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Eiserne Eremitage: Altes Bauen mit Eisen neu gesehen (Buchrezension)

Verfasst von: Dr. Bernhard Hauke
Veröffentlicht am: 7. Dez. 2022
Kategorie:

# 07.12.2022

Was den Sankt Petersburger Zarenpalast im Innersten zusammenhält, ist Dreh- und Angelpunkt des wirklich schönen Buches "Eiserne Eremitage", nämlich dessen unglaublich filigranen wie weit spannenden Eisenkonstruktionen. Diese waren seinerzeit hoch-innovativ, durften sich jedoch nur in den Dach- und Deckenräumen austoben, so dass die klassizistische Residenz für den Laien geräumig, und keineswegs technoide wirkt.

Zwei Bände über virtuosen Schatz frühen russischen Eisenbaues

Dem Buch

Dem Buch "Eiserne Eremitage" gelingt es, "diesen virtuosen Schatz frühen russischen Eisenbaues liebevoll und detailliert zu erfassen."

 

Diesen virtuosen Schatz frühen russischen Eisenbaues nicht nur liebevoll und detailliert zu erfassen, sondern auch all denen zugänglich zu machen, die nicht durch die Dachräume an der Newa turnen oder gar durch die Decken kriechen können, ist das herausragende Verdienst der Autoren. Dazu gibt es gleich noch eine kleine Technikgeschichte zum Bauen mit Eisen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, so dass der Gesamtkontext ebenso hergestellt wird.

Ausgangspunkt ist der Brand des Sankt Petersburger Winterpalastes 1837, nach dem die Residenz mit modernsten Konstruktionsmethoden rasch wieder aufgebaut werden sollte. Was dann technisch möglich war, ist natürlich im historischen Kontext zu sehen. So wird auf die frühe Eisenproduktion in Russland eingegangen, beginnend mit den ersten Eisenhütten im Ural als Keimzellen des russischen Eisenbaues.

Diese Linie wird bis zu den frühen Eisenwerken in und um Sankt Petersburg weiter geführt. Illustriert wird das bauliche Umfeld durch erste, wichtige Eisenbauten wie dem schiefen Turm von Newjansk oder dem Aleksandriskij-Theater in der nun eisernen Stadt Sankt Petersburg. Damit sind der technisch-historische Kontext des Eisenbaues in Russland sowie die zugehörigen Architekturideen Mitte des 19. Jahrhunderts in einer kurzweiligen Zusammenfassung vorangestellt, welche in dieser Form neu ist.

 

 

Einordnung in Gesamtprozess des entstehenden europäischen Stahlbaues

 

Also zum Wiederaufbau des abgebrannten Winterpalastes: Jetzt wird das Feld weit, ob der schieren Größe des Gebäudes, insbesondere aber wegen der unglaublichen Varianz an Ideen, Konstruktionen und Bauteilen. Damit wird auch das Suchen nach den Formen und Strukturen des Bauens mit dem neuen Eisenbaustoff lebendig illustriert.

Es gibt so viele verschiedene Blechträger, Sparrenträger, Deckenträger, elliptische Balken oder Spreizträger, auf deren Strukturfindung und Anschlussdetaillierung systematisch eingegangen wird, was einen wahren Fundus an Ideen zutage fördert. Auch auf die restauratorischen und konservatorischen Aspekte wird an vielen Stellen hilfreich eingegangen.

Nachfolgend werden die Tragwerke der Eisernen Eremitage in den Gesamtprozess des entstehenden europäischen Stahlbaues eingeordnet. Verglichen wird zum Beispiel mit dem Neuen Museum in Berlin (1841-1859), welches weniger Dächer, als vielmehr eiserne Decken und Stützen aufweist und für die unterschiedlichen Herangehensweisen steht. Ergänzend gibt es eine Auswahl an historischen Texten und Bildern zum Brand des Winterpalastes zum geplanten Wiederaufbau, zu den Eisentragwerken sowie zur damaligen Bauorganisation.

 

Geeigneter Schmöker für alle Architektur- und Technikinteressierten

 

Die "Eiserne Eremitage" ist zuerst ein Buch für Bauingenieure und Stahlbauspezialisten, aber genauso gut für Architekten mit Konstruktionsinteresse und auch für Metallbaurestauratoren und Konservatoren.

Ja eigentlich ist der Doppelband zur eisernen Konstruktionsgeschichte des Sankt Petersburger Zarenpalastes wegen der wirklich schönen grafischen Ausstattung und der vielen kurzweiligen Erläuterungen sehr wohl auch ein geeigneter Schmöker für alle Architektur- und Technikinteressierten. Und wegen dem physikalischen und inhaltlichen Gewicht des Werkes vielleicht schön vorsichtig unter den Tannenbaum legen.

 

 

QUELLEN UND VERWEISE:

Eiserne Eremitage - Bauen mit Eisen im Russland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts