal gerückt wird. Die Bedienung des KI-Co-Piloten ist dabei intuitiv, obschon zum Training ein signifikanter Aufwand in technischer und organisatorischer Hinsicht zu betreiben ist.
Im Zuge der DT der Baubranche ist es wichtig zu verstehen, dass digitale Systeme und insbesondere die Künstlichen Intelligenzen auch in Zukunft nicht alle Arbeiten und Berufsbilder automatisieren sowie keine Entscheidungen automatisiert-datengestützt treffen werden. Vielmehr wird sich mittelfristig zeigen, dass KI-Mensch-Interaktionssysteme signifikante technische und wirtschaftliche Vorteile gegenüber dem Status quo besitzen und somit der Mensch als finaler Entscheidungsträger weiterhin im Fokus und in der Verantwortung bleibt.
Egal wie viele Daten zu einem Problem vorhanden, wie ausgeklügelt die KI-Algorithmen oder automatisiert vorhandene Prozesse sind, bedingt die Pareto-optimale Natur vieler technischer Probleme eine finale Entscheidung einer menschlichen Person mit Fachwissen unter Einbeziehung aller relevanter Bedingungen.
KI und Nachhaltigkeit
Praxis und Forschung im Bauwesen müssen sich aufgrund der Signifikanz des Bausektors in die beginnende Diskussion und Definition einer nachhaltigen KI einbringen. Dieser Begriff umfasst dabei zwei Aspekte: Nachhaltigkeit von KI und KI für Nachhaltigkeit. Während die erste Paarung auf die Effizienz der KI-Algorithmen abzielt, kann das Bauwesen gerade durch Effizienzsteigerung infolge des KI-Einsatzes in Zukunft wesentlich aufgrund der beim Bauen bewegten Massen Einfluss nehmen auf Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit.
Insbesondere wird von den Baufachleuten eine Antwort zwischen ökologischer Integrität und sozialer Gerechtigkeit hinsichtlich künftiger Wirtschaftsmodelle und gesellschaftlicher Werte gefunden werden müssen. Die DT der Baubranche sowie insbesondere BIM in Verbindung mit solchen nachhaltigen KI-Formen werden wesentlich zum Mensch-KI-Kollaborationsmodus beitragen müssen. Dabei spielen offene und frei zugängliche Datensätze und deren Aus- und Bewertung mit KI-Algorithmen eine große Rolle.
Wie mit dem in Bild 5 dargestellten Bridge Genome Data Project dargestellt, erlaubt die KI hier die Identifizierung und mathematische Modellierung abstrakter Muster und Zusammenhänge auf übergeordneten Ebenen und kann zusammen mit den in Bild 5 dargestellten KI-Co-Piloten künftig Planende zur Steigerung von Effizienz und Nachhaltigkeit der gebauten Umwelt unterstützen.
Zusammenfassung und Resümee
Die Digitale Transformation stellt alle am Prozess des Planens und Bauens Beteiligten vor zwei wesentliche Herausforderungen:
- technisch: Anpassung zur Nutzung neuer Technologien (wie BIM und KI)
- adaptiv: Implementierung neuer Arbeitsprozesse (im Büro und auf der Baustelle)
Technische Herausforderungen können durch Expertenwissen oder spezifisch trainierte Problemlösungsfähigkeiten gemeistert werden. Die Hochschullandschaft muss entsprechende Anpassungen der Curricula und Lehrformen für Studium und Weiterbildung anbieten, sodass komplexe Themen so verständlich wie möglich in die Praxis transportiert werden.
Im Gegensatz dazu erfordert die Umsetzung von Maßnahmen für die adaptiven Herausforderungen kreative betriebsspezifische Ansätze. Zur erfolgreichen Digitalisierung der Baubranche müssen viele weiteren Randbedingungen hinsichtlich Bauweisen, Vergütung, Datenhaltung, Recht, Normen etc. geklärt werden. Dies ist aufgrund der gewachsenen Strukturen eher ein gradueller denn ein disruptiver Prozess.
Im Kern braucht es dringend einen Mentalitätswandel hin zur digitalen Arbeitsweise in Forschung, Lehre und Praxis, jedoch nicht zum Selbstzweck der Datenerhebung und -verarbeitung. Vielmehr muss ein Verständnis für das Potenzial der DT und ihrer Methoden wie BIM und KI als wichtige und sinnvolle Grundlage bei der faktenbasierten Entscheidungsfindung innerhalb der Entwicklung eines Bauwerks vermittelt und befolgt werden.
Mit dem Verständnis der Grundlagen und Methoden wird mithilfe eines guten Change-Managements durch mutige und couragierte Baufachleute eine technisch-prozessorientierte, rechtlich sinnvolle und betriebswirtschaftlich interessante Digitale Transformation gelingen.
Literatur
[1] Deutsch, R. (2015) Data-driven design and construction: 25 strategies for capturing, analyzing and applying building data. John Wiley & Sons.
[2 ] Kraus, M. A.; Drass, M.; Hörsch, B.; Schneider, J.; Kaufmann, W. (2022) Künstliche Intelligenz – multiskale und cross-domäne Synergien von Raumfahrt und Bauwesen. In: Bergmeister, K.; Fingerloos, F.; Wörner, J.-D. (Hrsg.) Beton-Kalender 2022: Schwerpunkte: Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Instandhaltung, Verlag Ernst & Sohn, 2021.
[3] Bayerische Bauindustrie, Building Lab – Bauindustrie Bayern. https://www.bauindustrie-bayern.de/building-lab.
QUELLEN UND VERWEISE:
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