Florian Hörtkorn (HS Karlsruhe): Junge Menschen brauchen Mentoren, die an sie glauben
Dr.-Ing. Florian Hörtkorn ist Professor im Fachgebiet Geotechnik an der Fakultät für Architektur und Bauwesen der Hochschule Karlsruhe (HKA). Die HKA bietet unter anderem einen trinationalen Bachelor-Studiengang Bauingenieurwesen (Schwerpunkte Konstruktiver Ingenieurbau, Wasserbau und Verkehrswesen) in Deutschland, Frankreich und der Schweiz an.
Die Fakultät für Architektur und Bauwesen verfügt über mehrere Labore sowie eine öffentliche Baustoffprüfstelle (ÖBP), deren Sprecher und technischer Leiter Florian Hörtkorn ist.
Herr Hörtkorn, was fordert Sie aktuell besonders in Ihrem Job?
Ich habe als Hochschulprofessor den Anspruch, meinen Studierenden eine bestmögliche Lehre zu bieten. Dabei ist es mir ein großes Anliegen, immer die ganze Gruppe "mitzunehmen". Seit einigen Semestern ist es extrem schwierig, diesem Anspruch gerecht zu werden. Das hat vor allem zwei Gründe.
Zum einen stoße ich angesichts mangelhafter Sprachkenntnisse vieler Studierenden an meine pädagogischen Grenzen. Um in den Lehrveranstaltungen verstanden zu werden, muss ich oft das Tempo drosseln und Dinge wiederholen. Hierdurch fehlt die Zeit an anderer Stelle.
Gleichzeitig fühlen sich einige Teilnehmende unterfordert. Diese Situation bereitet mir einigen Kummer, da ich all meinen Studierenden gerne gerecht werden möchte. Bislang habe ich in keiner der besuchten hochschuldidaktischen Weiterbildungen eine Lösung für dieses Problem gefunden.
Zum anderen hemmt die derzeit angespannte Finanzlage unserer Hochschule eine adäquate Lehre. Tatsache ist, dass oft schon für Kleinigkeiten das Geld fehlt. Dadurch verzögern sich notwendige Investitionen in die Gebäudesubstanz und technische Ausstattung. Zu einer guten Lehre gehören außerdem Exkursionen. Die dazu benötigten Gelder werden aber nicht bewilligt. Ich muss dann meine Kontakte in die Industrie nutzen und dort um Unterstützung bitten, was auf Dauer nicht besonders angenehm ist.
Viele Hochschulen wollen mit neuen, oft sehr spezifischen, Studiengängen attraktiver werden und konkurrenzfähig bleiben. Zwei Ihrer Kollegen an der Berner Fachhochschule sehen dabei die Gefahr einer "Kannibalisierung der klassischen Bauingenieurstudiengänge". Wie ist Ihre Meinung dazu?
Auch an unserer Hochschule spürt man diesbezüglich den Druck. Generell bin ich der Meinung, dass Bauingenieure möglichst breit ausgebildet werden sollten. Die hierbei erworbenen allgemeinen ingenieurmäßigen Grundkenntnisse bilden das Rüstzeug für einen erfolgreiche Karriere. Während der ersten Berufsjahre kann dann die individuelle Spezialisierung erfolgen. Dabei können und sollten erfahrene Mentoren eine wichtige Rolle spielen.
Ich möchte meine Studierenden als Menschen mit individuellen Neigungen betrachten und nicht als potenzielle Kandidaten, die meinen Studiengang füllen. Es liegt in meiner Verantwortung, dass niemand etwas studiert, was ihm oder ihr gar nicht liegt. Im Zweifel spreche ich auch schon mal Empfehlungen für eine andere Hochschule oder gar einen völlig anderen Bildungsweg aus, wenn ich der Meinung bin, dass es zum Wohle des Studierenden ist und er oder sie dort weiter kommt als bei uns.
Bitte beschreiben Sie Ihren bisherigen beruflichen Werdegang? Was hat Sie besonders motiviert, welche Höhepunkt gab es?
