Inländische Betriebsstätten: Bauunternehmen im Visier des Finanzamts
Führt das Finanzamt bei einem Bauunternehmen Betriebsprüfungen durch, wird dabei gezielt nach inländischen Bau- und Montagebetriebsstätten gesucht. Insbesondere wenn ein inländischer Baukonzern international aufgestellt ist und im Ausland Tochtergesellschaften gründet, kann es durchaus passieren, dass diese Tochtergesellschaften in Deutschland Betriebsstätten begründen. Der folgende Praxisbeitrag zeigt, wie die deutsche Finanzverwaltung solche Inlandsbetriebsstätten (sog. Inbound-Betriebsstätten) steuerlich behandelt.
Bau und Montage oder feste Geschäftseinrichtung: Raum und Zeit bei Bauausführung entscheidend
Zunächst muss unterschieden werden, ob eine im Ausland ansässige Tochtergesellschaft mit Bau- und Montageaufträgen in Deutschland über Büroräume verfügt oder ob keine Räumlichkeiten in Deutschland vorhanden sind, sondern lediglich Personal für die Bauausführungen nach Deutschland entsandt wird.
Variante A: Es sind Räumlichkeiten in Deutschland vorhanden
Mietet das im Ausland ansässige Unternehmen in Deutschland Büroräume an und übt von dort aus seine Tätigkeit ganz oder teilweise aus, liegt aus steuerlicher Sicht eine feste Geschäftseinrichtung vor. Eine solche feste Geschäftseinrichtung begründet eine Betriebsstätte in Deutschland.
Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und nach nationalem Recht hat für solche Betriebsstätten im Rahmen einer festen Geschäftseinrichtung Deutschland das Besteuerungsrecht. In diesem Fall interessiert sich das Finanzamt nicht für die Dauer der einzelnen Bauausführung. Vielmehr werden sämtliche Bau- und Montageleistungen dieser Betriebsstätte zugeordnet.
Die Räumlichkeiten müssen indes nicht offiziell angemietet werden. Es würde auch dann eine feste Geschäftseinrichtung und somit eine Betriebsstätte angenommen werden können, wenn ein verbundenes Unternehmen in Deutschland der ausländischen Tochtergesellschaft für die Abwicklung des Bauauftrags in Deutschland Räumlichkeiten unentgeltlich zur Verfügung stellt.
Das solche Raumüberlassungen an im Ausland ansässige Tochtergesellschaften stattgefunden haben, sieht ein Betriebsprüfer des Finanzamts an den Klingelschildern oder an Firmenschildern am deutschen Gebäude.
Variante B: Es sind keine Räumlichkeiten in Deutschland vorhanden
Hat das Unternehmen in Deutschland keine Räumlichkeiten, dann gelten nach nationalem Recht und DBA spezielle Vorschriften. Ob eine Bau- und Montagebetriebsstätte vorliegt, hängt dann entscheidend davon ab, wie lange die einzelne Bauausführung dauert. Nach nationalem Recht würde bereits eine Betriebsstätte vorliegen, wenn die Dauer der Bauausführungen in Deutschland sechs Monate übersteigt.
Hier muss allerdings noch ein Blick in das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen geworfen werden. In der Regel liegt nach solchen DBA eine Bau- und Montage-Betriebsstätte nur vor, wenn die Dauer der Bauausführung länger als zwölf Monate dauert (z. B. DBA Österreich). Das Doppelbesteuerungsabkommen ist in diesem Fall maßgeblich.
Typische Fallgestaltungen zu Bau- und Montagebetriebsstätte
Beispiel 1: Ein deutscher Baukonzern hat mehrere Tochtergesellschaften in Österreich. Eine davon schließt mit einem Unternehmen einen Werkvertrag über Bau- und Montageleistungen in Deutschland ab. Die Dauer der Bauausführungen beträgt 14 Monate. Die Folge: Es liegt in Deutschland eine Bau- und Montagebetriebsstätte der österreichischen Tochtergesellschaft vor, weil die Dauer der Bauausführung mehr als zwölf Monate beträgt.
Beispiel 2: Das österreichische Tochterunternehmen hat noch eine weitere Baustelle in Deutschland. Diese besteht sieben Monate. In diesem Fall würde zwar nach nationalem Recht eine Betriebsstätte vorliegen (Dauer der Bauausführungen länger als sechs Monate). Deutschland hat aber hier kein Besteuerungsrecht, weil nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Österreich keine Bau- und Montageleistung von mehr als zwölf Monaten vorliegt.
