Nachtragsvergütung: Was sind tatsächlich erforderliche Kosten?
Besondere Kostenbeschreibung erstmals 2018 im BGB erwähnt
Das Thema "tatsächlich erforderliche Kosten" wird Bauunternehmen künftig noch intensiv beschäftigen. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz gibt eine Andeutung, wie denn diese "tatsächlich erforderlichen Kosten" darzustellen sind.
Zunächst ein kurzer Schwenk in den Hintergrund der Geschichte: Die Neuregelung des Bauvertragsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), welche zum 1. Januar 2018 in Kraft trat, hat die Begrifflichkeit erstmals gebräuchlich gemacht.
In § 650c BGB heißt es: Die Höhe des Vergütungsanspruchs für den infolge einer Anordnung des Bestellers nach § 650b Absatz 2 vermehrten oder verminderten Aufwand ist nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn zu ermitteln.
Alternativ kann der Unternehmer beim BGB-Bauvertrag "auf die Ansätze in einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation zurückgreifen". Der Bauunternehmer hat bei einem BGB-Bauvertrag also ein grundsätzliches Wahlrecht, wie er seine Nachtragsvergütung berechnen will.
Tatsächlich erforderliche Kosten: VOB kennt Begrifflichkeit bislang nicht
Anders sieht es beim VOB-Vertrag aus. Dort ist die Sache bislang nicht so wie im BGB geregelt. In die nächste Ausgabe der VOB/B, die vermutlich 2024 erscheinen wird, könnte diese Regelung jedoch übernommen werden.
Hintergrund ist, dass der Bundesgerichtshof (BGH) für § 2 Abs. 3 VOB/B (Urteil vom 08.08.2019 – VII ZR 34/18) und das OLG Düsseldorf (Urteil vom 19.12.2019 – 5 U 52/19) inzwischen auch für geänderte Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B die "tatsächlich erforderlichen Kosten" für die Nachtragsberechnung als Grundlage definiert haben.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist insbesondere der Hinweis, dass weder das BGB noch die beiden Urteile von "tatsächlichen Kosten", sondern von "tatsächlich erforderlichen Kosten" sprechen. Das ist ein gewaltiger Unterschied für die Bauunternehmen.
Neue VOB/B: Erheblicher Zusatzaufwand für Bauunternehmen nicht ausgeschlossen
"Tatsächliche Kosten" würde bedeuten, dass ein Bauunternehmer "nur" nachweisen müsste, welche zusätzlichen Kosten ihm für eine Änderungsleistung entstanden sind. "Tatsächlich erforderliche Kosten" bedeutet jedoch, dass die Baufirma unter Umständen erheblichen zusätzlichen Aufwand hat.
Sie muss nicht nur nachweisen, dass die Kosten angefallen sind, sondern auch, dass sie die infolge der Änderung nötigen Materialkäufe oder Nachunternehmerleistungen nicht günstiger einkaufen hätte können. Sie wird also notgedrungen nachweisen müssen, dass sie mehrere Angebote eingeholt hat und der Einkauf dem günstigsten Angebot entsprach.
Das wird im Einzelfall in der Praxis durchaus schwierig werden. Ein Beispiel: Ein Nachunternehmer ist beauftragt, unbelastetes Erdreich auszuheben und zu entsorgen. Plötzlich tritt kontaminierter Boden auf. Der Auftraggeber müsste nun also mehrere Nachunternehmerangebote einholen für Aushub und Entsorgung kontaminierten Erdreichs und unter Umständen einen anderen Nachunternehmer hierfür beauftragen, wenn der günstiger ist als der bisherige Subunternehmer.
Letzterer würde also dann weiter das unbelastete Material ausheben und jedes Mal, wenn wieder eine Baggerschaufel kontaminierter Boden auftaucht, darf bzw. muss der neue baggern. Man darf gespannt sein, wie sich das entwickelt.
OLG Koblenz: Tatsächlich erforderliche Kosten sind schlüssig darzulegen
Ebenso gespannt darf man sein, wie die Rechtsprechung die "tatsächlich erforderlichen Kosten" interpretieren wird. Als eines der ersten Gerichte hat sich das OLG Koblenz aus der Deckung getraut. Hier dessen Beschluss vom 20.06.2022 – 1 U 2211/21 (BGH, Beschluss vom 15.02.20223 – VII ZR 138/22, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen):
- Sowohl im Fall der Mengenmehrung als auch der geänderten Leistung ist die Ermittlung des neuen Preises für die Mehrleistung im VOB/B-Vertrag auf der Grundlage der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge vorzunehmen.
- Der Auftragnehmer hat die tatsächlich erforderlichen Kosten schlüssig darzulegen. Will er mangels Nachweisbarkeit der Kosten auf Marktpreise abstellen, erfordert dies eine substantiierte Darlegung der zum Zeitpunkt der Bauausführung geltenden Marktpreise.
- Baustellenbezogene Gemeinkosten können nicht als Zuschlag, sondern nur nach tatsächlichen Kosten in Ansatz gebracht werden.
- Soweit Allgemeine Geschäftskosten abgerechnet werden, ist dies zwar grundsätzlich über angemessene Zuschläge möglich. Allerdings kann die Angemessenheit des Zuschlags nicht mit dem Verweis auf die Kalkulation des Auftragnehmers begründet werden.
- Die Kosten für die Erstellung eines Nachtragsangebots sind nicht vom Auftraggeber als Mehrkosten zu erstatten.