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Mike Schlaich in Afrika: Fragen zur Infrastruktur eines wachsenden Kontinents

Verfasst von: Sybille Nitsche
Veröffentlicht am: 27. Jan. 2025

"Man kann auch mit Salz Straßen bauen", notiert Mike Schlaich am 28. April 2022 in sein Tagebuch. Der renommierte Bauingenieur und Professor an der Technischen Universität Berlin befindet sich zu diesem Zeitpunkt auf einer sechsmonatigen Reise von Kapstadt nach Kairo quer durch den afrikanischen Kontinent. Im Gepäck hat er die große Frage: Wie baut man in den Ländern Afrikas?

Bevölkerungsprognose: 1,3 Milliarden Menschen mehr bis 2050

Der Grund für das durchaus anstrengende Forschungssemester bei sengender Hitze, sintflutartigen Regenfällen, in Schlamm und auf von Schlaglöchern perforierten rotstaubigen Pisten: das prognostizierte Bevölkerungswachstum in Afrika. Laut "World Population Prospects 2024" der Vereinten Nationen werden 2050 auf dem Kontinent 1,3 Milliarden Menschen mehr als heute leben.

Aktuell sind es etwa 1,48 Milliarden Menschen. "Diese Menschen werden Wohnungen brauchen, Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Brücken, Eisenbahnen, müssen mit Energie versorgt werden, benötigen Zugang zu sauberem Wasser."

Felsenkirche
Bild 1 - Im Juli 2022 besuchte der Bauingenieur und Professor Mike Schlaich die UNESCO-Weltkulturerbe-Stätte der Felsenkirchen von Lalibela im Norden Äthiopiens. Foto: Mike Schlaich

1,3 Milliarden Menschen seien das Dreifache der EU-Bevölkerung, so Schlaich weiter. Das hieße, die gesamte Infrastruktur Europas in den kommenden 25 Jahren in Afrika dreimal neu zu bauen. Und dies vor dem Hintergrund, dass bereits jetzt für Millionen von Menschen auf dem Kontinent diese Infrastruktur fehlt.

In der Wüste Bayuda im Sudan beobachtet er auf seiner Reise, wie sich die Menschen aus einem Brunnenloch mit Eseln und aus Ziegenhäuten zusammengenähten Säcken mit Trinkwasser versorgen. "Nur 7 Prozent der Bevölkerung haben in Sudan Wasser- und Abwasseranschluss. Laut UNICEF verfügen in diesem Land nur 53 Prozent der ländlichen Haushalte über Zugang zu Trinkwasserquellen, die innerhalb von 30 Minuten zu Fuß erreichbar sind", so Mike Schlaich.

Regionale Bedingungen – regionale Lösungen?

Insgesamt bereiste der Wissenschaftler zwölf Länder des südlichen und östlichen Afrikas. Dabei interessierte ihn das lokale und regionale Bauingenieurwesen in Forschung, Lehre und Praxis. Forschungsgegenstände waren dabei unter anderem Brücken, Straßen, Gebäude und speziell Wohnhäuser.

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Bild 2 - "Man kann auch mit Salz Straßen bauen", notiert Mike Schlaich am 28. April 2022 in sein Tagebuch, nachdem er die Salzstraße entlang der Skeleton Coast in Namibia gesehen hat. Foto: Mike Schlaich

Seine Erkenntnisse und Ansichten hat Mike Schlaich 2024 in einem Buch mit dem Titel "Bauen in Afrika" veröffentlicht. Neben den beschreibenden, oft vor allem Fragen aufwerfenden Texten, finden Lesende darin aufwendig recherchierte und anschaulich gelayoutete Grafiken.

Mike Schlaich stellt sich in seinem Buch folgende Fragen:

  • Gibt es einen jeweils landeseigenen Bauingenieur-Ansatz, der auf den regionalen Bedingungen (Geografie, Klima, Materialien, Bautraditionen) fußt und sich dem prognostizierten Bevölkerungswachstum stellt?
  • Werden Nachhaltigkeitsfragen behandelt?
  • Spricht man im jeweiligen Land von einer Ingenieurbaukunst, also von einem Bauingenieurwesen mit formal und technisch anspruchsvollen Bauwerken?

