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Neue Eigenheime: Heute klimaschädlich, morgen leerstehend?

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 28. Juni 2023

Neubau von Eigenheimen im Widerspruch zu Klimaschutzzielen

Die Lage im Wohnungsbau ist derzeit mehr als angespannt. Die Bundesregierung versucht, teils mit neuen Förderprogrammen, gegenzusteuern. Dabei kollidiert jedoch das politische Bestreben, dem Eigenheimwunsch vieler Bürger nachzukommen, mit den hochgesteckten nationalen und internationalen Klimaschutzzielen im Baubereich.

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Ein Einfamilienhaus sollte nach den Erkenntnissen der ökologischen Raumentwicklungsforschung von Anfang an so geplant werden, dass es sich in mehrere separate Wohnungen teilen lässt. Dadurch wird es langfristig nutzbar und damit nachhaltiger. Foto: Eva-Maria Tittel / IÖR-Media

Für einen Ausgleich dieser beiden widersprüchlichen Ziele sollen hohe ökologische Standards beim Bauen sorgen. Diese Vorgaben ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass der Bestand an Einfamilienhäusern die Kommunen in einigen Jahren in punkto Nachhaltigkeit vor erhebliche Herausforderungen stellen könnten.

Zu diesem Ergebnis kommen Forschende des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR). Im Projekt DemRess haben sie für das Umweltbundesamt untersucht, wie sich der demografische Wandel auf den Ressourcenverbrauch im Bereich Wohnen und Bauen auswirken wird. Dabei wurden verschiedene Szenarien und Handlungsansätze geprüft. Zunächst haben die Forschenden die Entwicklungen bis 2030 für die gesamte Bundesrepublik auf Basis verschiedener Modellrechnungen abgeschätzt.

Für einen zweiten Teil der Untersuchung wurden zwei Mittelstädte für Fallstudien ausgewählt, darunter eine Kommune mit rückläufiger und eine mit stabiler Bevölkerungsentwicklung. An diesen konkreten Beispielen wurden mögliche Trends und Handlungsoptionen mit einem Zeithorizont bis 2045 untersucht. Besonderes Augenmerk legten die Forschenden auf die Entwicklung von Einfamilienhausbeständen aus den 1950er bis 1970er Jahren.

Ab 2030 droht Leerstand im Einfamilienhaus-Bestand

Eines der Forschungsergebnisse besagt, dass sich die Kommunen ab 2030 auf zunehmende Leerstände im Einfamilienhaus-Sektor einstellen müssen, egal ob die Einwohnerzahl stabil bleibt oder sinkt. Hintergrund ist die abnehmende Zahl der Haushalte in Deutschland ab dem Jahr 2030. Für viele der in den 1950er bis 1970er Jahren errichteten Einfamilienhäuser würden sich dann keine Nachnutzer mehr finden, so die Schlussfolgerung der Forschenden.

Ein ähnliches Schicksal könnte am Ende auch den jetzt geförderten Neubauten drohen. "Damit sie nicht in ein paar Jahren zum Problem werden, braucht es eine vorausschauende Planung, sowohl auf Seiten der Fördermittelgeber wie auf Seiten der Bauenden", erläutert Andreas Blum, Projektleiter im IÖR.

Aus eins mach zwei: Umbau von Immobilien schont Ressourcen

Als eine für sinnvoll erachtete Maßnahme wird die mitgedachte und eingeplante Teilbarkeit eines Einfamilienhauses in kleinere Wohneinheiten genannt. Aufseiten der Bauherren hieße vorausschauendes Planen vor allem, die Immobilie möglichst lange selbst zu bewohnen und zugleich alternative Nutzungen zu ermöglichen.

"Das heißt, schon beim Bau der Immobilie sollte man darauf achten, dass sich das neue Haus über die Zeit mit geringem Aufwand so umgestalten lässt, dass der Raumbedarf in den verschiedenen Phasen der Familienplanung gedeckt ist", erläutert Soziologe Andreas Blum.

So ließe sich ein Haus zunächst in der Phase der Familiengründung als eine große Wohnung nutzen. Verlässt der Nachwuchs das Haus, können die verbleibenden Eltern einen Teil des Hauses als kleinere Wohnung nutzen. Der nicht selbst genutzte Teil des Hauses ließe sich an andere Personen vermieten oder veräußern.

Wird das Haus für die Familie von Anfang an besonders konsequent als Zweifamilienhaus mit zwei kleineren vollwertigen separaten Wohneinheiten gebaut, ließen sich zusätzliche Kosten abmildern, wenn Förderprogramme für jede einzelne Wohnung gelten, wie etwa bei der aktuellen KfW-Förderung von klimafreundlichem Neubau.

Nachhaltiger Wohnungsbau: Verschiedene Nutzungsarten verlängern Nutzungsdauer

Neben den baulichen und ökologischen Vorteilen der nachhaltigeren Planung sehen die Forschenden auch mehrere soziale: Ältere und kleinere Haushalte könnten länger in ihrem angestammten Wohnumfeld bleiben, ohne übermäßige Ressourcen in Form einer überdimensionierten Wohnung in Anspruch zu nehmen und unterhalten zu müssen.

Durch das Teilen großer Immobilien lasse sich auch der steigende Bedarf an kleinem Wohnraum besser decken. Ebenso sinke die Gefahr, dass Immobilien leer stehen, weil sich keine Nachnutzer finden. Wohngebiete blieben somit insgesamt attraktiver.

Welche weiteren Auswirkungen der demografische Wandel für den Ressourcenverbrauch im Bereich Wohnen und Bauen mit sich bringt und welche Handlungsoptionen sich für Städte und Gemeinden ergeben, haben die Forschenden des IÖR in Ausgabe 144/2022 der Reihe "Texte" des Umweltbundesamtes zusammengefasst.

In Teilen decken sich die Vorschläge mit den zunächst als radikal empfundenen, inzwischen aber viel beachteten Ansätzen des bereits 2016 erschienen Buches "Verbietet das Bauen!" von Daniel Fuhrhop.