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Musterbauordnung 2016 regelt Kennzeichnung von Bauprodukten neu

Verfasst von: RAin Nina Harr
Veröffentlicht am: 27. Jan. 2017
Kategorie:

# 31.01.2017

Anpassung der Landesbauordnungen an neue Musterbauordnung läuft. Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt) gibt Hinweise für Übergangszeit. Materielle Anforderungen an Bauwerke sollen bestehen bleiben

EuGH-Urteil führt zu neuer Musterbauordnung

Die hohen materiellen Anforderungen an ein Bauwerk sollen trotz der angepassten Musterbauordnung erhalten bleiben. Foto: Uli Carthäuser / Pixelio
Die hohen materiellen Anforderungen an ein Bauwerk sollen trotz der angepassten Musterbauordnung erhalten bleiben. Foto: Uli Carthäuser / Pixelio

Alle Bundesländer passen derzeit ihre Landesbauordnungen an die neue Musterbauordnung an. Die Änderungen werden weit reichende Konsequenzen für alle am Bau Beteiligten haben. Die alt bekannten Bauregellisten werden abgeschafft und die Regelungen zur Verwendung von Bauprodukten sowie deren Kennzeichnung mit "CE" oder "Ü" neu gefasst.

Angefangen hat alles im Oktober 2014: Der EuGH hatte damals die landesbauordnungsrechtlichen Vorgaben für die Verwendung und Kennzeichnung von Bauprodukten in Deutschland teilweise für europawidrig erklärt (EuGH, Urteil vom 16.10.2014, Rs. C-100/13).

Als Reaktion darauf hat die Bauministerkonferenz den Entwurf einer Änderung der Musterbauordnung (MBO) veröffentlicht. Dieser wurde angepasst und im Mai 2016 beschlossen. Das europäische Notifizierungsverfahren ist im August 2016 abgeschlossen worden. Die MBO ist somit schon von europäischer Seite aus "genehmigt". Da die MBO selbst nicht rechtsverbindlich ist, müssen die Länder ihre Bauordnungen an die MBO anpassen.


Kein zusätzliches Ü-Zeichen für Bauprodukte mit CE

Die EU-Kommission (und der EuGH) haben beanstandet, dass an Bauprodukte im Geltungsbereich europäisch harmonisierter Normen, die das CE-Zeichen tragen, in Deutschland zusätzliche nationale Anforderungen über die Bauregellisten gestellt wurden.


Beispiel: CE-Zeichen für Fenster laut harmonisierter Norm DIN EN 14351-1

Bei einem Fenster handelt es sich um ein Bauprodukt im Geltungsbereich einer harmonisierten Norm, nämlich der DIN EN 14351-1. Um das Produkt in den Verkehr bringen zu dürfen, hat der Hersteller das Fenster gemäß der Bauproduktenverordnung mit einem CE-Zeichen zu kennzeichnen. In der Vergangenheit hat das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) über die Bauregellisten verlangt, dass im Rahmen eines zusätzlichen Ü-Zeichens angegeben werden muss, dass die Bestandteile des Fensters mindestens normal entflammbar sind.


Länder geben Hinweise für Übergangszeit

Derzeit sind aber nur wenige Landesbauordnungen – z. B. die in Sachsen-Anhalt – in neuer Fassung in Kraft getreten. Das ganze Umsetzungsprozedere wird sich wohl weit in das Jahr 2017 hinziehen. Die Länder haben aber "Vollzugshinweise" für die "Übergangszeit" erteilt. Diese sind auf der Homepage des DIBt zusammengestellt und länderspezifisch zu beachten.

Übergangsweise gilt noch die Bauregelliste Ausgabe 2016/1, die am 15.10.2016 in Kraft getreten ist. Sie wird aber bald abgeschafft. An ihre Stelle und die der "Technischen Baubestimmungen", die nach § 3 Abs. 2 "alte" MBO zu beachten waren, soll eine Verwaltungsvorschrift der Technischen Baubestimmungen (VV TB) treten. Sie ist aber noch nicht verabschiedet.

Noch ist nämlich unklar, ob die VV TB von europäischer Seite akzeptiert wird bzw. in welchem Umfang oder mit welchem Inhalt. Das Verfahren wird sich mindestens bis Ende Januar 2017 hinziehen.

