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Holzbauquoten: Mauerwerksindustrie befürchtet Wettbewerbsverzerrung

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 16. Sep. 2020
Kategorie:

# 18.09.2020

Positionspapier zur Umsetzung von Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft bis 2050 vorgestellt. Forderung nach Gesamtbetrachtung von Baustoffherstellung und Gebäudebetrieb. Funktionstrennung ermöglicht Recycling von Wandkonstruktionen

Nachhaltigkeitsdebatte im Bauwesen: Klassik versus Moderne

Die Mauerwerksindustrie lehnt eine Holzbauquote als Hilfsmittel für mehr Klimaschutz ab. Stattdessen fordert man eine neutrale Betrachtung der Baustoffherstellung und des langfristigen Bauwerksbetriebs. Foto: Andreas Hermsdorf / Pixelio
Die Mauerwerksindustrie lehnt eine Holzbauquote als Hilfsmittel für mehr Klimaschutz ab. Stattdessen fordert man eine neutrale Betrachtung der Baustoffherstellung und des langfristigen Bauwerksbetriebs. Foto: Andreas Hermsdorf / Pixelio

In der Debatte um nachhaltige Bauweisen und Baustoffe verlaufen die Frontlinien häufig zwischen konventionellen Bauformen auf der einen und neuartigeren Methoden auf der anderen Seite.

So steht beispielsweise dem klassischen Stahlbetonbau der Textilbetonbau als Alternative und somit auch als Konkurrent gegenüber.

Deutliche Zeichen einer unterschiedlichen Auffassung von der "richtigen" Art zu bauen sind einschlägige Positionspapiere und Stellungnahmen der unterschiedlichen Vertreter der Branche.

In eben einem solchen Positionspapier forderte die sogenannte "Aktion Nachhaltiger Massivbau" zuletzt eine "faire Bewertung und gleichberechtigte Förderung aller Baustoffe und Bauweisen" in Bezug auf Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft.


Massivbauwirtschaft reagiert auf Vorschlag der Holzwirtschaft

Mit dem Papier reagieren die 28 Unterzeichner, vorrangig Organisationen und Verbände der Beton- und Ziegelindustrie unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM), nach eigener Aussage auf "eine politische Diskussion über die Einführung von Holzbauquoten".

Ein zuvor vom Deutschen Holzwirtschaftsrat veröffentlichtes Positionspapier dürfte derweil die Haupttriebfeder der Stellungnahme sein. Tatsächlich wird darin eine Erhöhung der Holzbauquote bis 2030 auf 30 Prozent und bis 2050 auf 50 Prozent vorgeschlagen bzw. gefordert (siehe Quellen und Verweise).


Baustoffproduktion soll bis 2050 klimaneutral werden

Das im Dezember 2019 in Kraft getretene Klimaschutzgesetz des Bundes, welches sich an die Klimapolitik der Europäischen Union anlehnt (siehe Quellen und Verweise), verpflichtet bereits alle Marktakteure zur CO2-neutralen Produktion respektive Baustoffe bis zum Jahr 2050. Wie dies im Detail erreicht werden soll, steht keineswegs fest.

Die Vertreter der Massivbaubranche geben in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Modernisierung und Erneuerung der Anlagentechnik, welche als Schlüssel zu energie- und ressourceneffizienten Produktionsprozessen angesehen werden, besonders kleine und mittelständische Unternehmen an ihre finanziellen Grenzen bringen.


Mögliche Holzbauquoten stoßen auf Kritik

Daher fordere man speziell hier staatliche Unterstützung sowie eine generelle Technologieoffenheit bei der Verfolgung der politischen Ziele bezüglich Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft. Quotenregelungen zugunsten einzelner Baustoffe und Bauweisen werden hingegen abgelehnt.

Die Hersteller mineralischer Massivbaustoffe wollen zudem den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes von mehr als 50 Jahren inklusive Rückbau, Recycling und Wiederverwendung von Baustoffen, Bauprodukten und ganzen Bauteilen bzw. die finale Entsorgung betrachtet sehen, wenn es um dessen Klimabilanz geht.


Hersteller betonen geringeren Energiebedarf von Massivhäusern

Hannes Zapf, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau, ist zuversichtlich, dass die Mauerwerksbranche bis 2050 klimaneutral produziert. Foto: DGfM
Hannes Zapf, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau, ist zuversichtlich, dass die Mauerwerksbranche bis 2050 klimaneutral produziert. Foto: DGfM

"Der gegenwärtige CO2-Treiber im gesamten Lebenszyklus eines Wohngebäudes ist der Strom- und Heizenergiebedarf während der Nutzungsphase", konstatiert der DGfM-Vorsitzende Hannes Zapf.

