Umgang mit mobilem Arbeiten bislang sehr unterschiedlich
Deutliche Mehrheit laut bauingenieur24-Umfrage bereits mit Homeoffice-Option in aktueller Position tätig
Neben Pandemiebewältigung auch veränderte Mitarbeiterbedürfnisse ausschlaggebend
Umgang mit Homeoffice: Große Bandbreite innerhalb der Baubranche
Vor einiger Zeit erreichte uns folgende Frage aus einem Ingenieurbüro:
"Wäre es möglich, etwas über die Verbreitung von Homeoffice/Mobile Office in der Baubranche bzw. im Ingenieurbüro bei Ihnen zu erfahren? Das würde uns sehr interessieren, wie dies andere Unternehmen handhaben."
Wir haben in der Folge zu diesem Thema eine Leserumfrage gestartet. Zusammen mit den einschlägigen Aussagen einiger Interviewpartner ergibt sich daraus ein Bild zur bisherigen bzw. aktuellen Situation in den deutschen Planungsbüros und Bauunternehmen in Sachen Homeoffice und damit womöglich eine Orientierung für alle in der Baubranche Tätigen.
Ein Ergebnis unserer Umfrage ist die Erkenntnis, dass nur sehr wenige Beschäftigte des Bauwesens ausschließlich im Homeoffice arbeiten. Mit rund acht Prozent gaben dies die wenigsten Befragten an (siehe Grafik). Demgegenüber stehen fast doppelt so viele, die gar nicht mobil bzw. zuhause arbeiten. Dazwischen liegt eine große Bandbreite des persönlichen Umgangs mit dem Homeoffice, wobei sicherlich die große Vielfalt der Tätigkeiten rund um das Planen und Bauen keine unwichtige Rolle spielt.
Festzuhalten ist also zunächst, dass die Nutzung des Homeoffices im Bauwesen zwischen zwei Polen schwankt. Auf der einen Seite stehen die klaren Befürworter. Zu ihnen zählt Marius Sobkowiak. Für den geschäftsführenden Gesellschafter eines Ingenieurbüros gehört das Homeoffice neben Gleitzeit und Überstundenausgleich zumindest teilweise zur gern gewährten Freiheit seiner Mitarbeitenden. Letztere seien dadurch für ihn sogar als "neureich" zu bezeichnen.
Umsetzung in planenden Berufen relativ aufwendig
Auf der anderen Seite stehen viele innerhalb (wie außerhalb) der Baubranche dem Homeoffice eher skeptisch gegenüber. Sie erkennen zunächst keinen Mehrwert oder gar "neuen Reichtum". Gleichwohl ist mit der Pandemie eine gewisse Notwendigkeit für das Homeoffice eingetreten, weshalb eine generelle Ablehnung wenig Sinn macht. Kritik an der neuen Arbeitsform äußert sich somit vor allem im Beklagen der mitunter schwerfälligen praktischen Umsetzung.
Heiko Schmelzer, Geschäftsführer eines Planungsbüros mit 15 Mitarbeitenden, sieht vor allem bei den originär planenden Beschäftigten einen Mehraufwand: "Da haben wir wesentlich höhere Anforderungen an die Technik, darunter die EDV sowie die Datenübertragung, als für Mitarbeiter, die im Wesentlichen text- und tabellenbezogen arbeiten. Entsprechend aufwendiger sind die Lösungen."
Generell seien Antworten auf diese Fragestellungen in der Theorie immer schnell gefunden, die Umsetzung in der Praxis oft wesentlich aufwendiger und entsprechend zeitintensiver. "Vermeintliche Kleinigkeiten erweisen sich oft als Stolperstein", so Schmelzer.
Investitionen in Hardware und Datenschutz unerlässlich
Ähnlichen Hürden begegnete Christian Würfl, ebenfalls leitender Gesellschafter eines Planungsbüros. Er spricht von einer "veränderten Kontaktkultur durch [das] Homeoffice", auch und vor allem in der Kommunikation nach außen: "Wir mussten feststellen, dass unsere Kunden auf unterschiedliche Systeme setzen, deren Nutzung wir bei uns natürlich ermöglichen, um besten Service zu bieten."