Insider gehen davon aus, dass die VV TB noch überarbeitet und gekürzt werden muss. Derzeit ist sie aufgeteilt in vier Abschnitte:

  • "Technische Baubestimmungen, die bei der Erfüllung der Grundanforderungen an Bauwerke zu beachten sind" (Teil A)
  • "Technische Baubestimmungen für Bauteile und Sonderkonstruktionen, die zusätzlich zu den in Abschnitt A aufgeführten Technischen Baubestimmungen zu beachten sind" (Teil B)
  • "Technische Baubestimmungen für Bauprodukte, die nicht die CE-Kennzeichnung tragen" (Teil C)
  • Bauprodukte, die keines Verwendbarkeitsnachweises bedürfen (Teil D)


Anforderungen an Bauwerke bleiben unangetastet

Da die Verfasser der neuen MBO und der VV TB sicherstellen wollten, dass die "Bauwerkssicherheit" trotz des Wegfalls des Ü-Zeichens für harmonisierte Bauprodukte gewährleistet bleibt, wurden Regelungen geschaffen, die sich nicht – wie bislang – auf das Bauprodukt selbst konzentrieren, sondern auf das herzustellende Bauwerk.

Mit anderen Worten: Die "materiellen Anforderungen an Bauwerke" sollen trotz der Gesetzesänderungen bestehen bleiben. Der Bauherr, der Entwurfsverfasser und die beauftragten Unternehmen sind auch weiterhin verpflichtet, die Anforderungen einzuhalten, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an bauliche Anlagen gestellt werden.


Nachweis für Einhaltung der bauaufsichtlichen Anforderungen ungeklärt

Wie beschrieben, darf ein Fenster künftig nur noch das CE-Zeichen und kein Ü-Zeichen mehr mit Angaben zum Brandverhalten tragen. Auch gibt es in der VV TB keine wörtliche Forderung bzw. produktunmittelbare Anforderung mehr, dass die Bestandteile eines Fensters mindestens normal entflammbar sein müssen. § 26 Abs. 1 S. 2 MBO schreibt aber weiterhin vor, dass Baustoffe, die nicht mindestens normal entflammbar sind, nicht verwendet werden dürfen.

Die VV TB formuliert unter Teil A 2.1.2 des Weiteren "Anforderungen an das Brandverhalten von Teilen baulicher Anlagen". Diese müssen auch beachtet werden, wenn ein europäisch harmonisiertes Bauprodukt verwendet wird. Ein Bauprodukt, das die CE-Kennzeichnung trägt, darf nach § 16c MBO nämlich nur dann verwendet werden, wenn die "... erklärten Leistungen den in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes festgelegten Anforderungen für diese Verwendung entsprechen."

Es wird derzeit diskutiert, wie ohne Ü-Zeichen nachgewiesen werden kann, dass die maßgeblichen bauaufsichtlichen Anforderungen eingehalten werden. Aus Baden-Württemberg stammt der Vorschlag, dass zum Nachweis z.B. ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis dienen kann, dessen Nebenbestimmungen nicht mehr eingehalten werden oder dessen Befristung abgelaufen ist. Auch "freiwillige" Herstellerangaben stehen in Rede.


Auswirkungen auf Tagesgeschäft erheblich

Der Einfluss dieser Neuerungen auf Ihr Tagesgeschäft sind erheblich: Denn es steht fest, dass Sie als Planer mehr denn je in die Verantwortung genommen werden. Das liegt daran, dass Sie diejenigen sind, die z.B. die freiwilligen Herstellerangaben abfragen müssen.

Sie müssen sich eine Übersicht verschaffen, welche Anforderungen nicht mehr mit dem Ü-Zeichen nachgewiesen werden können und dürfen, um so die gewünschten oder erforderlichen Anforderungen formulieren und ausschreiben zu können.

Die in der Verwaltungsvorschrift der Technischen Baubestimmungen aufgeführten Vorschriften müssen Sie in

  • der Genehmigungsplanung,
  • der Ausführungsplanung und
  • bei der Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe
berücksichtigen.

Als Planer haben Sie die Pflicht, die in der VV TB enthaltenen besonderen Anforderungen an die - für die Errichtung der baulichen Anlagen - zu verwendenden Bauprodukte zu ermitteln und zu beschreiben. Und Sie müssen anhand der MBO in Verbindung mit der VV TB prüfen, ob die entsprechenden Bauprodukte bei dem Projekt auch verwendet werden dürfen.


Fazit: Planungsverantwortung gebietet Vorgabenkenntnisse

Alle Planer müssen sich mit den Änderungen und Vorgaben der neuen Landesbauordnungen und der VV TB befassen, um ihrer Planungsverantwortung gerecht zu werden. Die Bundesarchitekten- und -ingenieurkammer haben dazu ebenfalls Informationsmaterial zusammengestellt.



QUELLEN UND VERWEISE:

Planungsbüro professionell (PBP)
Wortlaut der neuen Musterbauordnung (MBO)
Vollzugshinweise der Bundesländer
Deklarationsverbot für Bauprodukte: Anforderungsdokumente statt Ü-Zeichen
Bundesingenieurkammer zur Anpassung der Musterbauordnung (MBO) - PDF