Nachgefragt bei: Andreas Ostermann
# 26.05.2017
Dipl.-Ing. (FH) BDB Andreas Ostermann vom BDB - Bund Deutscher Baumeister Architekten und Ingenieure Frankfurt Rhein Main e.V. - Jeder Bauingenieur tickt in seiner beruflichen Praxis anders. Arbeitsabläufe und Planungen gestalten sich, je nachdem, worauf der Einzelne Wert legt, unterschiedlich. Um den individuellen Eigenschaften erfolgreicher Ingenieure auf die Spur zu kommen und ihre Tipps und Hinweise für den Beruf für alle nutzbar zu machen, heißt es bei bauingenieur24 einmal im Monat "Nachgefragt bei ...". Bauingenieure und Experten ihres Faches liefern dabei im Interview aufschlussreiche Antworten zu unseren Fragen.
Dipl.-Ing. (FH) BDB Andreas Ostermann ...
… ist Vorsitzender des BDB - Bund Deutscher Baumeister Architekten und Ingenieure Frankfurt Rhein Main e.V. in Hessen. Der BDB-HessenFrankfurt ist mit rund 500 Mitgliedern der mitgliederstärkste Berufsverband im Baubereich für Architekten, Ingenieure und Unternehmer. Ostermann leitet darüber hinaus die Baumeister Akademie, welche Fortbildungen speziell für Mitglieder des BDB-HessenFrankfurt anbietet.
Hauptberuflich ist Andreas Ostermann im eigenen Ingenieurbüro für Baumanagement tätig. Die Projektleitung, die Baubetreuung sowie die Abrechnung von Bauleistungen zählen ebenso zu den Fachgebieten wie die Abwicklung von Großprojekten.
Herr Ostermann, was fordert Sie aktuell beruflich besonders?
Der BDB-HessenFrankfurt hat in den letzten Jahren den Weg vom traditionellen Berufsverband zur aktiven berufsständischen Vertretung erfolgreich beschritten. Wir verstehen uns als dynamischer Berufsverband mit Erfahrung und Zukunft. Das fordert alle Kollegen im Vorstand besonders und ich bin dankbar, die Interessen der Bauschaffenden in Hessen mit einem so aktiven Team vertreten zu können.
Ein wichtiges aktuelles Projekt ist für mich die Baumeister Akademie, die für alle Bauschaffenden zu einer festen Größe im Fortbildungsangebot in Hessen werden soll. Mit dem Zertifikatslehrgang "Qualitätsmanager Baurecht .BA" bieten wir beispielsweise das komplette Bau- und Architektenrecht in einem komprimierten Kompaktkurs an. Entsprechende Formate für die Fachbereiche Brandschutz und allgemeiner Hochbau sollen folgen.
Mit dem Bauschäden-Forum in Rottach-Egern bieten wir zudem zweimal im Jahr eine Diskussionsplattform für alle Bauschaffenden. Das bietet so sonst keiner in Hessen.
Nebenbei muss das Ingenieurbüro auch noch laufen.
Wie lange sind Sie schon in der Branche tätig und warum?
Ich war immer technikinteressiert. Die Aussicht, im Beruf nicht nur Akten zu bewegen, sondern etwas Bleibendes gestalten zu können, hat mich fasziniert. Viele in meiner Familie haben handwerkliche Berufe ausgeübt. Mein Großonkel hat mit seiner Baufirma in Erlangen mit mehreren hundert Mitarbeitern zahlreiche große Projekte verwirklicht. Da gab es eine natürliche Nähe zur Branche.
Begonnen habe ich meine berufliche Laufbahn 1998 bei der Walter Bau AG. 2007 habe ich dann das eigene Ingenieurbüro gegründet.
Das Engagement für den Berufsverband hat wiederum schon im Studium begonnen und ist für mich eine ganz wichtige Herzensangelegenheit. Die Baubranche erhält für den täglichen Berufsalltag viele Vorgaben von Dritten. Eine starke Stimme der Bauschaffenden ist da unerlässlich. Dafür brauchen wir fähige Köpfe und Engagement.
Wie bewerten Sie die aktuelle Personalsituation in der Baubranche?
Bildung ist grundsätzlich wichtig und richtig, das ist unstreitig. Aber die Politik hat den großen Fehler gemacht, Wohlstands- und Karriereversprechen vorrangig auf eine akademische Bildung auszurichten. Die akademische Ausbildung nimmt Überhand.
Eine Akademisierung des Arbeitslebens ist die Folge. Für Stellen, die früher mit einem Kaufmann besetzt wurden, wird heute ein Betriebswirt gesucht. Architekten machen die Arbeit von Bauzeichnern und Juristen arbeiten dort, wo früher Rechtspfleger tätig waren.
