Praxisforschung an der Hochschule Coburg: Über Raummodule im Waldkindergarten und Bautechniken vergangener Tage
An der Hochschule Coburg wird gleich in mehreren Bereichen zum nachhaltigen Bauen geforscht und gelehrt. Mit der Entwicklung eines klimaneutralen, energieautarken, mobilen Raummodulsystems für Waldkindergärten begeistert beispielsweise ein aktuelles Projekt schon die Jüngsten für die Wissenschaft. Gleichzeitig kann sich die Hochschule gemeinsam mit zwei Partnern über fünf Millionen Euro Förderung für Projekte im Bereich klimafreundlicher Sanierung freuen.
Aus den "Wackelzähnen" des Pinzberger Waldkindergartens wurden zuletzt kleine Studierende. Rainer Hirth, Professor für Entwerfen und Konstruieren, erklärte ihnen, was das Besondere an ihrer neuen Unterkunft ist: "Statt Zement und Gips kommen lokal verfügbare, nachhaltige Baustoffe zum Einsatz. Käferholz aus den benachbarten Wäldern für die Konstruktion, Pinzberger Stroh für die Dämmung und Lehm für den Putz aus der früheren Lehmgrube des Ortes, die nur wenige Schritte entfernt liegt."
Die Kinder und ihre Eltern dürfen beim Lehmputz sogar aktiv mitwirken. "Das wird sicher auch etwas chaotisch werden" vermutet Hirth, "aber der transformatorische Ansatz ist uns auch sehr wichtig". Das Raummodul-System ist dem Professor zufolge auf ein erweitertes Waldkindergarten-Konzept ausgerichtet. "Die Kinder essen auch dort, können sich aufwärmen, schlafen und bis in den Nachmittag hinein bleiben. Aber die meiste Zeit werden sie natürlich in der Natur verbringen."
Kinder können Raummodulsystem im Alltag erproben
Konkret gibt es zwei Raummodule zu je 16 Quadratmeter und das Technik-Modul in der Mitte mit Trockentrenntoilette und Haustechnik. Zu letzterem zählt viel Photovoltaik, ein großer Stromspeicher und eine spezielle Wärmepumpe, die noch durch eine Methanol-Brennstoffzelle ergänzt werden soll. Das Technik-Modul wurde in Coburg im BauLab gefertigt. Es soll Anfang Dezember mit dem Kranwagen vor Ort eingesetzt werden.
Neben Rainer Hirth arbeiten Friedemann Zeitler und Michael Schaub von der Fakultät Design sowie Stephan Pflugmacher Lima von der Fakultät Angewandte Naturwissenschaften und Gesundheit an dem Projekt mit. Im Frühsommer 2025 will man den Betrieb aufnehmen. Dann können die Kinder das Raummodulsystem im Alltag erproben. Für die Forschenden der Hochschule Coburg beginnt dann die Phase des Monitorings und der Auswertung.
Hochschulen und Handwerkskammer forschen zum Bauen im Bestand
Um ähnliche praxisbezogene Forschungsprojekte mit Nachhaltigkeitsbezug realisieren zu können, ist die Hochschule Coburg unter anderem auf Drittmittel und dabei auf Förderanträge angewiesen. Zuletzt konnte man sich gemeinsam mit der Universität Bamberg und der Handwerkskammer für Oberfranken mit einer gemeinsamen Projektskizze "InTra-Bau", welche sich mit nachhaltigen Sanierungs- und Instandhaltungsstrategien befasst, unter insgesamt 500 Bewerbern durchsetzen. Damit erhalten die drei Einrichtungen nun vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis 2028 insgesamt fünf Millionen Euro.
Ziel des Verbundprojekts ist es, durch eine enge Vernetzung von Wissenschaft und Handwerk nachhaltiges und klimagerechtes Bauen im Bestand und in der Denkmalpflege voranzutreiben und damit einen Beitrag zur Ressourcenschonung, Energieeffizienz und Klimaneutralität im Bausektor zu leisten. Die Universität Bamberg, die Hochschule Coburg und die Handwerkskammer bilden damit eine von 20 sogenannten Innovationscommunities, die bundesweit zur Förderung ausgewählt wurden.
Verbundprojekt will Gegentrend zur Neubauförderung setzen
"InTra-Bau" ist das Akronym für "Innovation aus Tradition – Transferstrukturen für nachhaltiges und klimagerechtes Bauen im Bestand und in der Denkmalpflege". Die drei Projektpartner wollen durch die Zusammenarbeit das bisher vernachlässigte, in Denkmälern und traditionellen Handwerkstechniken gespeicherte Wissen über nachhaltige und klimafreundliche Bautechniken und -materialien nutzbar machen.
Durch die Verknüpfung mit modernen Technologien soll zukunftsfähiges, nachhaltiges Bauen im Bestand zudem innovationsfähig gemacht und bestehendes Wissen konserviert werden. "Trotz der großen Ressource an gebauter Umwelt, geht der Trend und die Förderungen bislang immer noch zum Neubau statt zur Bestandssanierung", sagt Projektleiter Markus Schlempp, Professor für Entwerfen und Konstruieren mit innovativen Werkstoffen unter Einbeziehung denkmalgeschützter Bauten an der Hochschule Coburg.
Die Handwerkskammer für Oberfranken ist Praxispartner im Projekt und damit für die Forschenden der direkte Kontakt in die Handwerkspraxis. Von den über 17.400 Mitgliedsbetrieben beschäftigen sich rund 6.400 mit Bau und Ausbau, