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Hans-Jürgen Johannink (DVLV): Die Infrastruktur darf nicht im Hauruckverfahren erneuert werden

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 3. März 2023
  • Digitaler Zwilling des Untergrunds für Lärmschutzbau wichtiger als digitales Baumodell
  • Teilen von Wissen und Informationen ist Grundvoraussetzung für attraktiven Arbeitsplatz
  • Struktur der Autobahn GmbH erschwert technische Erneuerungen

Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Johannink

Hans-Jürgen Johannink ist Geschäftsführer des Deutschen Verbandes für Lärmschutz an Verkehrswegen (DVLV). Der Verband setzt sich seit 2012 unter anderem für einheitliche Standards im bundesweiten Lärmschutzbau entlang der Schienen und Straßen ein.

Zu den Mitgliedern des Verbands zählen sowohl Ingenieur- und Planungsbüros, Hersteller als auch ausführende Unternehmen im Bereich Lärmschutz. Der DVLV versteht sich als Moderator und Ansprechpartner gegenüber Behörden, Ministerien und öffentlichen Auftraggebern.

Johannink
Dipl.-Ing. Hans Jürgen Johannink führt seit 2018 die Geschäfte des Deutschen Verbandes für Lärmschutz an Verkehrswegen (DVLV e.V.). Foto: DVLV

Herr Johannink, was fordert Sie aktuell besonders in Ihrem Job?

Derzeit organisieren wir gemeinsam mit der VDEI-Akademie (VDEI - Verband Deutscher Eisenbahningenieure, Anm. d. Red.) die alle zwei Jahre stattfindenden Münchener Verkehrslärmschutztage an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München.

Diese Veranstaltung ist für uns eine der wichtigsten, denn hier können sich unsere Mitgliedsfirmen - und auch jene die es noch nicht sind – mit ihren neusten Produkten, ihrem technischen Knowhow und ihrer Leistungsfähigkeit im Lärmschutzbau präsentieren. Es sind darunter Hersteller, Ingenieurbüros und Bauunternehmen.

Mit unserem Fachgremium "Straße" erarbeiten wir gerade mit dem Deutschen Institut für Normung, kurz DIN, in Berlin gemeinsam ein neues "Standartleistungsbuch Bau" speziell zum Thema Lärmschutzbau. Wir wollen damit die zukünftigen Anforderungen im Bereich der Ausschreibung von Bauleistungen im Bereich Lärmschutzbau – auch im Hinblick auf BIM – festhalten und klarstellen. Zu dieser Zusammenarbeit kam es, nachdem uns eine DIN-Mitarbeiterin auf der Fachausstellung "Straßen und Verkehr 2022" der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, kurz FGSV, in Dortmund an unserem Stand angesprochen hat. Hier sieht man, dass solche Branchentreffen nach wie vor Sinn machen.

Wir suchen generell und fortlaufend als Verband den Kontakt zu den einzelnen Urhebern bautechnischer Regelungen, ob nun das DIN, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, die Bundesanstalt für Straßenwesen oder die FGSV, damit nicht an uns und damit an der Baupraxis vorbei geregelt wird.

Ein weiteres ständiges Anliegen ist es, den Lärmschutzbau aus seinem Schattendasein zu holen und nicht als bloßes Anhängsel zum Straßen- oder Brückenbau wahrgenommen zu werden. Dadurch können hoffentlich Ausschreibungen in der Zukunft weniger halbherzig und mit mehr technischem Knowhow erfolgen. Aktuell herrscht immer noch viel Unwissen. Gerade im kommunalen Sektor fehlt es diesbezüglich nicht selten an Allem. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass der Standardleistungskatalog Lärmschutz, dessen Form und Inhalte noch aus dem analogen Zeitalter stammen, noch in diesem Jahr überarbeitet werden soll.

