Nordische Kombination: Wie skandinavische Ingenieurdienstleister das digitale und nachhaltige Bauen in Deutschland vorantreiben
Infrastrukturbau: Private Dienstleister erfüllen weltweit staatliche Pflichten der Daseinsvorsorge
Die gebaute technische Infrastruktur bedingt ein ganzheitliches Denken. Kein Wasser- oder Heizkraftwerk, kein Windpark und auch kein Rechenzentrum kann ohne Anschluss an ein flächendeckendes Netz seiner Versorgungsfunktion nachkommen.
Planung, Bau und Betrieb dieser zumeist öffentlichen Netze liegen im Zuge der Daseinsvorsorge in der Verantwortung eines jeden Staates. Dieser agiert mit eigenen Unternehmen oder beauftragt private Dienstleister, welche die erforderlichen Maßnahmen entweder selbst durchführen oder die Umsetzung, beispielsweise als Generalunternehmer, koordinieren.
Was muss nun ein solches Unternehmen im Stande sein zu leisten? Wichtig sind auf der einen Seite Fachkenntnis und Erfahrung. Auf der anderen Seite zählt eine gewisse Schlagkraft in Form von Personal, mehreren Bürostandorten und technischer Ausstattung.
Diese Dinge können historisch in einem Unternehmen gewachsen sein oder sie wurden nach und nach durch Zukäufe erworben. Letztere erstrecken sich mit der Zeit über Landesgrenzen hinweg und so werden aus national begrenzten Firmen internationale Konzerne.
Skandinavische Ingenieurgesellschaften in Deutschland immer stärker präsent
Gut zu beobachten ist diese Entwicklung in Skandinavien. 2020 fusionierte die finnische Pöyry mit der schwedischen ÅF zum Ingenieurdienstleistungsunternehmen AFRY mit Hauptsitz in Stockholm. Mit aktuell etwa 19.000 Beschäftigten in über 50 Ländern erbringt die börsennotierte Gesellschaft den Großteil ihrer Dienstleistungen nach wie vor in den Kernländern Schweden, Finnland, Norwegen, Dänemark sowie in der Schweiz.
Deutlich stärker in Deutschland engagiert sich die ebenfalls von der schwedischen Hauptstadt aus agierende Sweco AB. Der Architektur- und Ingenieurdienstleister beschäftigt hierzulande derzeit etwa 1.600 Mitarbeitende. Beide Unternehmen, AFRY und Sweco, erbringen vor allem Planungs- und Beratungsleistungen sowie Aufgaben des modernen BIM-basierten Bauprojektmanagements. Das Gebot der Nachhaltigkeit spielt dabei eine große Rolle und die Konzerne schreiben es sich explizit auf die Fahnen.
Ganz dem Wandel hin zu einer ganzheitlich "grünen" Infrastruktur auf der Basis von Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft, Resilienz und Biodiversität hat sich ein weiterer skandinavischer Ingenieurdienstleister verschrieben. Die dänische Ramboll-Gruppe begründet dies unter anderem mit dem gemeinnützigen Anspruch ihres Mehrheitsaktionärs (97%), der Ramboll-Stiftung (Ramboll Fonden).
Dänische Ramboll: Mit Windkraft- und Wasserstoffprojekten zur globalen Marktführerschaft
Ramboll will nach eigener Aussage "globaler Marktführer im Bereich der grünen Energiewende" werden. Das Projektvolumen im Energiesektor, insbesondere in den Bereichen Power-to-X, Netzausbau, Offshore-Umspannwerke für Windkraftanlagen aber auch grüner Wasserstoff sowie die Abscheidung und Nutzung von Kohlenstoffdioxid, wächst rasant.
"Unsere Strategie zielt darauf ab, unser Angebot weiter zu diversifizieren. Dies schließt das Wachstum in solchen Bereichen mit ein, in denen wir bereits sehr präsent sind, zum Beispiel in der Offshore-Windkraft", sagt Ramboll-CEO Jens-Peter Saul.
In Dänemark und Norwegen arbeitet Ramboll mit den nationalen Übertragungsnetzbetreibern Energinet und Statnett zusammen, um die Energienetze der Länder zu stärken und auszubauen, damit diese mit der steigenden Stromnachfrage Schritt halten können. In seinem Heimatland unterstützt Ramboll außerdem die Errichtung einer Energieinsel in der Nordsee, auf welcher der von nahegelegenen Offshore-Windparks erzeugte Strom gesammelt und in Westeuropa weiterverteilt werden soll.
Ramboll in Deutschland: 1.100 Beschäftigte an 13 Standorten
In Deutschland ist Ramboll seit dem Jahr 2000 aktiv. Stefan Wallmann, Geschäftsführer von Ramboll Deutschland, betont den Willen zur Mitgestaltung der deutschen Energie- und Mobilitätswende: "Deutschland muss die grüne Transformation in den Bereichen Energie und Verkehr beschleunigen." Damit das gelingt, unterstütze Ramboll zum Beispiel, analog zur nationalen Wasserstoffstrategie, den Ausbau der Wasserstoffproduktion, um die Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 zu erreichen.