Straßen und Schienen verbessern Lebensqualität

"Bauen in Afrika" gliedert sich in drei Kapitel. Der erste Teil ist ein Abriss über Afrikas Baugeschichte. Im reich bebilderten zweiten Teil namens "Tagebuch" nimmt er die Leser mit zu ausgewählten Stationen seiner Reise mit dem besonderen Blick des Bauingenieurs. An der bedeutenden Makerere-Universität in Uganda zum Beispiel nimmt er erfreut zur Kenntnis, dass dort das Bauingenieurwesen zusammen mit Kunst und Design eine Hochschule bilden.

Er besichtigt hochmodern ausgestattete Labore, wie die der University of Pretoria, fährt zu Weltkulturerbestätten, wie den Felsenkirchen von Lalibela in Äthiopien, sieht Bibliotheken, Gehöfte der Maasai und immer wieder Brücken, darunter Afrikas längste Hängebrücke in Mosambik. Als Massivbauprofessor interessieren ihn diese Bauwerke besonders. Viele Brücken, die er passiert und technisch akribisch beschreibt, stammen aus der Kolonialzeit.

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Bild 3 - Die Old Blue Nile Bridge, erbaut zwischen 1907 und 1909, war eine der ersten Brücken, die in der sudanesischen Hauptstadt Khartoum über den Nil führte. Foto: Mike Schlaich

Die neueren Bauwerke wurden oft von chinesischen Firmen in sehr hohem Tempo gebaut. China "bedient" nach Ansicht des Autors die Notwendigkeit, die für alle zwölf Länder gilt, wenn auch mit unterschiedlicher Dringlichkeit, dass diese Länder infrastrukturell entwickelt werden müssen. Schlaichs Beobachtungen decken sich mit Zahlen der Weltbank über den Zusammenhang zwischen Wohlstand und Infrastruktur. Demnach geht es den Menschen dort besser, wo Straßen und Schienen sind.

Den Kriterien für Nachhaltigkeit und ressourcenschonendes Bauen halten die "chinesischen" Brücken, welche Schlaich auf seiner Reise gesehen hat, nicht stand. Den ästhetischen Ansprüchen des Fachmanns an eine Brücke genügen sie schon gar nicht. Bei allem Respekt vor der Bauleistung des Nairobi Expressway durch chinesische Unternehmen notiert er: "Beim Blick auf die Brücke kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass es hier mindestens ein Opfer gegeben hat: die Baukultur."

Schlaich: Afrika muss Fehler des globalen Nordens im Brückenbau nicht wiederholen

Sein Blick auf die koloniale und postkoloniale Zeit und auf die Gegenwart des Bauens in den bereisten Ländern, seine Beschreibungen des Erlebten, das Kondensat seiner Gespräche mit Wissenschaftlern, Studierenden und Bauschaffenden sowie seine umfänglichen nachträglichen Recherchen verweben sich im dritten Kapitel zu "Überlegungen" über die Zukunft des Bauens auf dem afrikanischen Kontinent.

Es sind Gedanken zu den sieben Themenfeldern Universitäten, Solarenergie, Beton, Brückenbau, Straßen und Schienen, China und Wohnungsbau. In einem heißt es, dass Afrika das Potenzial habe, angesichts unbegrenzt zur Verfügung stehender Sonnenenergie das fossile Zeitalter zu überspringen. In einem anderen hält er fest, dass Beton "der Baustoff für die Zukunft Afrikas" werden könnte und warum er, der Brückenbauexperte, es überlegenswert findet, künftig vielleicht nicht jede Brücke zu bauen. Schlaich sieht keinen Grund, die Fehler des globalen Nordens im Brückenbau in Afrika zu wiederholen.