Nicht zuletzt ist die stetige Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit dem größten Auftraggeber im Lärmschutzbau, der Deutschen Bahn, zu erwähnen. Hier gab es vor unserer Zeit große Probleme, weshalb sich vor etwas mehr als zehn Jahren unser Verband gegründet hat. Gemeinsam diskutieren wir technische Probleme und Fragestellungen und erörtern die aktuellen DB-Standards und etwaige Veränderungen, die dann, einmal zentral beschlossen, bundesweit gelten.

Stichwort BIM: Auf Bundesebene sollte BIM im Infrastrukturbereich ja eigentlich schon Standard sein. Sind die Ausschreibungen für den Lärmschutzbau bislang noch von der BIM-Pflicht ausgenommen?

Das eine ist der politische Wille und das andere das wirkliche Leben und die Realität. Das sind für mich zwei Paar Schuhe. Die politischen Vorgaben werden ja selbst von der Verwaltung nicht erfüllt. Ich höre von unseren Mitgliedsfirmen, dass man sich hier heute noch über Strichstärke und Farbe in den Bestandsplänen unterhält. Und das in jedem Bundesland übrigens auch anders. Also da ist noch ganz viel Luft nach oben bzw. wir sind noch ganz am Anfang.

Derzeit liegt im Übrigen der Mehrwert einer BIM-Planung noch hauptsächlich bei den Bauherren, da diese eine bessere Dokumentation dessen erhalten, was sie bauen möchten bzw. gebaut haben. Das Bauunternehmen, welches vor Ort die Lärmschutzwand baut, benötigt diese Detailtiefe eigentlich nicht, zumal wir in unserem Bereich seit jeher über einen hohen Grad der Vorplanung und Vorfertigung verfügen.

Lärmschutzwände sind in der Regel lange Linienbaustellen für die es von besonderer Bedeutung ist zu wissen, wie der Untergrund beschaffen ist, damit wir die nötigen punktuellen Tiefengründungen einbringen können, ohne zum Beispiel vorhandene Leitungen etc. zu beschädigen. Wir bräuchten also erstmal eine Digitalaufnahme bzw. einen digitalen Zwilling des Untergrunds um sicher planen zu können.

Wie lange sind Sie schon in der Branche tätig und warum? Was war Ihr bisheriger beruflicher Höhepunkt?

Mein Vater hatte ein Bauunternehmen, ich bin also auf dem Bau groß geworden und der weitere Weg war dadurch ein Stück weit vorgezeichnet. Es konnte also nur was mit Bauen aus mir werden, obwohl ich auch noch andere Interessen hatte. Auch habe ich mich mit der Mathematik immer gequält, weshalb ich kein Statiker geworden bin.

Stattdessen habe ich während meines Bauingenieurstudiums durch meinen Professor und Mentor Horst Dieter Supe zur Baubetriebslehre gefunden und mich darin verliebt. Ich habe gemerkt, das ist mein Ding: VOB, Bauabrechnung, Nachtragswesen. In diesem Bereich gab es viel Neues und wir haben kurzerhand das Institut für Nachtragsmanagement, Abrechnung und Baubetriebsberatung, kurz INA-Bau, gegründet. Bis heute bieten wir selbst entwickelte Bausoftwarelösungen und Weiterbildungsseminare an.

Meine erste Festanstellung hatte ich im Stahlhochbau. Anschließend habe ich mehrere Jahre im Lärmschutzbau an Straße und Schiene als Bauleiter gearbeitet. 1999 folgte die Selbstständigkeit als beratender Ingenieur. Das INA BAU wurde dabei weiter auf- und ausgebaut.

Seit dieser Zeit war ich unter anderem auch 16 Semester an der TH OWL als Lehrbeauftragter für Baubetriebslehre und Nachtragsmanagement sowie weitere Semester an der Fachhochschule Bielefeld für das Fachgebiet Bauorganisation tätig. Seit Anfang 2018 bin ich beim DVLV e.V. als Geschäftsführer angestellt und führe verantwortlich die Verbandsgeschäfte.

