Gerichtsgutachten: Ablehnung wegen Befangenheit selten
Baumangel macht oft neutrales Gutachten erforderlich
Wenn es um die Frage geht, ob eine Baufirma mangelhaft gearbeitet hat, erscheint regelmäßig ein Sachverständiger auf der Bildfläche. Das ist spätestens dann der Fall, wenn der Auftraggeber Mängel rügt, der Bauunternehmer diese Mängel bestreitet und dann eine der Parteien entweder klagt oder ein selbstständiges gerichtliches Beweisverfahren einleitet.
Ein gerichtlicher Gutachter hat selbstverständlich neutral zu sein. Ist ein Gutachten nicht ausreichend neutral, kann die benachteiligte Partei den jeweiligen Urheber wegen Befangenheit ablehnen. Anwälte bemühen dieses Stilmittel für ihre Mandanten bisweilen, wenn sich das Verfahren inhaltlich ungünstig entwickelt.
Die Gerichte sind mit derartigen Ablehnungen allerdings sehr zurückhaltend. Insoweit ist es nicht immer taktisch günstig, ein Ablehnungsgesuch gegen einen Gerichtsgutachter einzureichen. Sollte selbiges scheitern, ist der Sachverständige natürlich weiterhin verpflichtet, völlig neutral zu begutachten.
In der Praxis ist allerdings schon auch festzustellen, dass mancher Gutachter der betreffenden Partei ein Ablehnungsgesuch übelnimmt und das diese Partei dann auch spüren lässt (idealerweise nur so weit, dass ihn diese Partei nicht deshalb tatsächlich begründet für befangen erklären kann).
OLG Köln urteilt zu Ablehnung von Gutachtern
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln (Beschluss vom 4.6.2024, 16 G 16/24) hat jetzt herausgearbeitet, welche Voraussetzungen (nicht) zu einer Ablehnung eines Gerichtsgutachters führen:
- Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.
- Das Verfahren der Ablehnung eines Sachverständigen ist nicht dazu bestimmt, zu überprüfen, ob die Verfahrensweise des Sachverständigen im Rahmen der Begutachtung oder ein Gutachten zutreffend ist oder nicht. Etwas anderes kann nur bei schwerwiegenden Verstößen eines Sachverständigen gegen zwingende gesetzliche Vorschriften gelten (hier verneint).
- Soweit die fachliche Eignung des Sachverständigen angezweifelt wird, vermag dies den Vorwurf der Befangenheit nicht zu begründen. Die fachliche Qualifikation des Sachverständigen ist ein Umstand, der beide Parteien in gleichem Maße betrifft. Selbst wenn die Feststellungen des Sachverständigen sich an einem Punkt als nicht haltbar herausstellen sollten, oder gar als grob fehlerhaft, würde dies keinen hinreichenden Anlass für die Besorgnis, dass die fehlerhafte Feststellung bewusst zu Lasten einer Partei getroffen worden ist, darstellen.
Praxiserfahrung: Gerichte bezüglich Befangenheit oder Unfähigkeit zurückhaltend
Das Gericht unterscheidet hier durchaus feinfühlig: Eine Befangenheit kann allenfalls vorliegen, wenn durch das Verhalten des Sachverständigen eine der Parteien benachteiligt wird. Interessant ist in diesem Zusammenhang der dritte Leitsatz. Er sagt klar, dass, wenn der Gerichtsgutachter „nur“ fachlich ungeeignet ist, die entsprechende Materie zu untersuchen, keine Befangenheit vorliegt, weil dadurch beide Parteien gleichermaßen benachteiligt werden (jedenfalls theoretisch - es kann durchaus sein, dass eine Partei dadurch doch mehr als die andere benachteiligt wird).
Dennoch ist eine Partei eines Verfahrens in diesem Fall nicht völlig schutzlos einem unfähigen Gutachter ausgeliefert. Hier hilft – jedenfalls wieder theoretisch – eine entsprechende Eingabe bei Gericht, dass der Gutachter offenkundig keine ausreichenden Fachkenntnisse hat. Allerdings ist auch in diesem Fall zu beachten: Gerichte geben auch solchen Eingaben erfahrungsgemäß nur sehr spärlich statt.