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Hintergrund Gebäudetyp E: Funktionseinschränkung durch gewollte Normabweichung begründet keinen Baumangel

Verfasst von: Prof. Dr. jur. Günther Schalk, FA für Bau- und Architektenrecht
Veröffentlicht am: 20. Nov. 2024
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Entwurf für Gebäudetyp-E-Gesetz vor Ampel-Aus beschlossen

Kurz vor ihrem Ende hat die Ampel-Regierung den Entwurf eines "Gebäudetyp-E-Gesetzes" beschlossen, der weitere Verlauf ist ungewiss. Ungeachtet dessen ist und bleibt die Kernfrage im Zusammenhang mit dem Gebäudetyp E die Abgrenzung zwischen einfacherem Bauen und einem Baumangel.

Ein Bauunternehmer läuft Gefahr, für entstandene Mängel zu haften, sobald er die anerkannten Regeln der Technik unterschreitet. Nach der aktuellen Rechtslage gilt dies selbst dann, wenn der Bauherr es sich ausdrücklich wünscht. Ein aktuelles Urteil des OLG Düsseldorf (23 U 108/20; BGH, Beschluss vom 24.04.2024 – VII ZR 747/21, NZB zurückgewiesen) gibt allerdings etwas Hoffnung für die Baufirmen.

Hammer_Urteil
Das OLG Düsseldorf hat zur Frage der Bauausführung jenseits der anerkannten Regeln und Normen geurteilt: Foto: Thorben Wengert  / pixelio

Welcher Fall lag zu Grunde? Ein Bauherr hatte ein Fachunternehmen mit der Installation einer Klimaanlage in seinen Räumen beauftragt. Neben dem Fachbetrieb hatte der Auftraggeber auch einen Fachplaner eingeschaltet. Natürlich ging es wie so oft um die Frage, wie man in diesem Fall die Klimatisierung im Innenraum möglichst kostengünstig erreichen kann.

Der Unternehmer legte ein Angebot mit fünf Klimageräten vor, wies allerdings ausdrücklich darauf hin, dass eigentlich sieben Klimageräte nötig wären, um eine ordnungsgemäße und normgerechte Klimatisierung erreichen zu können. Alle Beteiligten trafen sich dann vor Ort. Der Auftraggeber entschied sich trotz der Hinweise des Unternehmers dafür, nur fünf Geräte installieren zu lassen, um Kosten zu sparen.

Bauherr rügt Mängel trotz bekannter Funktionseinschränkung

Nachdem die Arbeiten abgeschlossen waren, rügte der Auftraggeber Mängel und beschwerte sich, weil in heißen Sommermonaten die Raumtemperaturen trotz der neuen Klimaanlage auf bis zu 29 °C anstiegen. Der Unternehmer verweigerte eine Nacherfüllung und verwies auf seine ausdrücklichen Bedenkenhinweise vor dem Einbau sowie auf seine Beratung, dass zwei Geräte mehr nötig gewesen wären.

Als der Auftraggeber einen Vorschuss für die Mängelbeseitigung an der aus seiner Sicht zu gering dimensionierten und damit mangelhaften Klimaanlage einklagen wollte, fiel er tatsächlich vor Gericht auf die Nase. Das Urteil lautete wie folgt:

  1. Ein bloßer Hinweis auf die VOB/B reicht bei privaten Bauherren für deren Einbeziehung nicht ohne Weiteres aus.
  2. Trotz des funktionalen Mangelbegriffs liegt kein Mangel des Werks vor, wenn dem Besteller die Funktionseinschränkung der vereinbarten Ausführung des Werks bekannt ist und er sich in Kenntnis der Funktionseinschränkung eigenverantwortlich dennoch für diese Ausführung entschieden hat.
  3. Eine solche konkludente Risikoübernahme setzt grundsätzlich voraus, dass der Unternehmer den Besteller über das bestehende Risiko aufgeklärt und der Besteller sich rechtsgeschäftlich mit der Risikoübernahme einverstanden erklärt hat. Sie kann entbehrlich sein, wenn der Besteller sich des übernommenen Risikos und seiner Tragweite ohnehin bewusst ist.
  4. Beauftragt der Besteller einen Sachverständigen mit der Prüfung und Begutachtung etwaiger Mängel, sind die entstehenden Kosten ersatzfähig, wenn der Besteller diese Aufwendungen für erforderlich halten durfte bzw. der Auftrag auch zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Dabei sind Privatgutachterkosten grundsätzlich auch dann vom Unternehmer zu erstatten, wenn das Gutachten teilweise unzutreffende Feststellungen enthält.

Fazit: Ausführliche Beratung und schriftliche Bestätigung für Bauunternehmen essenziell

Das Urteil zeigt deutlich, wie wichtig es sowohl für Planer als auch für Bauunternehmer ist, vor der Ausführung außerordentlich intensiv und umfassend zu beraten, sobald sich der Auftraggeber eine Ausführungsvariante wünscht, die hinter den allgemein anerkannten Regeln der Technik bzw. den Normen zurückbleibt.

Planer und Auftragnehmer müssen in einem solchen Fall dezidiert die Abweichungen von den Normen und technischen Regeln darstellen und alle drohenden Folgen klar verständlich darlegen. Dies geschieht am besten in Schriftform, um es später entsprechend nachweisen zu können.

Sie sollten dem Auftraggeber möglichst auch eine Bestätigung in Schriftform "abnötigen", um im Streitfall belegen zu können, dass der Auftraggeber trotz der umfassenden Beratung und trotz der Bedenkenhinweise aus Kostengründen oder aus welchen Gründen auch immer ausdrücklich eine Ausführung "hinter den Normen" gewünscht hat. Andernfalls ist die Baufirma wieder einmal die Dumme.