In all dieser Zeit gab es nicht nur einen Höhepunkt, das wäre ja auch langweilig gewesen. Ich war unter anderem für große Lärmschutzbaustellen verantwortlich. An der Schiene beispielsweise bei einer Neubaustrecke nach Berlin. Im Straßenbau war ein ganzes Autobahnkreuz im Rahmen einer 24-Stunden-Baustelle in der Nähe von Braunschweig dabei. Diese Aufgaben teilweise nur mit einem Technikerkollegen an der Hand zu einem technischen und wirtschaftlichen Erfolg zu führen, war eine große Freude. Das erfüllte mich schon mit etwas Stolz.

Viel Freude hat mir auch immer das gemeinsame Arbeiten mit jungen Menschen an den Hochschulen gemacht. Die waren dankbar und haben sehr aufmerksam gelauscht, wenn ich ihnen aus der täglichen Praxis berichtet habe.

Die Arbeit als Verbandsvertreter ist sehr speziell und man kann dies auch nicht in einem Studium erlernen. Der Umgang mit den vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen und aus verschiedenen Institutionen ist nicht nur eine große Herausforderung. Bisweilen erschließen sich vielmehr für mich dabei auch vollkommen neue Horizonte, die mein Leben extrem bereichern und auch sehr spannend machen.

Wenn die Verbandsgeschäfte, wie zum Beispiel unsere Tagungen und weiteren Veranstaltungen, gut laufen und wir den Eindruck gewinnen unseren Mitgliedsfirmen einen guten Dienst erwiesen zu haben, dann ist auch das jedes Mal ein Höhepunkt unserer Arbeit.

Jenseits von Erfolg und guter Leistung im Team oder im Verband gab es für mich persönlich noch einen ganz besonderen "Höhepunkt" in meiner Karriere. Kurz nach der Wende hielt ich als junger selbständiger Ingenieur mein allererstes Seminar als alleiniger Referent zum Thema "Nachtragsmanagement bei VOB Einheitspreisverträgen" vor vielen, zumeist älteren Ingenieurkollegen und -kolleginnen. Meine Nervosität und Informationsflut waren grenzenlos. Ich habe versucht, mein gesamtes über die Jahre angesammeltes Wissen an einem Tag weiterzugeben.

Als ich dann nach der Veranstaltung den Saal verlies und in der Tiefgarage mein Wagen wartete, war das ein wunderbares Gefühl. Ich bin ein wenig über den Boden geschwebt und dachte bei mir: "Elvis has left the Building". Die Erinnerung an dieses Erlebnis hat mir hinterher immer wieder den Mut gegeben, Dinge zu tun, die man noch nie zuvor gemacht hat.

Wie können Bauunternehmen und andere Arbeitgeber im Baubereich das Bauingenieurwesen attraktiv (mit-)gestalten und damit ihr Personal sichern?

Zu meiner Zeit wurde man als junger Bauingenieur eher klein gehalten. Vorgesetzte und Chefs wollten immer die Schlausten sein. Sie merkten dabei nicht, dass ihre Mitarbeiter dadurch zu kurz kamen und zunehmend unzufrieden waren, was letztlich dem Unternehmen schadete. Diese Art der Betriebsführung ist ein klares Auslaufmodell, denn so bekommt man keine jungen Leute mehr. Die sind inzwischen auch viel zu selbstbewusst, was gut ist.

Gut beraten sind Firmeninhaber, die wissen, was sie nicht können und dann gezielt jemanden dafür einstellen. Ein Sprichwort lautet: Der Kluge sucht nicht den Weg, er fragt danach. Mein Eindruck ist, dass sich viele Unternehmensinhaber vor lauter Stolz nicht trauen, beispielsweise Kollegen nach dem Weg zu fragen. Als selbstständiger beratender Ingenieur mache ich oft nichts anderes, als Fragen zu stellen, um einem Problem auf den Grund zu gehen. Das lässt sich auch auf die Unternehmens- und Personalführung übertragen.