Ich habe von Haus aus eine gewisse Geschäftstüchtigkeit mitbekommen. Als Schüler habe ich schon einen kleinen Buchhandel betrieben, früh bin ich auch Lkw gefahren und habe so erste Erfahrungen im Baubereich gesammelt. Mein Vater hatte einen Elektrobetrieb. Hier durfte ich sowohl frühzeitig handwerkliche auch organisatorische Tätigkeiten übernehmen, was auch immer entlohnt wurde. Bis heute profitiere ich von diesen frühen Arbeitserfahrungen.
Während meines Studiums an der Universität Karlsruhe, dem heutigen Karlsruher Institut für Technologie KIT, wuchs mein Interesse für die Geotechnik. Nach dem Diplom-Abschluss habe ich zunächst in der freien Wirtschaft Praxiserfahrungen gesammelt. Nach einigen Jahren zog es mich dann in die Wissenschaft. An der Universität Kassel hat mein Doktorvater Professor Hans-Georg Kempfert, ein sehr unterstützender und zugleich fordernder Lehrer, das Maximum aus mir herausgekitzelt, wofür ich ihm bis heute sehr dankbar bin.
Nach der sehr intensiven und theorielastigen Zeit in Kassel folgten bis 2019 elf Jahre voller spannender Bergbauprojekte. Schauplatz war der afrikanische Kontinent. Etwas fachfremd zwar, konnte ich mir dennoch dank meiner in Deutschland genossenen fundierten Ausbildung in den Bereichen Bodenmechanik und Grundbau einen Namen machen. Vom Kongo bis nach Südafrika war ich ein gefragter und geschätzter Ansprechpartner.
Der Ruf der Hochschule Karlsruhe kam dann für mich sehr überraschend. Das war kurz vor der Corona-Pandemie. Auf einmal fand ich mich mit meiner Frau, unseren drei Kindern im Teenager-Alter und fünf Hunden in einem Einfamilienhaus in der schwäbischen Heimat wieder. Das war im Vergleich zu unserem Wohnumfeld in Afrika sehr beengt und unter den gegebenen Umständen kein Spaß. Zum Glück ist diese Zeit überwunden und wieder ein normales Leben und Arbeiten möglich.
Als Hochschulprofessor bereitet es mir große Freude, mein Wissen an die nächste Generation weiterzugeben. Erst in diesem Beruf habe ich gemerkt, wie groß mein Kenntnis- und Erfahrungsschatz tatsächlich ist. Gerne nutze ich auch mein internationales Netzwerk, um den Studierenden ein Praktikum oder ein ganzes Semester im Ausland zu ermöglichen.
Welche Wege sollten Unternehmen in punkto Personalgewinnung gehen bzw. wie lässt sich der Nachwuchs in der Baubranche sichern?
Viele Unternehmen wenden sich bei der Personalsuche bereits unmittelbar an die Hochschulen, so auch bei uns. Ich bekomme viele Praktikums- und Stellenangebote, um sie unter den Studierenden publik zu machen.
Diese aktive und frühzeitige Kontaktaufnahme ist heute definitiv geboten. Es herrscht ein absoluter Bewerbermarkt. Wenn man den jungen Menschen dann auf Augenhöhe begegnet und ihnen Vertrauen schenkt, hat man gute Chancen auf einen späteren loyalen Mitarbeitenden.
Im angelsächsischen Raum ist es diesbezüglich gang und gäbe, dass man junge Menschen auch finanziell frühzeitig fördert. Das hat unter anderem auch mit den hohen Studiengebühren zu tun und ist in etwa mit einer dualen Ausbildung bzw. einem dualen Studium vergleichbar.
Die Idee, auf diese Weise Talente schon sehr früh zu entdecken und dann zielgerichtet zu fördern, finde ich sehr gut. Ich habe es selbst erlebt, wie das Gefühl, dass jemand an mich glaubt, meine Potenziale erst so richtig zutage gefördert hat.
Durch ein solches Mentoring baut man neben Vertrauen auch eine enge Bindung auf, was bei der späteren Übernahme von Verantwortung oder gar einer Geschäftsführung nur von Vorteil sein kann.