Konkret wird dieses Engagement mit der übernommenen Planung einer 20-MW-Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff im nordrhein-westfälischen Hamm. Die Anlage ist Bestandteil eines strategischen Wasserstoff-Clusters in Westdeutschland. Bis zum Jahr 2026 soll dieses jährlich 1.500 Tonnen grünen Wasserstoff liefern, welcher aus erneuerbaren Energiequellen wie Photovoltaik und Windkraft gewonnen wird.
Aktuell arbeiten in Deutschland an insgesamt 13 Standorten etwa 1.100 Beschäftigte für Ramboll. Die Kompetenzen liegen unter anderem in den Bereichen Hochbau, Verkehr, Wasser, Energie und Städtebau. Im letzten Jahr hat man mit der Übernahme zweier Unternehmensberatungen (acondas und civity) das Branchen-Knowhow für den deutschen Markt und hier speziell die Beratungskompetenz in Sachen Nachhaltigkeitstransformation nochmal deutlich erweitert.
Der starke Kunden- und Projektfokus auf die Energiewende bzw. auf eine zukunftsfähige, weil nachhaltige Infrastruktur hat auch Auswirkungen für die Belegschaft. Bis Ende 2023 sind fast 70 Prozent der Mitarbeitenden von Ramboll im Öl- und Gassektor auf Projekte im Bereich erneuerbare Energien übergegangen. In seinen Stellenanzeigen wirbt das Unternehmen mit dem Deutschlandticket, dessen Kosten für die Beschäftigten vollständig übernommen werden.
Von skandinavischen Infrastrukturgroßprojekten zu Berliner Radschnellverbindungen
In der Vergangenheit hat Ramboll bereits an großen Prestigeprojekten im Infrastruktur- sowie Ingenieurbau mitgewirkt. Dazu zählen die monumentale Öresundbrücke zwischen Dänemark und Schweden oder auch die Königliche Oper in Kopenhagen, welche aufgrund ihrer besonderen Dachkonstruktion mit dem Outstanding Structure Award der International Association for Bridge and Structural Engineering (IABSE) ausgezeichnet wurde.
Heute sucht das Unternehmen in Deutschland vor allem Bauingenieure für die Tragwerksplanung sowie die Modellierung und Koordination von Brückenbauprojekten verschiedenster Art, von Geh- und Radwegbrücken über Eisenbahnbrücken bis hin zu beweglichen Brücken. In Berlin sind Ramboll-Teams aktuell mit der Konzeption von sechs der zehn geplanten Radschnellverbindungen beauftragt. Für die Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main wird zudem ein länderübergreifendes Mobilitätskonzept erarbeitet.
Einer der sich von der Firmenphilosophie und speziell den Hochbauprojekten der Ramboll hat überzeugen lassen, ist Elmar Hohlweg. Seit dem 1. März verantwortet er den weiteren Auf- und Ausbau des Bereichs Buildings bei Ramboll Deutschland. Zuletzt hat Hohlweg als Geschäftsführer der Ingenieur-Fachbereiche und Prokurist bei ATP architekten ingenieure ein internationales 75-köpfiges Team geleitet.
Ramboll verzeichnet 2023 Rekordumsatz mit nachhaltigem Bauen
Für die dänische Ingenieurgesellschaft ist der nachhaltige Hochbau ein sogenannter "Fokusmarkt". Seit 2018 existiert der Bereich Hochbau in Deutschland, inzwischen sind hier rund 50 Beschäftigte überwiegend am Standort München tätig.
Zu den bereits realisierten Projekten zählen die Brandschutzplanung für das Bürogebäude aer sowie die Tragwerks- und Brandschutzplanung für das ökologische Leuchtturmprojekt KISS (beide in München). Wichtige Kriterien hierbei sind die CO2-Reduzierung, Circular Buildings oder die Klimaanpassung.
Dass sich das inhaltliche Konzept sowie die internationale Ausrichtung für Ramboll bezahlt macht, beweist ein Bruttojahresumsatz von 2,3 Milliarden Euro für 2023. Dies entspricht einem Anstieg von 132,5 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr und damit einem Allzeithoch.
Bei dem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITA) verzeichnete Ramboll mit mehr als 138,7 Millionen Euro ebenfalls einen Rekordwert. Angesichts dieser Zahlen wird deutlich, dass das nachhaltige Planen und Bauen im Infrastrukturbereich für ein entsprechend spezialisiertes Dienstleistungsunternehmen ein durchaus einträgliches Geschäftsmodell darstellen kann.