Endlosthema Ersatzbaustoffverordnung: Regelwerk kurz vor Inkrafttreten weiter umstritten
Bundesregierung beschließt erste Änderung der Ersatzbaustoffverordnung
Wenn von der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen bzw. dem Baustoffrecycling gesprochen wird, darf über die neue Mantelverordnung, speziell aber die darin enthaltene Ersatzbaustoffverordnung (EBV) nicht geschwiegen werden. Nach über 15 Jahren Beratungszeit zwischen Bund und Ländern tritt diese am 1. August 2023 in Kraft.
Ungeachtet des Termins, setzt sich die Kritik an der Verordnung fort, sodass sich das Bundeskabinett bereits vor Inkrafttreten des neuen Regelwerkes zu dessen erster Überarbeitung veranlasst sah. "Es ist kein gutes Zeichen, wenn Verordnungen bereits vor Inkrafttreten novelliert werden müssen", spottet Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.
Müller hat ein grundsätzliches Problem mit der neuen "Verordnung über Anforderungen an den Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen in technische Bauwerke", die Teil der sogenannten Mantelverordnung ist. "Mit der Ersatzbaustoffverordnung werden die gesteckten Erwartungen hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft insgesamt nicht erfüllt. Vielmehr steuern wir auf einen undurchdringbaren Dschungel an Nachweisen, Rechtsunsicherheiten und unterschiedlichen Auslegungen in allen 16 Bundesländern zu, die komplett an der Baupraxis vorbeigehen", so Müller wörtlich.
Bauindustrie: Kein Abfall-Ende durch Ersatzbaustoffverordnung
Er geht davon aus, dass mit der EBV in der jetzigen Form Kosten und Zeitaufwände erhöht werden und künftig sogar mehr Ressourcen auf Deponien landen als bisher. Verantwortlich dafür sei die Tatsache, dass Ersatzbaustoffe bis zum Einbau weiterhin grundsätzlich als Abfall gelten sollen, mit allen abfallbezogenen Rechtspflichten, wie etwa einer Anzeigepflicht für Transporte und potenzieller Genehmigungspflicht von Zwischenlagern.
Eine von Bundesumweltministerin Steffi Lemke angekündigte Abfall-Ende-Verordnung, die dazu dienen sollte, die Stigmatisierung wichtiger Rohstoffe aufzulösen, liegt laut Hauptverband trotz Festlegung im Koalitionsvertrag nicht vor. "Gerade diese Stigmatisierung führt dazu, dass öffentliche Auftraggeber Recyclingmaterialien weiterhin explizit von ihren Ausschreibungen ausschließen. So kommt die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen aber nicht voran", erklärt Tim-Oliver Müller.
Dem HDB geht es ebenso wie dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) und dem Deutschen Abbruchverband (DA) in punkto Ersatzbaustoffe vor allem um Bodenaushub und mineralische Bauabfälle. Letztere beliefen sich laut Statistischem Bundesamt 2018 bundesweit auf 218,8 Millionen Tonnen. 73,3 Millionen Tonnen, also gut ein Drittel davon wurden recycelt (siehe Bild 1).
Unterschiedliche Analyseverfahren kritisiert
Als weiterer Kritikpunkt bezüglich der Ersatzbaustoffverordnung werden verbändeseitig unterschiedliche und neue Analyseverfahren (Säulen- bzw. Schüttelverfahren) angeführt, die je nach Entsorgungsweg von der EBV vorgeschrieben würden. Manche davon erforderten mehr als eine Woche Zeit. Für über 1.700 mobile Aufbereitungsanlagen werde beispielsweise bei jedem Wechsel der Baumaßnahme erneut ein Eignungsnachweis verlangt. "Auch weil Grenzwerte sehr niedrig festgelegt sind, werden künftig Abfälle deponiert werden müssen, die bislang noch verwertet werden könnten", gibt Müller zu bedenken.
Gerade in den genannten Bereichen wurden vonseiten des Bundesbauministeriums im letzten Jahr wesentliche Verbesserungen durch eine Neuregelung (erste Novelle der EBV) versprochen. "Diese Regelung kann das Recycling im Bausektor fördern, wirkt erhöhten Deponiekosten und Deponieengpässen entgegen und vermeidet lange Transportwege und damit einhergehende CO2-Emissionen", gab Staatssekretär Rolf Bösinger im nbau-Interview im Sommer 2022 zu Protokoll.
