KI in der Tragwerksplanung - Potenziale und Herausforderungen im Planungsbüro
Die Baubranche steht als einer der größten Emittenten ganz besonders im Fokus, wenn es darum geht, die großen Herausforderungen, die mit dem Klimawandel einhergehen, zu bewältigen. Dennoch wird für eine weiterhin wachsende Bevölkerung weitergebaut werden müssen – ressourcenschonender und effizienter als je zuvor. Aus dieser großen Aufgabe geht die Notwendigkeit hervor, die großen Stellschraubender Planenden klimaeffektiv auszureizen, was nur mithilfe der Digitalisierung gelingen kann. KI wird dabei eine wichtige Rolle als unterstützende Technologie zur Optimierung einnehmen.
(Dieser Beitrag ist in der Ernst & Sohn Sonderpublikation "Attraktive Arbeitgeber im Bauingenieurwesen" im Dezember 2024 digital sowie in gedruckter Form erschienen.)
Verständnisgrundlagen zu künstlicher Intelligenz
Das Release des Generative Pre-Trained Transformers (ChatGPT) der Firma OpenAI und die einfache Verwendung auch für Laien hat die künstliche Intelligenz (KI) befeuert und ist seit einiger Zeit bereits viel diskutiert. Aber was genau ist eigentlich KI und was bedeutet die Unterscheidung zwischen schwacher KI und starker KI?
Die Ursprünge von KI-Systemen aus dem Bereich der Informatik liegen bereits in den 1950er-Jahren und handeln von dem Bestreben, menschliche Fähigkeiten, im Besonderen das Erkennen von Mustern und das Lösen von Problemen, nachzuahmen. Alle KI-Systeme, die wir momentan kennen, stellen die sogenannte schwache KI dar. Starke KI bezieht sich auf den Ansatz, bei dem die Maschine über eine dem Menschen vergleichbare Intelligenz verfügen würde und dabei aus eigenem Antrieb und mit Bewusstsein "handelt".
Für maschinelles Lernen und Deep Learning ist eine große Verfügbarkeit an Daten notwendig, auf die zurückgegriffen wird. Allerdings ist es im Teilgebiet Bauwesen noch ein Problem, dass nicht ausreichend viele Datengrundlagen zur Verfügung stehen und der Effekt maschinellen Lernens nicht besonders hoch ist.
Aktuelle Einsatzmöglichkeiten von KI in der Tragwerksplanung
Optimierungsalgorithmen, welche auf mathematischen Regeln bei vorhandenen Randbedingungen basieren, werden im Ingenieurbüro knippershelbig bürointern schon viele Jahre genutzt. Ein Beispiel dafür ist das parametrische Entwerfen. Das übergeordnete Ziel ist es, die Materialeffizienz mithilfe von KI-Tools noch weiter zu verbessern und gleichzeitig Baukosten zu senken. Im Besonderen sind die Automatisierung
und die Standardisierung wiederkehrender Aufgaben durchkleine Programme, Tools und Plug-ins von Interesse.
Da diese KI-Tools auf bereits bestehenden Daten basieren und diese als Grundlage zum Lernen nutzen, sind für einen innovativen Ansatz out of the box nach wie vor menschliche Intuition und Erfindergeist notwendig. Im Bauwesen, wo Projekte oft sehr spezifisch und einzigartig sind, kann eine unzureichende Datenbasis dazu führen, dass aus unvollständigen oder fehlerhaften Daten falsche Ergebnisse und damit potenziell gefährliche Fehlplanungen resultieren.
KI-Modelle, insbesondere solche, die auf Deep Learning basieren, machen interne Entscheidungsprozesse für Menschen schwer nachvollziehbar. In sicherheitskritischen Bereichen wie der Tragwerksplanung ist diese Intransparenz problematisch, da wir als Ingenieur:innen die Verantwortung für die Standsicherheit der Gebäude tragen. Wechselnde Randbedingungen, wie z. B. örtliche und klimatische Unterschiede oder verschiedene Gründungsverhältnisse, machen es notwendig, dass genau verstanden werden muss, wie Entscheidungen zustande kommen. Diese wechselnden Gegebenheiten lassen eine Steigerung der Prozesseffizienz, wie diese bspw. in der Automobilindustrie möglich ist, schwer zu.
Die größten Vorteile von KI ergeben sich daher aktuell während der Bau- und Betriebsphase (Bild 1). Bildbasierte Baufortschrittsüberwachung, Robotik auf Baustellen, Unterstützung der Facility-Management-Dienstleistungen und die Optimierung der Energieverbräuche eines Smart Buildings sind einige Bereiche davon. Zur bestmöglichen Nutzung müssen die Baustellen in der Ausführung flächendeckend noch digitaler werden. Analoge Pläne müssen noch mehr von Augmented Reality und einer modellbasierten Durchführung von Baustellen abgelöst werden.
Als internationales Planungsbüro mit Standorten in Stuttgart, Berlin und New York nutzt knippershelbig KI-Tools momentan v. a. dafür, über geografische Grenzen hinweg Wissens- und Datenpools effizienter zu nutzen und zu verknüpfen. Normenrecherchen, baurechtliche Fragestellungen, Übersetzungen und die Ausgabe von Programmierungscodes, z. B. in Python oder C#, sind einige der Anwendungsfälle.