Dabei auch die Anforderungen an den Datenschutz bzw. die Datensicherheit zu erfüllen, erfordere laut Würfl viel Einsatz. In mehreren Schritten habe sein Unternehmen schließlich die Qualität der Homeoffices verbessert. Dazu zählten Investitionen in Glasfaserleitungen, zusätzliche Hardware und Clouddienste. All dies sei während der Pandemie tatsächlich notwendig gewesen, um "kontinuierlich und zuverlässig produktionsfähig" zu sein.
Verkehrsbehörde mit guten Erfahrungen und nachhaltigem Anspruch
Trotz aller anfänglichen, zumeist rein technischen Probleme machen viele Arbeitgeber gute Erfahrungen mit ihren Homeoffice-Regelungen. Dazu zählt auch die Straßen- und Verkehrsbehörde Hessen Mobil mit rund 2.500 Mitarbeitenden, wie deren Präsident Heiko Durth uns berichtete.
Er befürwortet das dezentrale Arbeiten nicht zuletzt auch deshalb, weil mit dem Homeoffice ein nachhaltigeres Wirtschaften und Arbeiten einhergeht. Laut Durth komme es heutzutage bei allen arbeitstechnischen Fragen darauf an, "wie wir die Arbeitswelt organisieren, um am Ende nicht nur Lieferketten und noch mehr Verkehr zu erzeugen."
Ländliches Geotechnik-Büro: Lange Fahrtzeiten bzw. Wohnen in der Stadt nicht mehr notwendig
Für einen anderen Präsidenten, nämlich den der Thüringer Ingenieurkammer, ist das Homeoffice als solches ebenfalls ein Gewinn, unter anderem beim Recruiting für sein eigenes Geotechnik-Büro: "Bereits vor der Corona-Pandemie haben wir die technischen Möglichkeiten für das Homeoffice bereitgestellt, was den Mitarbeitern privat hilft, die lange Fahrtzeiten zum Büro haben", erklärt Elmar Dräger.
Das man diese Arbeitskultur ermögliche, werde geschätzt. "Ein neuer Mitarbeiter zog für uns extra von Hamburg ins Eichsfeld. Der Verdienst ist bei solchen Entscheidungen oft zweitrangig", so Dräger.
Fachkräftemangel: Arbeitgeber müssen Mitarbeiterbedürfnis nach Homeoffice ernst nehmen
Wie sich anhand der zitierten Aussagen zeigt, hat also nicht erst die Pandemie Arbeitgeber dazu gebracht, über Homeoffice ernsthaft nachzudenken. So will man beim Tiefbauamt der Stadt Düren laut Baudirektor Heiner Wingels neuen Mitarbeitenden die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter anderem durch flexible Arbeitszeiten und teilweises Homeoffice ermöglichen.
Die anklingende zeitliche Einschränkung scheint derweil vielen Arbeitgebern noch wichtig zu sein. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, immerhin ein Arbeitgeber mit Strahlkraft und Vorbildfunktion für die Branche, bietet in seinen aktuellen Stellenanzeigen Homeoffice konkret an acht Tagen pro Monat an. Andere sowohl öffentliche als auch private Arbeitgeber gewähren ähnliche Raum-Zeit-Aufteilungen.
bauingenieur24-Umfrage: Homeoffice für Zweidrittel der Beschäftigten fester Arbeitsbestandteil
Um einen aktuellen Stand zur Frage der Nutzung des Homeoffices innerhalb der Baubranche zu erhalten, hat bauingenieur24 gezielt nach den bestehenden Möglichkeiten im jeweiligen Beschäftigungsverhältnis gefragt.
Dabei war es für uns unerheblich, welche grundsätzliche Einstellung zum Homeoffice vorliegt. Von den insgesamt 198 Teilenehmenden gaben knapp 27 Prozent an, zu bestimmten Zeiten das Homeoffice zu nutzen.
Demgegenüber steht eine Mehrheit von etwa einem Drittel der Beschäftigten, die schon jetzt je nach Bedarf bzw. flexibel im Homeoffice oder mobil arbeiten.