Der gesellschaftliche Imperativ zu Abi und Studium ist zu groß. Uns fehlen gute Handwerker. Dabei hat das nichts mit Verdienstchancen zu tun. Mancher Polier verdient mehr als ein Bauingenieur, der auf der gleichen Baustelle als Bauleiter tätig ist.
Es gibt vielmehr ein Imageproblem. Das müssen wir zusammen mit anderen Verbänden und dann mit der Politik angehen. Mit dem Verband Baugewerblicher Unternehmer Hessen haben wir diesbezüglich bereits eine Nachwuchskampagne gestartet. Die Resonanz auf unseren Auftakttermin auf der Lehrbaustelle in Schlüchtern war überwältigend. Wir haben offensichtlich ein Thema angesprochen, dass viele bewegt. Mittlerweile hat der Fernsehsender RTL mit unserer Nachwuchskampagne das Ausbildungszentrum in Nidda besucht. Der nächste Termin ist in Bad Vilbel geplant.
Wir wollen Lust auf das Bauen machen. Ganz ohne BIM und CAD.
In welche Technik investieren Sie generell?
Aktuelle Rechner, große Bildschirme, schnelles Internet, Handy und die büroübliche Software gehören mittlerweile zum Standard. Ich stehe aber Forderungen nach immer mehr Digitalisierung in der Baubranche eher skeptisch gegenüber. Für Großprojekte mag es im Rahmen von Planung und Ausschreibung gegebenenfalls Sinn machen über BIM viel mehr Informationen früher digital für alle verfügbar zu machen. Für mittlere und kleine Projekte steht und fällt eine gute Bauausführung und termin- und kostentreue Bauabwicklung meiner festen Überzeugung nach mit dem guten Fachunternehmen und dem guten Facharbeiter vor Ort. Das kann durch BIM nicht ersetzt werden.
Auf wen hören Sie beruflich?
Der Austausch unter Kollegen ist mir wichtig. Gerade im kleinen Büro braucht man den Meinungsaustausch mit anderen Büros, die gleiche Sachverhalte vor sich haben. Ich schätze hier sehr den Dialog, der sich über den Berufsverband bietet.
Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?
Als Verbandsvertreter habe ich naturgemäß viele Wünsche, zum Beispiel beim Thema Wohnungsbau. Es wird zuviel über Wohnungsmangel geredet und zu wenig dagegen getan. In Hessen vermisse ich ein Bauministerium. Im Umweltministerium diskutiert die "Allianz für Wohnen in Hessen" und parallel wird im Wirtschaftsministerium gerade die Hessische Bauordnung HBO novelliert. Bis die "Allianz für Wohnen" abschließende Empfehlungen vorgelegt hat, ist die Novellierung der HBO wohl abgeschlossen.
Eine so wichtige Branche wie die Baubranche braucht einen zentralen Ansprechpartner für alle Belange. Wir brauchen ein Bauministerium, wie es beispielsweise Nordrhein-Westfalen hat.
Eine weitere Forderung ist, den sozialen Wohnungsbau zu stärken. Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften müssen verstärkt zur Schaffung von sozialem Wohnraum verpflichtet werden. In Zeiten, in denen Wohnen für viele Menschen zur Hauptsorge wird, ist das Überbieten von gesetzlichen Klimaschutzforderungen nur zweitwichtigstes Unternehmensziel. Es braucht "Soziale Wohnraummacher" in unseren Ballungsgebieten.
Zur aktuellen Gesetzgebung fordert der BDB, dass die Novellierung der HBO die bauaufsichtlich eingeführten Technischen Baubestimmungen reduziert, die Sonderbauten enger fasst, den Schallschutz klarer regelt, Abstandsflächen neu definiert und Barrierefreiheit pragmatischer handhabt. Unser Verband hat dazu ein umfangreiches Impulspapier vorgelegt. Wir hoffen, dass wir diesbezüglich gehört werden.
Von der Bundespolitik wünsche ich mir ein Aussetzen der Erhöhung von Anforderungen aus der EnEV. Und die EU sollte das bewährte Preisrecht der HOAI akzeptieren.
Wie sieht Ihre individuelle Weiterbildung aus?
Unsere Baumeister Akademie verfügt für mich über ein sehr umfangreiches Weiterbildungsangebot. An vielen Seminaren nehme ich selbst teil.
Immer dann, wenn mich ein neues Thema interessiert, stelle ich bei Kollegen fest, dass dort auch entsprechendes Fortbildungsinteresse besteht. Dann machen wir einfach ein Seminarangebot draus. Diese Unmittelbarkeit der Bedarfserfassung ist Teil unseres Erfolges.
Welchen Ausgleich haben Sie zum Beruf?
Ich genieße in meiner Freizeit vor allem die Natur und die Ruhe. Im Sommer werde ich wieder Fahrradfahren und wenn Zeit bleibt, tanze ich gerne Salsa und Disco-Fox.