Gerade die kleinen und mittelständischen Firmen müssen heute dafür Sorge tragen, dass die Rahmenbedingungen und die Ausstattung des Arbeitsplatzes keine Wünsche offenlassen und auch keine großen Unterschiede nach dem Motto "Der eine kriegt ein billiges, der andere ein teures Handy" mehr gemacht werden.

Der Dienstwagen ist hier auch ein gutes Beispiel für eine unnötige Hierarchisierung oder Abstufung. Warum braucht der Chef, der kaum noch das Büro verlässt und wegfährt, den schwersten Wagen? Als junger Bauleiter musste ich mit einem alten untermotorisierten VW Passat ohne Klimaanlage 70.000 Kilometer im Jahr durch die Weltgeschichte jagen. Am Ende war mein Rücken kaputt.

Heute muss eine vernünftige Büroausstattung im Homeoffice dazukommen. An solchen Dingen dürfen Unternehmen nicht sparen. Sie würden ja auch nicht den billigsten Bagger kaufen. Ein berechtigt und angemessen hoher Standard muss vor allem bei der Belegschaft gelten. Am Ende werden die Menschen sonst nur krank durch die Arbeit, obwohl sie eigentlich Freude bereiten soll.

Neben der materiellen muss auch die fachliche Ausstattung stimmen. Zu meiner Zeit war es leider so, dass Fachliteratur nicht gleich zur Verfügung stand, wenn man sie brauchte. Die VOB verstaubte beim Chef im Regal und man musste sie sich als Bauleiter extra holen. Sofern man überhaupt wusste, dass es diese im Haus gab. Das darf natürlich überhaupt nicht sein. Das selbstverständliche Teilen von Wissen und Informationen ist für mich heute Grundvoraussetzung für einen attraktiven Arbeitsplatz.

Es ist meines Erachtens ebenso wichtig, den jungen Menschen, die noch vor der Berufswahl stehen, die Vielfalt und die Möglichkeiten eines Bauingenieurstudiums zu vermitteln. Es ist eben nicht nur reine Mathematik, sondern sehr viel mehr. Als Student hätte ich das damals nie gedacht, welche Möglichkeiten sich mir als Bauingenieur bieten. Aber wie heißt es so schön: "Dem Inschinör is nix zu schwör!"

Bitte vervollständigen Sie den Satz: "Um erfolgreich zu planen und zu bauen kommt es in Zukunft darauf an, dass..."

... die Regelungswut in unserem Land und in Europa eingedämmt wird und wir uns sowohl für Planen und Bauen genügend Zeit nehmen.

Wer versucht, alles im Detail zu regeln, regelt am Ende nichts mehr. An dem Punkt sind wir gerade, das merken wir im Lärmschutzbau ganz extrem. Damit meine ich nicht, die erkämpften Rechte Dritter wieder zu beschneiden. Mir geht es vorrangig um technische Regelwerke, die momentan beispielsweise von der Verwaltung unnötigerweise nochmals um weitere technische Vorschriften ergänzt werden.

Die in den letzten Jahrzehnten heruntergewirtschaftete Infrastruktur in unserem Land kann und darf zudem nicht im Hauruckverfahren und à la Copy-and-Paste erneuert werden. Hier braucht es eine wirklich gute Planung und damit Zeit. Man denke hier an Konrad Adenauer, der zu seinem Chauffeur sagte: "Fahren Sie langsam, ich hab's eilig!"

Ich sehe leider eine große Gefahr, dass einfach drauflosgebaut wird, ohne Reflexion und Vier-Augen-Prinzip. Natürlich werden wir dann politische Wunschvorstellungen nicht erfüllen. Aber ganz ehrlich gesagt, ist mir das als Techniker, pardon, scheiß egal.

In welche Technik investiert die Branche des Lärmschutzbaus? Wie digitalisiert sind die jeweiligen Unternehmen und Akteure dabei?

