Integrierte Projektabwicklung (IPA): Aufwändige Insellösung oder Einstieg in eine bessere Baugeschäftskultur?
Integrierte Projektabwicklung (IPA): Mehrparteienverträge in Deutschland noch selten
Vorsicht ist die Mutter existenzsichernder Geschäftsabwicklungen. Neue Formen der Vertragsgestaltung, jenseits bilateraler Vereinbarungen, haben es daher in der gewinnorientierten deutschen Bauwirtschaft schwer. Ein Beispiel ist die sogenannte Integrierte Projektabwicklung (IPA; auch: Integrated Project Delivery (IPD) oder Project Alliancing).
Dieses Projektabwicklungsmodell wird international, vor allem in englischsprachigen und skandinavischen Ländern, seit über 20 Jahren zumeist für komplexe Bauprojekte genutzt. Hierzulande entscheiden sich Bauherrenschaften hingegen kaum für eine Zusammenarbeit auf der Basis eines Mehrparteienvertrages.
Nach Angaben des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB) befanden sich Anfang des Jahres gerade mal etwas mehr als 30 IPA-Projekte in der Grundlagenermittlung, der Planung, der Vergabe oder im Bau. Das Modell komme dabei vor allem bei großen und komplexen Vorhaben zur Anwendung. Circa 75 Prozent wiesen ein Projektvolumen von mehr als 100 Millionen Euro auf.
Politik und Bauverbände haben IPA auf dem Schirm
Ungeachtet der noch sehr vereinzelten Verbreitung haben sich verschiedene Bauverbände und auch das Bundesbauministerium bereits eingehend mit dem Thema beschäftigt. Neben einer Studie des Verbands Beratender Ingenieure (VBI) liegt unter anderem auch ein Positionspapier des HDB vor. In Letzterem wird zunächst auf die eigentlichen Bestandteile der Integrierten Projektabwicklung eingegangen. Hierzu gehören demnach
- ein geteiltes Risiko-Ertrag-Modell,
- eine garantierte Kostenerstattung,
- ein weitgehender Haftungsverzicht zwischen den Teammitgliedern,
- ein auf Lean-Prinzipien basierender operativer Ansatz und
- eine Kultur der Zusammenarbeit.
Darüber hinaus definiert das am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ansässige IPA-Zentrum acht Charakteristika, die für eine IPA-Klassifizierung maßgeblich sind:
- Etablierung eines Mehrparteiensystems
- Frühzeitige Einbindung der Schlüsselbeteiligten mittels Kompetenzwettbewerbs
- Gemeinsames Risikomanagement
- Gemeinsame Entscheidungen
- Anreizsystem im Rahmen des Vergütungsmanagements
- Einsatz kollaborativer Arbeitsmethoden
- Lösungsorientierte Konfliktbearbeitung
- Kooperative Haltung der Beteiligten
IPA-Modelle in öffentlichen Vergabeverfahren möglich
Die Umsetzung eines IPA-Modells ist auch in öffentlichen Vergabeverfahren unter Geltung der VOB/A bzw. der Sektorenverordnung (SektVO) möglich. Öffentliche IPA-Projekte werden bereits regelmäßig in einem zweistufigen Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben.
In einem solchen Teilnahmewettbewerb wird die Eignung der Bieter für die Leistungserbringung geprüft. Grundsätzlich ist es möglich, die Partnerschaftsfähigkeit der potenziellen Partner bereits hier zu klären, indem Referenzen zu Projekten vorgelegt werden, in denen bestimmte partnerschaftliche Ansätze bereits realisiert wurden.
Aufwand versus Nutzen von IPA: HDB und VBI sehen Anpassungsbedarf
An dieser Stelle wünscht sich der HDB auch andere Möglichkeiten des Nachweises. Grundsätzlich wird die eigene Offenheit für die IPA betont, die Unterschiede zwischen privater und öffentlicher Auftragsvergabe müssten jedoch berücksichtigt werden.
Der VBI befindet, dass "der IPA-Ansatz insbesondere den Wunsch der Bauherrenschaft zum Ausdruck [bringt], mit allen Wertschöpfungspartnern gemeinsam auf Augenhöhe konstruktiv, zielorientiert und möglichst frühzeitig zusammenzuarbeiten." Dies könne beratenden Ingenieuren dienlich sein und zu einer Aufwertung ihrer Rolle als primäre Wertschöpfungspartner in Planungs- und Bauprojekten führen.
Gleichzeitig sei damit jedoch ein Mehr an Initiative und Projektverantwortung verbunden. Konkret müssten die Vergütungs-, Haftungs- und Risikoregelungen von IPA-Modellen noch weiterentwickelt werden. Generell stellt der VBI fest, dass eine Unverhältnismäßigkeit zwischen Transaktionsaufwand und Ressourceneinsatz bestehen kann, weshalb man, wie andere Marktakteure auch, für eine Projektvolumen von 50 Millionen Euro als Orientierungsgröße plädiert.
Ehemaliger Bundesrichter und IPA-Befürworter fordert Experimentierklauseln in Landesbauordnungen
Ein klarer Befürworter der Integrierten Projektabwicklung ist Stephan Leupertz. Der Rechtsanwalt und ehemalige Richter für Werk- und Bauvertragsrecht am Bundesgerichtshof ist seit 2013 privatwirtschaftlich im Baukonfliktmanagement und als Leiter mehrerer IPA-Konferenzen tätig. Leupertz ist davon überzeugt, dass es nichts weniger als einen Kulturwandel im Bauwesen und dazu auch eine andere Rechtslage braucht.
Konkret schlägt er beispielsweise vor, Experimentierklauseln in die Landesbauordnungen einzuführen. Mit seiner kürzlich gegründeten 3D2L GmbH möchte Leupertz die eigens entwickelte Methode der Kooperationsgestaltung umsetzen. Dabei würden drei Dimensionen (ideell, produktiv, geschäftlich-rechtlich) und zwei Level (Kooperation und Kollaboration) berücksichtigt.
Der neue Ansatz der Projektabwicklung werde laut Leupertz bereits bei ersten Großprojekten angewandt. Langfristig wolle man das aktuelle Marktumfeld, welches von Volatilität, intransparenten Wettbewerbssituationen und einem durch öffentlich-rechtliche Vorschriften überregulierten Markt geprägt sei, strukturell verbessern. Dabei müssten unter anderem die Trennung von Planung und Ausführung im Bau sowie eine "konfrontative Durchsetzung von Partikularinteressen" überwunden werden.