Knapp 17 Prozent sind in Ausnahmefällen in der Lage, von zuhause arbeiten zu können. Insgesamt ist also das Homeoffice für über Zweidrittel der Beschäftigten im Bauwesen fester Bestandteil ihrer Arbeit.
Homeoffice in agilen und international tätigen Unternehmen schon früh selbstverständlich
Wie bereits in einigen O-Tönen aus der Branche zu hören war, tun sich Unternehmen und Behörden im Allgemeinen unterschiedlich schwer mit technischen Neuerungen bzw. moderneren Arbeitsweisen. Heiner Wingels (Stadt Düren) brachte es 2020 für seinen Arbeitgeber so auf den Punkt: "Im Sinne einer zukunftsweisenden Digitalisierung und Flexibilisierung der kommunalen Arbeitswelt muss sich noch einiges tun."
Die Zugriffsmöglichkeiten auf das städtische Netzwerk von außerhalb waren demnach damals nur eingeschränkt möglich, was die Leistungsfähigkeit im Homeoffice logischerweise einschränkte. Vorteile haben da nachweislich Arbeitgeber, die sich grundsätzlich um möglichst effiziente und damit schlanke Prozesse bemühen. Hierbei kommen häufig die sogenannten agilen Methoden zum Einsatz, von denen das Homeoffice als eine betrachtet werden kann (vgl. Quellen und Verweise).
Manchmal ist auch das eigene Geschäftsmodell, welches eine internationale Projektarbeit voraussetzt, verantwortlich dafür, dass Homeoffices bzw. mobiles Arbeiten interessant und mitunter schnell selbstverständlich wird. Jens Schopphoven von der GTM Geotechnik Mittelrhein GmbH berichtete uns bereits 2014 davon, dass in seinem Unternehmen eine Terminalserver-Software zum Einsatz kommt, welche es ermöglicht, von außen auf den heimischen Büroserver zuzugreifen. Begründung unseres Interviewpartners damals: "Auf Auslandsbaustellen und im Homeoffice ist das sehr hilfreich."
Weiterbildung und Beschäftigung im Rentenalter im Homeoffice gut möglich
Im Übrigen kann das Homeoffice dabei helfen, die Belegschaft dafür zu sensibilisieren bzw. zu motivieren, an Weiterbildungen von zuhause und in Form von kostengünstigeren Webinaren teilzunehmen (vgl. "Thema Technik: Wer Homeoffice kann, kann auch Webinar").
Dank Homeoffice ist es auch leichter auf erfahrene und damit äußerst wertvolle ältere Mitarbeitende über den Renteneintritt hinaus zurückgreifen, wenn diese gerne weiterarbeiten möchten, die Fahrt ins Büro jedoch nur noch als Belastung ansehen (vgl. "Nachgefragt bei: Markus Becker - Welche Wege gehen Sie in punkto Personal?").
Über beides, Veranstaltungen in digitaler Form und Erwerbstätigkeit trotz Rente, kann man grundsätzlich natürlich unterschiedlichster Meinung sein. Die beruflichen Möglichkeiten haben mit dem Homeoffice allerdings unzweifelhaft zugenommen.
Fazit: Homeoffice ist Teil der Transformation im Bauwesen
Die Frage, ob das Homeoffice im Bauwesen eine Rolle spielt oder nicht, ist angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten sowie der veränderten äußeren (Pandemie) wie inneren (Mitarbeiterbedürfnisse) betrieblichen Umstände prinzipiell geklärt. Vielmehr liegt der Fokus bereits längst auf der individuellen Ausgestaltung an jedem einzelnen Arbeitsplatz.
Hierbei zeigt sich, dass vieles möglich ist was einst undenkbar schien, wenn sich die Beteiligten einmal dazu entschließen. In Zeiten der digitalen Transformation des Arbeitens im Allgemeinen und des Planens und Bauens im Besonderen trägt der offene Umgang mit dem Homeoffice sicherlich seinen Teil zum notwendigen Change-Management des jeweiligen Arbeitgebers, egal ob Bauunternehmen, Planungsbüro, Behörde oder wissenschaftliche Einrichtung, bei.
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