Wir haben 2019 eigens einen „Arbeitskreis BIM“ gemeinsam mit der DB Netz AG ins Leben gerufen und seit dieser Zeit ein Ar­beitspapier für die Attributierung von BIM‐Modellen im Lärm­schutzwandbau erarbeitet. Dieses Modell basiert auf den bisher entwickelten Vorgaben der DB und wurde von uns systemneutral aufgebaut, das heißt, es kann für Straßen und Bahnanlagen glei­chermaßen ohne weitere Anpassungen verwendet werden. Unsere größeren Mitgliedsunternehmen sind hier zum Teil schon recht weit. Ansonsten wird alles an sinnvoller moderner Technik genutzt, was auf dem Markt erhältlich ist, um die Arbeitsprozesse im Lärmschutzbau zu erleichtern, die Qualität zu verbessern und Bauzeiten zu minimieren.

Generell muss man sagen, dass ein Betonwerk oder ein Hersteller von Aluminiumelementen heute keine kleinen Klitschen mehr sind, sondern hochgradig durchorganisierte Industriebetriebe mit einem sehr hohen technischen und organisatorischen Anspruch. Ich habe früher noch erlebt, dass ein Betonwerk eine Lärmschutzwand spiegelverkehrt betoniert hat. Die musste komplett geschreddert werden. Das könnte sich heute keiner mehr leisten.

Im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit spielt der Rückbau alter Lärmschutzwände und -anlagen zunehmend eine große Rolle. Planung und Produkte müssen sich in diese Richtung entwickeln. Das passiert auch schon. Als Verband leben wir hier den oben geforderten Wissenstransfer, zum Beispiel durch ehrenamtliche und unabhängige Referatstätigkeiten von einzelnen Mitgliedern, die zum Beispiel als Planungsbüro auf diesem Gebiet über eine Menge Expertise verfügen.

Es wird auch immer mehr begrünte Lärmschutzwände geben und solche mit Photovoltaikanlagen. Allerdings ist das nicht immer und überall technisch machbar. Aktuell ist eine Nachhaltigkeitsnorm auf europäischer Ebene in Planung. Ich hoffe, dass hier nicht nur mehr Pflichten für den Unternehmer entstehen sondern möglichst sinnvolle und wirklich effiziente Regelungen, die nicht nur Papierkörbe und Aktenschränke füllen.

Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?

Lärmschutz ist als Umwelt‐ und als Gesundheitsschutz gesellschaftspolitisch bedeutsam. Wir als Verband wollen, dass die politischen Vertreter dieses wichtige Thema stetig im Blick haben und die notwendigen Haushaltsmittel dafür regelmäßig und verlässlich zur Verfügung stellen.

Die Anzahl der Fachfirmen für den baulichen Lärmschutz ist überschaubar. Die Kapazitäten sind also begrenzt. Somit hilft viel Geld nicht immer viel. Es wäre aber schon gut, wenn das Geld, was vorgesehen ist, auch ankommt. Vor zwei Jahren sind beispielsweise Gelder für die Bahn vom Bund nicht freigegeben worden. Es fehlten Verpflichtungsermächtigungen, die internen Verwaltungsprozesse haben also nicht funktioniert. Dadurch fehlten plötzlich 60 Millionen Euro Umsatz, auf welchen sich die Firmen nicht nur monetär sondern auch personell eingestellt hatten.

Mir fehlt häufig die Transparenz politischer Entscheidungen. Warum werden Gelder oder auch Sondervermögen erst zugesagt und dann nicht ausgezahlt? Das wird einem nicht erklärt. Oft hätte man es auch einfach gerne mit Fachleuten zu tun, die wissen, wo im Bau der Schuh drückt. Ministerien werden so besetzt, dass die Gleichstellung und noch viele andere Dinge berücksichtigt sind, aber das Fachgebiet nicht unbedingt. Im Falle der neuen Bundesministerien für Digitales und Verkehr sowie für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hatte ich vor diesem Hintergrund und der letzten Jahrzehnte keinerlei Erwartungen. Und die sind auch nicht enttäuscht worden, das muss man einfach sagen. Generell wünsche ich mir einfach mehr Praxisnähe in der Politik.