Auf der Plattform GitHub wurde unter knippershelbig bspw. ein Structural Design KIT Holz für die schnelle, parametergesteuerte Bewertung von Tragelementen im Holzbau unter Berücksichtigung der aktuellen Normung des Eurocode 5 entwickelt (Bild 2). Die Idee dahinter ist, dass KI-Systeme von dieser C#-basierten Datenbank zukünftig lernen können. Entwurfstools werden regelmäßig auf eine Anwendung getestet, führen aktuell jedoch noch zu wenig brauchbaren Ergebnissen.
Zukünftige Einsatzmöglichkeiten von KI in der Tragwerksplanung
Trotz der genannten Herausforderungen wird es in Zukunft leistungsfähige KI-Tools geben, die in folgenden Bereichen Wettbewerbsvorteile bieten können und nicht unterschätzt werden dürfen (Anm.: Ergebnisse generiert von ChatGPT; Prompt: Schreibe einen Fachzeitschriftenartikel über das Thema KI in der Tragwerksplanung. Das Tragwerkplanungsbüro hat ca. 100 Mitarbeitende mit Büros in Stuttgart, Berlin und New York.):
a) Automatisierte Optimierung von Tragwerksentwürfen
Ein wichtiger Bereich, in dem KI in der Tragwerksplanung eingesetzt wird, ist die Optimierung von Entwürfen. Traditionell werden statische Berechnungen und Optimierungen manuell durchgeführt, was zeitaufwendig und fehleranfällig sein kann.
KI-Algorithmen hingegen können Designparameter wie Lasten, Materialien und Abmessungen analysieren und in kürzester Zeit optimierte Lösungen vorschlagen. Besonders bei großen und komplexen Bauprojekten können diese Tools erheblichen Mehrwert bieten, indem sie die Entwicklungszeit verkürzen.
b) Simulation und Analyse von Tragwerken
Tragwerke werden unter verschiedenen Bedingungen wie Wind, Erdbeben oder Materialermüdung beansprucht. Traditionelle Simulationsmethoden sind zwar präzise, erfordern jedoch häufig eine Vielzahl von Iterationen. KI-gestützte Modelle können diese Prozesse durch das Erlernen von Mustern in den zugrunde liegenden Daten beschleunigen und genaue Vorhersagen über die strukturelle Leistung treffen. Für das Planungsbüro kann diese Art der Simulation einen Wettbewerbsvorteil bieten, indem sie schneller belastbare Ergebnisse liefert und potenzielle Risiken frühzeitig erkennt.
c) BIM und KI-Integration
Building Information Modeling (BIM) oder auch modellbasierte Kommunikation ist in der Architektur- und Ingenieurbranche mittlerweile Standard, doch durch die Integration von KI kann die Nutzung von BIM weiter revolutioniert werden. KI-gestützte Systeme können große Mengen an Daten aus BIM-Modellen analysieren und so frühzeitig Fehler, Konflikte oder Inkonsistenzen erkennen. KI-Algorithmen können in Echtzeit Daten aus Quellen integrieren und synchronisieren, was die Zusammenarbeit verbessert und das Risiko von Missverständnissen oder Planungsfehlern reduziert.
d) Automatisierte Qualitätsprüfung
Bei der Erstellung von Tragwerksplänen spielt die Qualitätssicherung eine zentrale Rolle. Hier kann KI dazu beitragen, Fehler frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren, bevor sie zu kostenintensiven Problemen führen. Durch die Analyse von Entwurfsplänen und Bauausführungsdokumenten können KI-Algorithmen Abweichungen, potenzielle Schwachstellen oder Regelverletzungen identifizieren und den Planern in Echtzeit Vorschläge zur Verbesserung machen.
Fazit und Ausblick
Die Anwendung von künstlicher Intelligenz in der Tragwerksplanung bietet große Chancen für Planungsbüros, ihre Effizienz zu steigern. KI-gestützte Systeme eröffnen neue Möglichkeiten, um Entwürfe zu optimieren, Kosten zu senken und die Zusammenarbeit über Standorte hinweg zu verbessern.
Dennoch stehen der breiten Einführung von KI-Technologien in der Tragwerksplanung weiterhin Herausforderungen gegenüber, die von der Qualität der Daten bis hin zu rechtlichen und ethischen Fragen reichen.
Es ist abzusehen, dass der Einsatz von KI in der Tragwerksplanung in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird.
Es wird entscheidend sein, dass Planungsbüros nicht nur die technischen Möglichkeiten dieser Technologie verstehen, sondern auch die organisatorischen, rechtlichen und ethischen Implikationen in ihre Arbeitsprozesse integrieren. Die Unternehmen, die in der Lage sind, diese Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen, werden auch in der Lage sein, sich in einem zunehmend globalisierten und technologisierten Markt zu behaupten.
Der Autor ist Associate sowie Head of BIM beim Ingenieurbüro knippershelbig.