Bitte vervollständigen Sie den Satz: Um erfolgreich zu planen und zu bauen kommt es in Zukunft darauf an, dass...
…sich zum einen die Baubranche im Allgemeinen vom Billigheimer-Prinzip verabschiedet. Dadurch ließe sich nicht zuletzt so manche Rechtsstreitigkeit vermeiden.
Zum anderen müssen wir es im Besonderen als Geotechniker schaffen, unsere Disziplin frühestmöglich in den Planungsprozess einzubinden und solange dabei bleiben, bis wir mit dem jeweiligen Bauprojekt buchstäblich aus dem Boden sind. Eine isolierte geotechnische Betrachtung und Gutachtenbeauftragung ist nicht zielführend. Es braucht vielmehr Vernetzung, Offenheit und eine klare Kommunikation.
Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?
Ich wünsche mir, dass die Arbeit in den öffentlichen Verwaltungseinrichtungen und Ämtern attraktiver und damit für technisch versierte Fachleute, darunter Bauingenieure und Bautechniker, interessanter wird.
Dazu gehören gute materielle Rahmenbedingungen, wie eine moderne technische Ausstattung und ein ansprechendes Arbeitsumfeld, ebenso wie die Möglichkeit, sich aktiv und erfolgreich in Veränderungsprozesse einbringen zu können.
Momentan sind die Verwaltungen aus meiner Sicht sowohl materiell als auch personell nicht in der Lage, ihre Aufgaben in der gebotenen Qualität und Schnelligkeit auszuführen. Es muss die verlorengegangene Kompetenz wieder aufgebaut werden. Anstelle von Paragraphenreitern mit reiner verwaltungsrechtlicher Ausbildung braucht es kompetente technische Ansprechpartner, die Entscheidungen auf Basis fundierter fachlicher Kenntnisse treffen.
Neben der Verwaltung sehe ich auch schon vorher, nämlich bei der Gesetzgebung bzw. Entstehung von gesetzlichen Regelwerken, Verbesserungsbedarf. Einzelne Punkte werden hier oft nicht zu Ende gedacht und aufeinander abgestimmt. Die neue Mantelverordnung ist ein Beispiel dafür. Das Ziel ist ehrbar, aber die Umsetzung handwerklich fehlerhaft. Wären in solchen Prozessen mehr Bauingenieure und Techniker am Werk, würden zweifelhafte Inhalte mit Sicherheit schneller infrage gestellt und dadurch weniger unausgegorene Gesetzesvorlagen fabriziert.
Wie sieht Ihre individuelle Weiterbildung aus?
Ich lerne viel durch die Betreuung der Arbeiten meiner Studierenden oder auch durch Anfragen aus der Industrie. Dadurch komme ich regelmäßig mit neuen Themen in Berührung, wie aktuell der Mantelverordnung oder auch neuen Normengenerationen. Das motiviert mich, mir durch Eigenstudium und Fortbildungen weitere Kenntnisse anzueignen. Denselben Effekt hat für mich die Mitarbeit an Fachpublikationen und in Fachgremien, wie zum Beispiel den Ausschüssen des DIN-Instituts oder der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft DWA.
In meinem Fachgebiet der Geotechnik sind Veranstaltungen mit hoher Reputation, wie die Baugrundtagungen der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik, kurz DGGT, für mich Pflicht. Hilfreich ist dabei auch immer wieder der Besuch von Fachmessen, wie der bauma oder der IFAT, um die Entwicklungen in der Praxis zu verfolgen und vor allem gerätetechnisch up to date zu sein.
Wofür begeistern Sie sich nach Feierabend?
Ich habe mich seit meiner Jugend über mehrere Jahre beim Katastrophenschutz und der humanitären Hilfe, sowohl im technischen als auch im medizinischen Bereich, engagiert. Das möchte ich künftig gerne wieder verstärkt tun und ich habe damit auch bereits begonnen.
Darüber hinaus bin ich sehr gerne mit dem Motorrad unterwegs. In Afrika habe ich auf diese Weise viele Länder bereist und es genossen, möglichst einfach im Hostel zu übernachten und nah an der Landschaft und den Menschen zu sein.