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Fertighausbau: Vom traditionellen Holzbau zur Industrie 4.0

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 20. Nov. 2020
Kategorie:
  • Zimmereibetrieb in 200 Jahren zum Kompletthersteller Fingerhaus entwickelt
  • Ehemalige Geschäftsführer über Jahrzehnte als Doppelspitze aktiv
  • In Zukunft stärkere Spezialisierung auf Hybridbauweise

Erstes Holzfertighaus wird 1948 errichtet

Das erste Fertighaus der Marke

Das erste Fertighaus der Marke "FingerHaus" wurde 1948 in Frankenberg errichtet. Foto: FingerHaus GmbH

Die Geschichte eines jahrzehntelang erfolgreichen Unternehmens der Baubranche gründet sich auf Namen und Personen (vgl. Beitrag "Fritz Stotmeister - Pionier der Baustoffbranche" unter Quellen und Verweise). Bei dem Fertighaushersteller Fingerhaus ist es nicht anders.

1820 gründete der Namensgeber Heinrich Finger einen Zimmereibetrieb im nordhessischen Bottendorf. Dieser spezialisierte sich zunächst auf den Bau von Dachstühlen, Scheunen und landwirtschaftlichen Gebäuden, was dem damaligen vorindustriellen Zeitgeist entsprach.

Über 100 Jahre später, in denen sich sowohl gesellschaftlich als auch baukulturell vieles gewandelt hatte und das Bauen mit Holz keineswegs in Mode war, baute Adam Finger 1948 das erste Haus in Holzfertigbauweise.

Ehemalige Geschäftsführer über 40 Jahre im Unternehmen

Die beiden ehemaligen Geschäftsführer Hans-Adam Ochse, Firmeneintritt 1964, und Willi Schäfer, Firmeneintritt 1968, haben später die weitere Entwicklung über Jahrzehnte maßgeblich beeinflusst. Als erste Doppelspitze übernahmen sie einst die Leitung des Unternehmens.

"Nach dem plötzlichen Tod von Adam Finger war es unsere gemeinsame Aufgabe die Firma zu führen", erklärt Schäfer, der ab 1984 Prokurist und von 1990 bis 2011 kaufmännischer Geschäftsführer bei Fingerhaus war. "Ich selbst konnte die Entwicklung von der Skelettbauweise über den Holzrahmenbau bis zum modernen Fertighausbau miterleben", so Schäfer weiter.

Holzfertigbauweise in Schweden und Finnland studiert

Hans-Adam Ochse, Prokurist ab 1974 und von 1984 bis 2006 technischer Geschäftsführer, berichtet, dass man anfangs durch Reisen nach Schweden und Finnland viel über eine bessere Wohnqualität im Eigenheim gelernt habe. "Diese Länder waren uns im Wohnhausbau in Holzfertigbauweise um einige Jahre voraus", so Ochse.

Insgesamt hätten sich über die Jahrzehnte die Wünsche und Ansprüche der Bauherren zum Beispiel in den Grundrissen ständig verändert. "Die Offenheit heutiger Grundrisse war vor 30, 40 Jahren nicht denkbar", meint Ochse, der heute persönlich in seinem zweiten "Finger-Haus" lebt.

Bis Ende der 1980er Jahre maximal zwei Fertighäuser pro Woche

Die ehemaligen Geschäftsführer Hans-Adam Ochse und Willi Schäfer erinnern sich an die gemeinsame Fingerhaus-Zeit. Foto: FingerHaus GmbH

Die ehemaligen Geschäftsführer Hans-Adam Ochse und Willi Schäfer erinnern sich an die gemeinsame Fingerhaus-Zeit. Foto: FingerHaus GmbH

1983 entstand das erste Musterhaus in Frankenberg. 1985 hatte dieses einen Bemusterungsraum im Keller von 15 Quadratmetern. "Heute sind es über 2.000 Quadratmeter. Die Kundenwünsche sind vielfältiger geworden", so Ochse.

Ende der 1980er-Jahre stellte man fest, dass der Betrieb in Bottendorf auf Dauer nicht wettbewerbsfähig sein würde. "Wir konnten nicht mehr als ein bis zwei Häuser in der Woche produzieren."