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Entlang des Streckennetzes der Deutschen Bahn verlaufen hunderte Kilometer Lärmschutzwände. Foto: Deutsche Bahn AG / Michael Neuhaus

Wenn ich oben die gute Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn als wichtigsten Auftraggeber im Bereich der Schiene erwähnt habe, so muss ich leider für den Bereich Fernstraßen bzw. Autobahnen vom Gegenteil sprechen. Die trotz der Gründung der Autobahn GmbH immer noch sehr föderale Struktur der Straßenbauverwaltungen erschwert technische und organisatorische Erneuerungen kolossal. Die Verwaltung ist, zumindest was den Lärmschutzbau angeht, nach meiner Wahrnehmung nicht sonderlich an dem technischen Input aus der Wirtschaft interessiert und hat ein bisweilen unergründliches Eigenleben.

Das Ergebnis dieser Arbeitsweisen ist zum Beispiel, dass es seit Erscheinen der ZTV-LSW 2006 (Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für die Ausführung von Lärmschutzwänden an Straßen, Anm. d. Red.) 16 lange Jahre gedauert hat, um ein neues technisches Regelwerk aufzustellen. In dieser Zeit ist es versäumt worden, die wirklichen technischen Probleme im Lärmschutzbau an der Straße zu lösen und mögliche Veränderungen und Innovationen anzugehen. Stattdessen glaubt man, dass das neue Regelwerk es schon irgendwie richten wird.

Wir werden diesbezüglich unsere Standpunkte, die wir in den zurückliegenden Jahren mit den Regelwerkserstellern kommuniziert haben, weiter im Blick haben und mit Nachdruck verfolgen. Ich betone nochmals, dass es auch anders geht. Gemeinsam mit der Bahn konnten wir seit unserer Verbandsgründung die besonders großen technischen Herausforderungen und Probleme im Lärmschutzbau an der Schiene, insbesondere auch an den Hochgeschwindigkeitsstrecken, lösen. Die Anpassung der Regelwerke im Lärmschutzbau bei der Deutschen Bahn ist ein sehr dynamischer Prozess, immer unter Berücksichtigung dessen, was derzeit in der Praxis technisch möglich und auch sinnvoll ist.

Wie sieht Ihre individuelle Weiterbildung aus?

Da wir uns als DVLV auch in Brüssel in der ENBF (Europäische Lärmschutzvereinigung, Anm. d. Red.) engagieren, nehme ich zur Verbessrung meiner Sprachkenntnisse regelmäßig Englischunterricht.

Im Verband selbst organisieren wir für uns alle Weiterbildungsmaßnahmen mit lärmschutzrelevanten Themen, von denen ich natürlich auch partizipiere. Diese Veranstaltungen werden zudem von der Ingenieurkammer NRW als Fortbildungen anerkannt.

Wofür begeistern Sie sich nach Feierabend?

Ich habe mich bis vor einiger Zeit fast drei jahrzehntelang ehrenamtlich in Fördervereinen an der Grundschule meiner Kinder, an meiner eigenen Hochschule und auch im örtlichen Heimatverein in der Vorstandsarbeit engagiert.

Nach wie vor fahre ich bei Gelegenheit gerne mit dem Motorrad durch unser schönes Land und beschäftige mich zum Ausgleich zunehmend mit meinem Hobby Musik, schreibe und veröffentliche mit meiner Band Bandlaufwerk auch eigene Songs.

Hierbei begegnen mir auch wieder die Schwierigkeiten im Umgang mit dem Schall. Das will auf der Bühne natürlich beachtet werden, damit aus Musik kein Lärm wird.