Ins Visier geraten solche Bau- und Montageleistungen in Deutschland von im Ausland ansässigen Unternehmen immer dann, wenn die Bauausführungszeit knapp unter der DBA-Frist liegt. Würden die Bau- und Monateleistungen eines österreichischen Unternehmens beispielsweise elf Monate und 20 Tage dauern, würde das Finanzamt genau nachrechnen. Hintergrund ist, dass es nicht auf die vertragliche Dauer der Bau- und Montageleistungen ankommt, sondern auf die tatsächliche Dauer.
Steuer-Knowhow zur Dauer der Bauausführung
Der Prüfende des Finanzamts wird bei Zweifeln zur tatsächlichen Dauer der Bauausführungen nachfragen, wann der erste Bauarbeiter auf der Baustelle erschienenen ist und wann der letzte Arbeiter die Baustelle verlassen hat. Dazu wird sich der Prüfer folgende Unterlagen vorlegen lassen:
- Konten für Reisekosten bzw. Reisekostenabrechnungen. Aus diesen ist ersichtlich, wann das Personal auf der Baustelle eingetroffen ist und wann die letzten Aktivitäten erfolgt sind.
- Bautagebücher: Solche Bautagebücher werden geführt, um bei Mängeln eine Haftung zu vermeiden. Dazu wird darin auch festgehalten, welche Personen vom Auftraggeber welche Anweisungen zu einer Bau- und Montageleistung erhalten haben.
Kann das ausländische Unternehmen diese geforderten Unterlagen, aus welchen Gründen auch immer, nicht vorlegen, wird sich das Finanzamt in einem Drittauskunftsersuchen an den Auftraggeber wenden und von ihm die erforderlichen Informationen zum Beginn und zum Ende der Bauausführungen erfragen.
Beispiel: Ein österreichisches Unternehmen unterzeichnet einen Werkvertrag über Bau- und Montageleistungen in Deutschland mit einer Dauer von elf Monaten und zehn Tagen. Im Bautagebuch ist vermerkt, dass nach elf Monaten und zehn Tagen tatsächlich die Bauabnahme erfolgte.
Es gab jedoch Mängel, die umgehend beseitigt werden mussten. Für die Behebung der Mängel benötigte der ausländische Auftragnehmer einen weiteren Monat. Die Folge: Durch die Nacharbeiten liegt die Dauer der Bauausführung nun bei über zwölf Monaten, sodass eine Bau- und Montagebetriebsstätte vorliegt und Deutschland für den Gewinn das Besteuerungsrecht hat.
Nachträglich festgestellte Betriebsstätte bedeutet Lohnsteuerrisiko
Sollte das Finanzamt nachträglich eine Bau- und Montagebetriebsstätte feststellen, ist der zu versteuernde Gewinn in Deutschland in der Regel nicht das Problem. Die Gewinne für eine Routinetätigkeit fallen in der Regel sehr niedrig aus.
Problematisch für das Bauunternehmen ist hingegen, dass bei Vorliegen einer Betriebsstätte in Deutschland vom ersten Tag an für die vom Ausland ins Inland entsandten Arbeitnehmer Lohnsteuer in Deutschland abgeführt werden muss. Oft lässt sich eine Doppelbesteuerung nicht mehr vermeiden, weil der ausländische Staat die bereits dort abgeführte Lohnsteuer nicht mehr erstattet.
Gewinnermittlung mittels Kostenaufschlagsmethode
Nach nationalem, das heißt deutschem Recht geht man bei Bau- und Montageleistungen in einer inländischen Betriebsstätte davon aus, dass es sich bei den Arbeiten um eine Routinedienstleistungen handelt. Das hat zur Folge, dass der Gewinn nach der sogenannten Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln ist.
Beispiel: Ein in Österreich ansässiges Bauunternehmen schließt in Deutschland einen Werkvertrag über Bau- und Montageleistungen mit einem Auftragsvolumen von einer Million Euro ab. Die Kosten im Zusammenhang mit der Bau- und Montagebetriebsstätte betragen 400.000 Euro.
Wenn diese Gesellschaft in Deutschland nur Routineleistungen erbringt und in Österreich die maßgeblichen Arbeiten und Pläne für den Auftrag erledigt werden, darf Deutschland nicht den kompletten Gewinn von 600.000 Euro versteuern (Einnahmen eine Million Euro abzüglich Ausgaben 400.000 Euro).
Der in Deutschland zu versteuernde Gewinn wird im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode ermittelt. Das sieht folgendermaßen aus:
Aufschlagssatz in Deutschland zwischen fünf und zehn Prozent
Der Aufschlagssatz für eine Routinetätigkeit im Rahmen einer Bau- und Montagebetriebsstätte in Deutschland liegt zwischen fünf und zehn Prozent, wobei mehr als fünf Prozent Aufschlag nur gerechtfertigt wären, wenn nicht nur Baustellenarbeiter auf der Baustelle eingesetzt werden, sondern auch höher dotierte Angestellte wie Bauingenieure oder Geschäftsführer des ausländischen Unternehmens.
