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6 Fragen an Prof. Dr.-Ing. Andreas Heuer, verantwortlicher Dozent für die Öko-Studie an der HTW Berlin

Veröffentlicht am: 13. März 2024

(bezahlter Inhalt)

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Herr Prof. Heuer, Sie haben sowohl die Materialeinsparungen wie auch die Treibhausgasreduzierungen zwischen Spannbeton-Fertigdecken und Ortbetondecken aus Halbfertigteilen überprüft. Haben Sie die Ergebnisse in diesen Größenordnungen erwartet und was hat Sie besonders überrascht?

Besonders überrascht hatte mich zunächst, dass die Transportwege bei der CO2-Bilanzierung kaum einen nennenswerten Anteil haben. Die Größenordnung der Einsparungen habe ich tatsächlich so ungefähr erwartet. Denn allein durch die eingesparten Betonmassen aufgrund der Querschnittsgeometrie (Hohldielen) lässt sich erahnen, wieviel Material und damit Zement hier eingespart werden kann. Hinzu kommt die Möglichkeit, durch die Vorspannung die Durchbiegung als Dimensionierungskriterium zu eliminieren.

Oft wird die Transportentfernung vom Werk zur Baustelle als Hauptverursacher für CO2-Emissionen genannt. Können Sie das bestätigen? Wie sehen Sie die Treibhausgasemissionen zwischen Herstellung und Transport in Relation?

Oben war ich schon einmal darauf eingegangen. Tatsächlich ist die Transportentfernung für das GWP von untergeordneter Bedeutung, der Hauptverursacher der CO2-Emissionen ist die Zementherstellung.

Trotz der ökologischen Vorteile haben Spannbeton-Fertigdecken – anders als in anderen europäischen Nachbarländern – in Deutschland sehr geringe Marktanteile. Was empfehlen Sie den Herstellern der Spannbeton-Fertigdecken, um die Akzeptanz für dieses Produkt bei uns zu erhöhen?

In den kommenden Jahren wird es immer wichtiger, den CO2-Ausstoß zu begrenzen und Ressourcen einzusparen. Hier besteht für die Spannbetondecken ein immenser Vorteil gegenüber konventionellen Bauweisen. Diese Vorteile gilt es zu nutzen. Zudem muss es darum gehen, Vorurteile abzubauen. Ich denke hier beispielsweise an Vorbehalte gegenüber dem Schallschutz und Bedenken bezüglich der Sicherheit und Langlebigkeit.

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Das Wohnquartier wurde in seiner ökologischen Bewertung von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) mit Gold-Status ausgezeichnet. (Foto: S. Steinprinz)

Neben Ihrer Professur haben Sie ein eigenes Ingenieurbüro und wissen genau, wie Tragwerksplaner:innen ticken. Wenn Tragwerke den Großteil der Treibhausgasemissionen verursachen, dann ist es doch die Berufsgruppe, die wir überzeugen müssen. Wären Sie unserer Coach, was würden Sie dafür empfehlen?

Zunächst eine kleine Korrektur. Ich arbeite mit einem Ingenieurbüro regelmäßig zusammen, erstelle Gutachten und auch statische Berechnungen, habe aber kein eigenes Büro. Man sollte nicht immer gleich auf die ganz großen Innovationen der Zukunft setzen, wie z. B. Stahlherstellung mit Wasserstoff zur Wärmeerzeugung etc. Das ist sicherlich wichtig, aber bisher noch Zukunftsmusik. Eine Maßnahme, um Treibhausgase deutlich zu vermindern ist bereits, unnötig hohe Betonfestigkeiten zu vermeiden. Damit lässt sich ein Doppeleffekt erreichen: Einsparung von Zement und damit CO2 (bis zu 15 % je verminderter Betonfestigkeitsklasse) und in vielen Fällen – auch wenn sich das zunächst widersinnig anhört – Einsparung von Bewehrungsstahl, der allein für die Rissbreitenbeschränkung anfällt. Die Bauherren wird‘s freuen, weil sie neben CO2 auch noch Kosten sparen. Zudem erhalten Sie als Tragwerksplaner vielleicht gleich den nächsten Auftrag.

Bauen mit Betonfertigteilen geht schneller, schlanker, stressfreier in der Bauphase, ökologischer und wirtschaftlicher. Wo sehen Sie die Hindernisse, die dazu führen, dass in Deutschland immer noch überwiegend mit Ortbeton gebaut wird?

Man könnte sagen: so sind die Deutschen nun einmal. Aber das stimmt nicht ganz. Einen Grund sehe ich darin, dass sich in den letzten Jahrzehnten die Mentalität durchgesetzt hat, dass man möglichst noch bis zur letzten Minute Änderungen vornehmen kann. Dafür ist Ortbeton der ideale Baustoff. Leider setzt diese Mentalität alle Baubeteiligten enorm unter Druck. Das Bauen mit Betonfertigteilen ist daher nicht nur stressfreier, sondern auch kostengünstiger und sorgt obendrein für bessere Laune bei allen am Bau Beteiligten.

Schauen Sie in die Zukunft: Wie wird sich das Bauen in Deutschland bis 2045, wenn wir klimaneutral bauen müssen, verändert haben?

Es wird deutlich mehr auf Ressourceneffizienz geachtet werden. Das führt zu schlankeren Tragwerken, stärker abgestuften Querschnitten und damit einhergehend noch stärkerem Einsatz digitaler Methoden. Auch gehe ich davon aus, dass aufgrund des wachsenden Bewusstseins für Ressourceneffizienz die Baubranche eine höhere Wertschätzung erhält gegenüber anderen Ingenieurbranchen.

Herr Prof. Heuer, haben Sie Dank für dieses Interview.

Die Fragen stellte Burkhard Talebitari

www.htw-berlin.de