Holzbauforschung und -förderung: Sachsen klotzt, Bund kleckert
Grundstein für Forschungszentrum an der HTWK Leipzig gelegt
Seit knapp zehn Jahren beschäftigt sich die Forschungsgruppe FLEX der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) in Leipzig mit digital basierten Konzepten für das individuell automatisierte Bauen. Exemplarisch dafür steht das auf dem Gelände der Hochschule errichtete Zollingerdach, eine ressourcenschonende, gewölbte Dachkonstruktion aus Holz. Die weitere Forschungsarbeit an der HTWK wird in Zukunft auch in einem neuen Holzbauforschungszentrum stattfinden.
In diesem "Reallabor" soll ab dem Sommer 2024 das Bauen mit Holz im Maßstab 1:1 auf Anwendungsniveau entwickelt und der Transfer von der angewandten Wissenschaft in die Praxis deutlich beschleunigt werden. Der Grundstein wurde Ende Februar gelegt (siehe Bild 1). Unweit des Zollingerdaches und in direkter Nachbarschaft zum Carbonbetontechnikum der HTWK wird damit eine weitere Forschungseinrichtung im Innovationspark Bautechnik Leipzig/Sachsen stehen.
Das Holzbauforschungszentrum wird eine Grundfläche von etwa 1.100 Quadratmetern haben. In der Halle entsteht eine frei konfigurierbare Arbeitsfläche für den großformatigen digitalen Holzbau. An einem Brückenkran hängend befestigte Industrieroboter bilden das "technologische Herz" des Technikums. Sie sind über eine zentrale Steuerung untereinander und mit dem Kran verbunden, sodass jeder Punkt in der Halle zur Ausführung von Bearbeitungsschritten digital angesteuert werden kann.
Mit dieser bislang kaum erprobten, aber enorm platzsparenden Vorfertigungsstrategie soll das Technikum ein technologisches Alleinstellungsmerkmal aufweisen. Ergänzend befinden sich in den Nebenräumen eine moderne Tischlerei sowie ein additives Fertigungslabor mit unterschiedlichen 3D-Druck-Technologien.
Forschungsziel: Automatisierte Fertigungsstrategien und lückenlose Vernetzung im Holzbau
Im Holzbauforschungszentrum will die Forschungsgruppe FLEX um ihren Leiter und Professor Alexander Stahr automatisierte Fertigungsstrategien entwickeln und realmaßstäblich prototypisch testen. Parametrische digitale Modelle spielen dabei eine zentrale Rolle, um alle Schritte vom Entwurf über die Planung bis zur effizienten Vorfertigung sowie Logistik und Montage auf der Baustelle lückenlos zu vernetzen. So soll das Bauen nach dem Willen der Projektverantwortlichen perspektivisch deutlich mehr von den positiven Effekten der Digitalisierung profitieren.
"Neben dem Hauptforschungsthema ergibt sich ein umfassender Forschungs- und Transferbedarf aus Informatik, Mathematik, Maschinenbau, Automatisierungstechnik und Wirtschaft. Das Prinzip der interdisziplinären Zusammenarbeit innerhalb der Hochschule aber auch mit regionalen, nationalen und internationalen Wissenschafts- und Wirtschaftspartnern wird damit zu einem wesentlichen wissenschaftlich-organisatorischen Grundbaustein des Projekts", erklärt Stahr.
Daneben sollen Fortbildungen zu aktuellen Forschungsergebnissen für Mitarbeitende aus Holzbau-Unternehmen und Baubehörden sowie für Fachleute aus Architektur und Ingenieurwesen angeboten werden. Thomas Schmidt, sächsischer Staatsminister für Regionalentwicklung, betonte bei der Grundsteinlegung die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung als Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit und Regionalisierung im Bauwesen.
Schnelle Markteinführung von Forschungsergebnissen vorgesehen
"Ich bin davon überzeugt, dass Sachsen in der Bauwende mit zuverlässigen Bauprodukten sowie praxisfähigen Produktions- und Fertigungsprozessen der nächsten Generation ganz vorn mitspielen kann, wenn Forschung, Unternehmen und Bauaufsichten intensiv miteinander kooperieren", so Schmidt. Das Besondere am Standort des neuen Holzbauforschungszentrums sei für ihn die Möglichkeit, mit den ansässigen Prüfanstalten die Innovationen schnell und direkt in den Markt zu bringen.
Mark Mietzner, Rektor der HTWK Leipzig, bestätigt die Tatsache, dass die Hochschule in den vergangenen fünf Jahren wichtige Partnerschaften mit der regionalen Wirtschaft eingegangen sei, wodurch das Holzbauforschungszentrum erst möglich würde.
Mathias Reuschel aus der Geschäftsführung der in das Forschungszentrum investierenden Gesellschaft für Materialforschung und Prüfungsanstalt für das Bauwesen Leipzig mbH (MFPA Leipzig GmbH) freut sich seinerseits über die schnelle Umsetzung: "Im Sommer werden wir ein Zentrum einweihen, was in der Symbiose zwischen der HTWK und der MFPA den Strukturwandel, weg vom Kohleabbau hin zu einer gestärkten regionalen Holzwirtschaft, maßgeblich unterstützen wird. Genau so geht sächsisch."
Sachsen will Bauholznachfrage im eigenen Land steigern
Mit den sich verändernden gesellschaftlichen Zielen wächst die Nachfrage nach Holzbauten überdurchschnittlich stark. Gleichwohl sind die bekannten Konstruktionslösungen kaum geeignet, diese Bedarfe zu decken, da auch Holz als nachwachsender Rohstoff nur begrenzt zur Verfügung steht und die Konkurrenz um die industrielle Nutzung des Materials stark zunimmt.
Ziel der Holzbauforschung ist es, neue Konzepte zu entwickeln, um den wachsenden Bedarf mit deutlich weniger Holz decken zu können. Der moderne Holzbau wird als Innovationsfeld betrachtet, wodurch die dezentrale bzw. regionale Wertschöpfung gesteigert werden kann. Aus diesem Grund hat die Sächsische Staatsregierung im Koalitionsvertrag vereinbart, den modernen Holzbau in Sachsen zu stärken.
Die Sächsische Holzbauinitiative ist darauf ausgerichtet, den Einsatz von Holz bei Bauprojekten zu bewerben bzw. zu erleichtern und so die Nachfrage nach Bauholz in Sachsen zu erhöhen. Sie reiht sich ein und steht in Wechselwirkungen mit den nationalen und europäischen Strategien, darunter die Holzbauinitiative des Bundes.
Bund fördert konstruktiven Holzbau und Sanierung
Letztere erhielt Anfang des Monats neuen Schub durch zwei Förderaufrufe des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Im Haushaltsplan des Bundesbauministeriums sind für 2024 indes keine Mittel zur Umsetzung der Holzbauinitiative des Bundes veranschlagt worden.
Konkret sollen mit den neuen Förderaufrufen zum einen Forschungs-, Entwicklungs- und Modellprojekte zum verstärkten Laubholz-Einsatz im konstruktiven Holzbau (Frist für Projekteinreichungen: 30.09.2024) und zum anderen das Sanieren und Modernisieren mit Holz und weiteren nachwachsenden Rohstoffen (Frist: 31.07.2024) auf den Weg gebracht werden. Die Fördermittel will das BMEL aus dem Programm "Nachhaltige erneuerbare Ressourcen" bereitstellen.