Es stellte sich die Frage, entweder den Betrieb mit sehr viel Aufwand zu sanieren oder auf der grünen Wiese neu zu beginnen. "Die Stadt Frankenberg ist uns mit einem Grundstück und dessen Erschließung sehr entgegengekommen", stellt Hans-Adam Ochse rückblickend fest.

1991: Werksumzug ermöglicht höheren Vorfertigungsgrad

Der Umzug des Unternehmens nach Frankenberg erfolgte im Jahr 1991, wo laut Fingerhaus heute eine der modernsten Fertighausproduktionen Europas befindet. Hans-Adam Ochse und Willi Schäfer wissen, dass es ursprünglich viel Skepsis gegenüber der Fertigbauweise, unter anderem bezüglich der Langlebigkeit, gab.

Nach und nach habe man sich aber einen Namen machen können, wobei sich ihrer Ansicht nach eine Festpreisgarantie, die trockene Bauweise oder auch die Option des Energiesparhauses als Vorteile erwiesen. "Wir haben immer daran gearbeitet, den Grad der Vorfertigung im Werk zu erhöhen", sagt Ochse.

Seit 2009 Komplettanbieter im Fertighausbau

Die Arbeit sei dadurch ergonomischer, präziser und könne im Trockenen erfolgen. Elektro- und Sanitäranlagen, teilweise auch Heizung und Armierungsputz, Dachteile etc. könnten ebenfalls in der Produktionshalle vorinstalliert werden, was die Arbeiten an der Baustelle erheblich verkürzt, die Qualität aber gleichzeitig verbessert habe.

Seit der Übernahme eines Kellerwerks 2009 ist Fingerhaus als Komplettanbieter mitsamt Treppenbau- und Haustechniksparte aktiv. 2014 erreichte man die Marke von 10.000 produzierten Fertighäusern.

Neue Geschäftsführung führt Industrie 4.0-Standards ein

Klaus Cronau und Mathias Schäfer sind die aktuellen Fingerhaus-Geschäftsführer. Foto: FingerHaus GmbH

Klaus Cronau und Mathias Schäfer sind die aktuellen Fingerhaus-Geschäftsführer. Foto: FingerHaus GmbH

Seit 2018 wird nach den technischen Standards der Industrie 4.0 mit hohem Automatisierungs- bzw. Digitalisierungsgrad gefertigt.

Heute beschäftigt das Unternehmen am Stammwerk in Frankenberg rund 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jährlich entstehen um die 700 Fertighäuser. Die Geschicke von Fingerhaus lenkt nach wie vor eine Doppelspitze.

Klaus Cronau und Mathias Schäfer übernahmen 2005 bzw. 2007 die Posten von Hans-Adam Ochse und Willi Schäfer. Letztere sehen in der bestehenden Aufteilung der Verantwortung auf einen technischen und einen kaufmännischen Geschäftsführer ein bewährtes Modell.

Nicht mehr nur mit Holz: Hybridbauweise in verdichteten Städten immer bedeutsamer

"Wir haben auch immer darauf geachtet, bei neuen Anforderungen ganz vorn in der ersten Reihe zu stehen, zum Beispiel unsere Wand weiterzuentwickeln oder bei regenerativen Energien Maßstäbe zu setzen", erklärt Ochse. Mit Sicherheit sei der Neustart in Frankenberg ein Fundament des heutigen Erfolges.

In Zukunft soll weiter in die Hybridbauweise investiert und dabei auch "experimentiert" werden. Ein wichtiger Faktor im Hausbau werden laut Hans-Adam Ochse die Großstadtnähe sein und damit eine verdichtete Bauweise sein. "Da wird FingerHaus am Ball bleiben, immerhin sind schon einige Projekte in Hybridbauweise realisiert worden", so der Senior optimistisch.

Neues Motto offenbart Zuversicht beim Fertighaushersteller

An Selbstvertrauen und Zuversicht in die eigene Leistungsfähigkeit mangelt es auch den heutigen Entscheidern beim Fertighaushersteller aus Frankenberg/Eder nicht.

QUELLEN UND VERWEISE:

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