DIN stellt Vertrauensfrage: Geht es am Bau auch ohne Normen?
In der Diskussion um hohe Baukosten in Deutschland werden häufig die Baunormen bzw. festgelegte Baustandards als einer der Kostentreiber genannt. Nicht ohne Grund bemüht sich die Bundesregierung aktuell um einen Gebäudetyp E, welcher es professionellen Bauherren ermöglichen soll, rechtssicher auf gewisse Standards zu verzichten. Kritiker dieser Initiative erwarten keine nennenswerte Kostenreduzierung und damit auch nicht die gewünschte Zunahme der Bautätigkeit, vor allem im zuletzt massiv eingebrochenen Wohnungsbau.
Das Deutsche Institut für Normung (DIN) wollte es genau wissen und hat daher gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey rund 300 Fachleute aus der Bauwirtschaft zum Gebäudetyp E befragt. Weitere Fragen bezogen sich auf die allgemeine Einstellung zu Baunormen sowie die Gründe für steigende Baukosten. Die Ergebnisse fallen nach Einschätzung des DIN äußerst vielschichtig aus.
So sei die Meinung zum Gebäudetyp E sehr gespalten: Nur knapp 27 Prozent sieht darin eine Lösung, um kostengünstiger und schneller zu Bauen. Rund 37 Prozent erwarten keine Verbesserungen, der Rest ist unentschieden. Noch skeptischer hatten sich die Teilnehmer einer Blitzumfrage von bauingenieur24 im August gezeigt. Niemand rechnete hier mit spürbar mehr Wohnungsbau in Deutschland durch den Gebäudetyp E.
Mehrheit will einheitliches Bauordnungsrecht
Während also der Gebäudetyp E noch vor seiner tatsächlichen Anwendung von vielen bereits als stumpfes Schwert abgetan wird, bleibt die grundsätzliche Sehnsucht nach Bürokratie- und damit Normenabbau. Laut DIN-Umfrage werden nämlich einzelne Baunormen durchaus als Kostentreiber wahrgenommen. Generell halten Dreiviertel der Befragten ein einheitliches Bauordnungsrecht in Deutschland für wünschenswert. Und 65 Prozent glauben, dass eine Vereinfachung des Baurechts sinnvoll ist, um den Wohnungsbau in Deutschland kostengünstiger zu gestalten.
Unter den acht meistgenannten Gründen für die Steigerung der Baupreise in den letzten Jahren landen die Anforderungen durch Baunormen mit rund 40 Prozent auf Platz Drei (Bild 1). Als ähnlich hinderlich werden die Bauzinsen angesehen. Eindeutig das größte Problem für die Bautätigen ist allerdings der Anstieg der Materialkosten (ca. 55%).
Normungsinstitut genießt großes Vertrauen
Im Zuge seiner bauwirtschaftlichen Sorgen- und Problemanalyse hat das DIN auch gleich seine eigene Rolle als ein zentraler Akteur der Baunormung hinterfragt. Auf die direkte Frage, ob man das Deutsche Institut für Normung für vertrauenswürdig hält, antworteten 81 Prozent mit "Ja". Lediglich knapp zehn Prozent der Befragten vertrauen der Einrichtung nicht, 9,1 Prozent sind unentschieden (Bild 2).
Eine weitere Bestätigung des Wertes seiner Arbeit dürfte das Normungsinstitut in der mehrheitlichen Zustimmung (72,4 %) zur Aussage "DIN-Normen geben mir Planungssicherheit bei meiner Arbeit am Bau" sehen. Und auch die Tatsache, dass sich über Zweidrittel (69 %) nicht vorstellen können, ohne DIN-Normen zu bauen, spricht für das etablierte Normungssystem in Deutschland.
Zweifel an letzterem waren zuletzt vermehrt aufgekommen, nachdem der Europäische Gerichtshof im sogenannten "Malamud-Fall" bezüglich der grundsätzlichen Kostenfreiheit für die Einsicht in bestimmte harmonisierte Europäische Normen geurteilt hatte.
Über die DIN-Umfrage
Das Meinungsforschungsinstitut Civey hat für DIN vom 22.08. bis 19.09.2024 rund 300 aktive Fach- und Führungskräfte aus der Bauwirtschaft online befragt, die DIN-Normen in ihrer täglichen Arbeit nutzen. Die Ergebnisse sind aufgrund von Quotierungen und Gewichtungen repräsentativ unter Berücksichtigung des statistischen Fehlers von rund 13 Prozentpunkten.
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