Oftmals argumentieren ausländische Unternehmen mit Bau- und Montagebetriebsstätten in Deutschland, dass der Aufschlagssatz zu hoch ist, weil im Ausland entweder ein Verlust aus dem Bauvorhaben entstanden ist oder weil die Marge nicht bei fünf Prozent lag, sondern lediglich bei einem oder zwei Prozent. Diese Argumentation lehnen die deutschen Finanzbeamten meist mit folgender Begründung ab:
- Wird die Kostenaufschlagsmethode angewandt, entsteht immer ein kleiner Gewinn. Das ist auch dann der Fall, wenn im Ausland aus dem Bauvorhaben Verluste erzielt wurden. Hier wird argumentiert, dass für die reine Dienstleistung Bau und Montage auch ein Subunternehmer einen kleinen Gewinn erzielt hätte. Der Verlust ist dem ausländischen Stammhaus (im Fachjargon: übrigen Unternehmen) zuzurechnen. Das bedeutet im Klartext: Die fehlerhafte Planung oder Kalkulation im ausländischen Unternehmen ist für die Verluste verantwortlich und nicht das Personal der Betriebsstätte in Deutschland.
- Eine geringere Marge für den gesamten Bauauftrag kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. Zum einen kann durch den Materialeinkauf von einem verbundenen Konzernunternehmen ein Verlust für Bau und Montage entstehen, im Unternehmen, das die Materiallieferung tätigt, entsteht jedoch ein üppiger Gewinn.
- Die geringere Marge als fünf Prozent kann auch entstehen, weil das ausländische Unternehmen bewusst Verluste einkalkuliert hat, nur um lukrative Folgeaufträge an Land zu ziehen. In diesem Fall kann für die Bau- und Montageleistungen in Deutschland allerdings kein geringerer Aufschlagssatz als fünf Prozent gefordert werden.
Bemessungsgrundlage für Bau- und Montagebetriebsstätte
In die Bemessungsgrundlage zur Kostenaufschlagsmethode werden nur Kosten einbezogen, die durch die Personalfunktionen des Baustellenpersonals angefallen sind. Typische Kosten, die bei der Kostenaufschlagsmethode einbezogen werden müssen, sind unter anderem:
- Personalkosten inklusive Sozialversicherungsbeiträge
- Zuführungen zur Pensionsrückstellung
- Reisekosten
- Personalkosten
- Auslösen und Sonderzahlungen
Materialkosten, Mieten für Baufahrzeuge und die Kosten für Subunternehmer werden in der Regel nicht in die Bemessungsgrundlage zur Kostenaufschlagsmethode einbezogen. Hintergrund: Diese Ausgaben sind durch Personalfunktionen im ausländischen Unternehmensteil veranlasst, weil in der Regel nur das Personal im ausländischen Stammhaus die Verträge zu Materialkosten, Subunternehmern und Mietfahrzeugen ausarbeitet und abschließt.
Ausnahme bei Subunternehmerkosten
Bei den Subunternehmerkosten gibt es jedoch eine Ausnahme zu beachten. Werden nämlich die Subunternehmer nicht im Rahmen von Werkverträgen selbstständig und autark tätig, sondern erbringen vielmehr Dienstleistungen, sind die entsprechenden Subunternehmerkosten in die Bemessungsgrundlage zur Kostenaufschlagsmethode einzubeziehen.
Die Begründung: Das reguläre Baustellenpersonal muss das Personal des Subunternehmers, der nur Dienstleistungen erbringt, anweisen. Diese Betreuung des Subunternehmers durch Personal der Betriebsstätte ist von der Wertschöpfung höher einzustufen als die Auftragsvergabe im Ausland.
Bezieht das Finanzamt Subunternehmerkosten in die Betriebsstättengewinnermittlung mit ein, sollten die betroffenen ausländischen Unternehmen argumentieren, dass die Wertschöpfung für die Überwachung und Anweisung des Betriebsstättenpersonals deutlich niedriger ist als die Wertschöpfung für die erbrachten Bau- und Montageleistungen. Daraufhin muss das deutsche Finanzamt bei Einbeziehung der Subunternehmerkosten einen niedrigeren Aufschlagssatz zwischen zwei und drei Prozent akzeptieren. Diese Möglichkeit findet man sinngemäß auch in einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 22.12.2016.