Laut Bundesumweltministerium würden mit der Anfang April beschlossenen "Verordnung zur Änderung der Ersatzbaustoffverordnung" immerhin Kriterien zur Anerkennung so genannter Güteüberwachungsgemeinschaften in die Mantelverordnung aufgenommen. Dadurch werde auch die Gütesicherung der hergestellten Ersatzbaustoffe gestärkt.
Bauwirtschaft sieht Probleme durch EBV-Novelle nicht behoben
Die Bauwirtschaft bleibt trotz der Anpassungen skeptisch: "Der Versuch, die Ersatzbaustoffverordnung durch Klarstellungen praxistauglicher für die Anwender und den behördlichen Vollzug zu gestalten, ist nicht wirklich gelungen", erklärt Felix Pakleppa vom ZDB. Auch Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, hat weiterhin Bedenken: "So kommen wir nicht weiter”, ärgert er sich. “Die Politik möchte zwar eine nachhaltigere Kreislaufwirtschaft im Baubereich. Mit der beschlossenen ersten Novelle der Ersatzbaustoffverordnung zielt sie aber am eigentlichen Problem vorbei."
Möller hält es für unlogisch, wenn man einerseits mehr Recyclingmaterial auf den Baustellen verwenden wolle, der Ersatzbaustoff jedoch bis zum Einbau immer noch als Abfall gilt, obwohl das recycelte Material alle Kriterien von natürlichen Baustoffen erfülle. Im weiteren Verfahren steht nun die Befassung des Bundestages sowie des Bundesrates an. Um einen wirkungsvollen Vollzug der Ersatzbaustoffverordnung zu erreichen, ist es erforderlich, dass die vorliegende Änderungsverordnung noch vor dem Inkrafttreten der Ersatzbaustoffverordnung verkündet wird und zeitgleich mit ihr in Kraft tritt. Ob dies so kommt, ist indes nicht gewiss.
Während viele Branchenvertreter mit Sorge auf das Inkrafttreten der Mantelverordnung und der darin enthaltenen Ersatzbaustoffverordnung blicken, glauben die Hersteller von Recyclingbaustoffen fest an die Zukunft derselben. Andernfalls hätte man nicht bereits vor Jahren in neue Technologien investiert. Als erster und bisher einziger Ziegelhersteller in Deutschland errichtete das Unternehmen Leipfinger-Bader aus Bayern 2020 eine eigens entwickelte Recyclinganlage (Bild 2). Damit etablierte die mittelständisch geprägte Firmengruppe einen geschlossenen Wertstoffkreislauf in ihren Reihen. Vorab gründete man 2019 die "Ziegel Recycling Bayern GmbH".
Ziegelhersteller will Recyclingprodukt endlich in Serie produzieren
Aktuell finden die in der Recyclinganlage gewonnenen Ziegelkörnungen eine Weiterverwertung im Wegebau oder als Substrat bei der Dachbegrünung. Künftig soll das Material aber auch wieder in die Ziegelproduktion einfließen. Das in Serie gefertigte Haupt-Recyclingprodukt soll einmal der im Rahmen eines langjährigen Forschungsprojektes entwickelte "Kaltziegel" (wir berichteten) sein. Dieser Mauerziegel besteht größtenteils aus recyceltem Ziegelmaterial. Zudem wird er nicht gebrannt, sondern luftgetrocknet. Statisch erfüllt er laut Hersteller alle Voraussetzungen für tragende Innenwände. Aufgrund seiner Masse würden auch die erhöhten Schallschutzanforderungen in diesem Bereich kein Problem darstellen (Bild 3).
Bislang ist der Recycling-Mauerziegel von Leipfinger-Bader nicht zugelassen. Dies sieht man jedoch als kleinste Hürde auf dem Weg zur neuen Produktionslinie. Neben den entsprechenden Fertigungs-Anlagen und großen Hallenflächen zur Trocknung der Ziegel, werden zudem Lagerflächen für die Materialien benötigt. Auch der logistische Aufwand, das zu recycelnde Material von den Baustellen wieder zum Werk zu befördern, darf dabei nicht unterschätzt werden. Leipfinger-Bader stellt dafür "Big Bags" zur Verfügung und holt diese von der Baustelle ab. Die Kosten dafür übernimmt der Ziegelhersteller.
Die Firmengruppe hofft nun auf Unterstützung von staatlicher Seite, um mit dem ressourcenschonend und energiearm produzierten Kaltziegel künftig in die Serienfertigung gehen zu können. Die Verantwortlichen sind optimistisch. Inwieweit die landes-, bundes- und europaweiten Verordnungen und Initiativen hier greifen und unterstützen, müsse sich zeigen.