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Geld und Zeit im Bauingenieurwesen – alles fließt

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 19. Apr. 2023
Kategorie:

So vielfältig wie die Einsatzmöglichkeiten von Bauingenieur:innen ist auch die Struktur der gezahlten Gehälter und sonstigen Arbeitsbedingungen. Je nachdem, ob man für ein Planungsbüro, ein Bauunternehmen oder im öffentlichen Dienst arbeitet, gelten unterschiedliche tarifliche Regelungen. Gleichzeitig sind in der freien Wirtschaft auch immer individuelle außertarifliche (AT) Vereinbarungen möglich.

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Bild 1: Die tariflichen Gehälter der privaten Bauwirtschaft und des öffentlichen Dienstes liegen nicht sehr weit auseinander. Grafik: bauingenieur24

Tarifverträge geben Orientierung über Gehalt und Arbeitszeit

Als generelle Orientierung für Berufseinsteigende bzw. nicht selbstständig Beschäftigte können die einzelnen Tarifverträge dienen. Sie geben Auskunft über allgemeingültige Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Kündigungsschutz und Entgelteingruppierung (Rahmentarifvertrag) sowie die jeweils gültigen Gehaltssätze (Gehaltstarifvertrag).

Die Laufzeit der Tarifverträge beträgt i. d. R. ein bis zwei Jahre. Wer in einem Ingenieurbüro tätig ist, kann den Tarifvertrag für die Angestellten, Auszubildenden und Praktikanten in Ingenieur-, Architektur- und Planungsbüros zur Grundlage des Arbeitsverhältnisses machen. Dazu bedarf es keiner Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband selbständiger Ingenieure und Architekten (ASIA), welcher den Tarifvertrag regelmäßig mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verhandelt.

Für Bauingenieur:innen in den Bauunternehmen ist der Tarifvertrag für Angestellte und Poliere des Baugewerbes maßgebend. Er gilt für alle Betriebe des Baugewerbes innerhalb Deutschlands. Zudem gibt es zwei unterschiedliche Gehaltstarifverträge (Ost, West). Die zuständige Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) gibt auf Nachfrage Auskunft über den jeweils gültigen Tarifvertrag.

Im öffentlichen Dienst werden Bauingenieur:innen z. B. in Planungs- und Bauämtern oder in div. öffentlichen Versorgungsbetrieben wie Stadtwerken oder Wasserwerken benötigt. Wie alle Arbeitnehmer:innen im öffentlichen Dienst werden sie auf der Grundlage von Tarifverträgen beschäftigt. Die seit 2021 aktive Autobahn GmbH – eine der größten öffentlichen Arbeitgeberinnen für Bauingenieur:innen – hat einen eigenen Haustarifvertrag (TV-Autobahn). Es gilt entweder der allgemeine Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder ein an den TVöD angelehnter Tarifvertrag. Je nach Arbeitgeber:in gibt es spezielle Regelungen für Bund (TVöD-Bund), Länder (TV-L) und Kommunen (TVöD-VKA) sowie das Bundesland Hessen (TV-H).

Erfahrung und Spezialisierung bestimmen Einkommenshöhe

In der freien Wirtschaft richtet sich das Einstiegsgehalt laut den Tarifverträgen nach der jeweiligen Tätigkeit sowie der individuellen Ausbildung und Berufserfahrung. Im öffentlichen Dienst ist nach wie vor der Berufs- bzw. Studienabschluss das entscheidende Kriterium für die Eingruppierung. Ein:e erfahrene:r Bauingenieur:in mit besonderen Fachkenntnissen erhält bspw. bei einer Neueinstellung in einem Planungsbüro aktuell ein monatliches Tarifgehalt von mindestens 4.299,00 Euro (Gehaltsgruppe IA 2). In einem Unternehmen des Baugewerbes verdient eine Person mit ähnlicher Qualifikation in der Gehaltsgruppe A VI mindestens 4.143,00 Euro (Ost). Im öffentlichen Dienst der Bundesländer ist derzeit für eine vergleichbare Position ein Bruttoentgelt von 4.385,28 Euro (Entgeltgruppe E 13, Stufe 2) pro Monat vorgesehen (Bild 1).


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Attraktive Arbeitgeber
im Bauingenieurwesen


Unabhängig von den tariflichen Vorgaben, welche immer ein Mindestgehalt vorgeben, stellt sich die Frage, wie viel ein:e Bauingenieur:in in Deutschland maximal verdienen kann. Die Beantwortung dieser Frage ist nicht leicht, da das individuelle Gehalt von vielen Faktoren abhängt. Und auch wenn man vermeintlich ähnliche Arbeitgeber:innen miteinander vergleicht, können die Unterschiede aufgrund der Region, der fachlichen Spezifikation und nicht zuletzt der persönlichen Eignung und Vermarktung groß sein.

Berufsgruppe tauscht sich in Internetforen aus

Fakt ist: Ein besonders hohes Gehalt ist durchaus auch mit einem Abschluss im Bauingenieurwesen erreichbar, i. d. R. aber wohl eher die Ausnahme. Jedes Bauprojekt verursacht Kosten in mehreren Bereichen. Die Planung und spätere Bauleitung bzw. Bauüberwachung als originäre Aufgaben der Bauingenieur:innen sind nur zwei davon, wenngleich sie sehr entscheidend sind.

Eine Ahnung von dem, was das sprichwörtliche Ende der Fahnenstange beim Thema Gehalt sein kann, geben einschlägige Internetforen, darunter das Fachforum des Berufsportals bauingenieur24. Hier geben Nutzende in großer Zahl ihre persönliche Situation wieder. Ein aktuelles Beispiel daraus: Ein Bauingenieur verdient als Betriebsleiter eines mittelständischen Unternehmens nach eigener Aussage 77.000 Euro brutto im Jahr (inkl. Dienstwagen und 30 Tage Urlaub). Ein Geschäftsinhaber gibt wiederum an, seinem angestellten Bauingenieur mit FH-Diplom über 5.000 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche zu zahlen.

Arbeitszeit laut Umfrage immer wichtiger

In die Diskussion um das Thema Gehalt mischt sich zunehmend der Aspekt der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Bislang sind 40-Stunden-Wochen, also Vollzeitjobs, bei 30 Tagen Urlaub die Regel. Hinzu kommen jedoch, gerade bei leitendenden Tätigkeiten in der Bauausführung, reichlich Überstunden.

Laut einer Umfrage von bauingenieur24 sprechen sich 63 Prozent der Befragten für weniger Arbeitszeit aus. Vor diesem Hintergrund werden Arbeitgeber:innen im Bauingenieurwesen, egal ob privatwirtschaftlich oder öffentlich, vor allem dadurch attraktiver, dass sie ihre bisherigen Arbeitszeitmodelle anpassen. Bewerbende sind heute gut beraten, die Arbeitszeit jenseits alter Gewohnheiten aktiv neu zu verhandeln und damit in einem Unternehmen oder einer Behörde im wahrsten Sinne die Zeitenwende in der Arbeitswelt zu beschleunigen.


(Dieser Beitrag ist in der Ernst & Sohn Sonderpublikation "Attraktive Arbeitgeber im Bauingenieurwesen" im April 2023 in gedruckter Form erschienen.)