Beispiel: Ein österreichisches Bauunternehmen schließt in Deutschland einen Werkvertrag über Bau- und Montageleistungen ab. Die Ausgaben für Personal betragen 700.000 Euro und die Ausgaben für Subunternehmer 1,2 Millionen Euro, wobei Subunternehmer 1 mit einem Auftragsvolumen von 850.000 Euro im Rahmen eines Werkvertrags tätig wird und Subunternehmer 2 mit einem Auftragsvolumen von 350.000 Euro als Dienstleister.
Fazit: Die Subunternehmerkosten wurden hier nur mit einem Aufschlagssatz von zwei Prozent in die Gewinnermittlung einbezogen.
Verluste trotz Kostenaufschlagsmethode
Wie bereits erwähnt, soll es bei der Kostenaufschlagsmethode immer zu einem kleinen und stetigen Gewinn für die deutsche Betriebsstätte kommen, selbst wenn das Bauvorhaben insgesamt ein Verlustprojekt wird. Doch das BMF-Schreiben vom 22.12.2016 nennt hierzu eine Ausnahme. Demnach kann trotz Kostenaufschlagsmethode ein Verlust entstehen, wenn Kosten zur Mängelbeseitigung entstehen, welche durch das Betriebsstättenpersonal verursacht wurden.
Beispiel 1: Ein österreichisches Unternehmen hat eine Bau- und Montagebetriebsstätte in Deutschland und ermittelt nach der Kostenaufschlagsmethode einen zu versteuernden Betriebsstättengewinn von 50.000 Euro. Davon zieht das Unternehmen 60.000
Euro ab, weil das Personal auf der Baustelle individuelle Fehler gemacht hat. Die Folge: Trotz Kostenaufschlagsmethode würde sich hier ein Verlust von 10.000 Euro ergeben.
In der Regel erkennen die deutschen Finanzämter in einem solchen Fall nur die Hälfte der angegebenen Kosten an, weil das ausländische Stammhaus hier ein Mitverschulden trifft, nämlich das Auswahlverschulden für das Personal. In dem Beispielsfall kämen also nur 30.000 Euro der Mängelbeseitigung zum Abzug, was zu einem Gewinn von 20.000 Euro führen würde (50.000 Euro abzgl. 30.000 Euro).
Beispiel 2: Ein österreichisches Unternehmen hat eine Bau- und Montagebetriebsstätte in Deutschland und ermittelt nach der Kostenaufschlagsmethode einen zu versteuernden Betriebsstättengewinn von 50.000 Euro. Davon zieht das Unternehmen 60.000 Euro ab, weil das Personal auf der Baustelle fehlerhafte Rohre verbaut hat. Die Rohre wurden vom ausländischen Stammhaus bestellt.
In diesem Fall dürften die 60.000 Euro nicht vom Betriebsstättengewinn abgezogen werden, weil die Schuld an den Mängelkosten alleine das Stammhaus zu verantworten hat und nicht das Betriebsstättenpersonal.
Funktions- und Risikoanalyse bestimmt Art der Gewinnermittlung
Ob der Betriebsstättengewinn in Deutschland tatsächlich nach der Kostenaufschlagsmethode für Routinedienstleistungen ermittelt wird, hängt entscheidend davon ab, wie die vom Unternehmen vorgelegte Funktions- und Risikoanalyse aussieht. In der Regel werden die maßgeblichen Funktionen und Risiken mit dem Bauauftrag in Deutschland beim ausländischen Stammhaus, also dem übrigen Unternehmen liegen. Dort sitzt das Personal, das den Auftrag plant, unterzeichnet und haftet, wenn die Bauausführungen mangelhaft sind.
Zeigt diese Funktions- und Risikoanalyse allerdings, dass der Umfang der Funktionen und Risiken zwischen der Betriebsstätte in Deutschland und dem ausländischen Stammhaus jeweils die Hälfte beträgt, liegt keine Routinetätigkeit mehr vor. In diesem Fall könnte der Betriebsstättengewinn ausnahmsweise nach der so genannten Kostenschlüsselmethode ermittelt werden. Bei dieser Methode werden die Gewinne und Verluste hälftig zwischen den beiden Unternehmensteilen aufgeteilt.
Dieser Beitrag ist zuerst im monatlich erscheinenden UnternehmerBrief Bauwirtschaft UBB (>>> hier kostenfreies Probeheft online lesen) erschienen. Der UBB ist ein Ratgeber für Führungskräfte in der Bauwirtschaft. Er liefert aktuelle Nachrichten aus den Bereichen Recht, Steuer, Baubetrieb und Technik.