Hier biete Mauerwerk durch seine hohe thermische Speichermasse klare Vorteile gegenüber leichteren Bauweisen.

"Ein Mehrfamilienhaus mit zwölf Wohnungseinheiten aus Mauerwerk hat einen bis zu 17 Prozent geringeren Heizenergiebedarf als ein vergleichbares Wohngebäude mit Holzständerkonstruktionen", rechnet Zapf vor.

Immer mehr Planer würden seiner Ansicht nach bereits ein Umdenken weg von der hochdimensionierten Dämmung leichter Baukonstruktionen und hin zu mehr Ausnutzung der Wärmespeicherwirkung massiver Wände fordern.

Neben dem sommerlichen Wärmeschutz seien auch der Lärm- und Brandschutz gegenüber anderen Bauweisen gleichwertig oder besser. Hinzu kämen minimale Transportwege.


DGfM: Herstellung mineralischer Baustoffe nicht belastender als Bauholzproduktion

Und auch bei der Baustoffgewinnung sehen die Massivbauer klare Vorteile ihrer Bauweise. So verursache laut Zapf die Verarbeitung von Bäumen zu einer Tonne Bauholz in etwa so viel CO2 wie die Herstellung einer Tonne Mauerwerk. "Bei Bauplatten aus Schichtholz ist die Belastung sogar deutlich größer." (vgl. dazu Quellen und Verweise)

Ab 2051, dem Jahr also, in dem Deutschland laut bundespolitischer Maßgabe klimaneutral sein soll, würde schließlich gar keine "graue Energie" mehr in den Baukonstruktionen stecken, da die Energie zur Herstellung ja durchweg "grün" sein werde. Dies gilt am Ende allerdings sowohl für Bauten aus mineralischen als auch nachwachsenden Rohstoffen.


Wohnungsbau: Mauerwerksanteil derzeit bei 72 Prozent

Bei allem Wettbewerb erkennt die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau auch Chancen in der Zusammenarbeit, beispielsweise durch hybrides Bauen.

"Alle Bauweisen sind wichtig, um das Problem des fehlenden Wohnraums überhaupt lösen zu können. Auch wenn der Anteil von Mauerwerk im Wohnungsbau derzeit bei 72 Prozent liegt, ist dies eine Aufgabe, die wir mit Blick in die Zukunft nur gemeinsam bewältigen können", so der DGfM-Vorsitzende.


Kompletter Rückbau von Gebäuden angestrebt

Innerhalb der eigenen Bausparte will man zudem in Sachen Nachhaltigkeit noch besser werden. Mauerwerk sei laut Mauerwerksgesellschaft bereits heute zu 94 Prozent wiederverwertbar.

"Unser langfristiges Ziel ist es, die komplette Rückbaufähigkeit von Gebäuden zu erreichen, sodass in Zukunft alle Rohbaustoffe sowie ganze Bauteile wieder- und weiterverwendet werden können", erklärt Hannes Zapf. Dazu müssten alle verfahrenstechnischen und konstruktiven Möglichkeiten aufeinander abgestimmt und weiter vorangetrieben werden.


Funktionstrennung: Wandkonstruktionen sollen wiederverwendet werden

In Zapfs Unternehmen, der auf Kalksandstein spezialisierten Zapf Daigfuss-Gruppe, beschäftige man sich intensiv mit dem Thema Funktionstrennung. Konkret bedeutet dies, dass die Außenwandkonstruktionen aus mehreren Bauteilschichten bestehen. Die Wand aus Mauersteinen bildet die tragende Schicht, die durch weitere Bauteilschichten komplettiert wird.

Die zukünftigen Entwicklungen seien laut Zapf darauf ausgerichtet, dass sich beim Rückbau die Schichten wieder sauber voneinander trennen lassen und somit problemlos wiederverwendet bzw. sortenrein recycelt werden können.


Massivbaubranche setzt auf Netzwerke mit Wissenschaft

Neben diesen individuellen Stellschrauben einzelner Unternehmen haben sich Hersteller und Verarbeiter mineralischer Baustoffe mit Vertretern der Wissenschaft in Netzwerken wie "solid UNIT" und "H2 Süd" zusammengeschlossen.

Erklärte Ziele sind die Reduktion des CO2-Ausstoßes sowie des Ressourcenverbrauchs. Hinzu komme die Absicht, in lokale Wasserstoffstrategien einzusteigen.



QUELLEN UND VERWEISE:

50 Prozent bis 2050: Holzwirtschaft setzt Holzbauquote (Positionspapier des DHWR)
Klima- und Energiepolitik der Europäischen Union
Sind Holzfaserplatten ohne Nadelholz herstellbar?
Aussteifende Holzbalkendecken im Mauerwerksbau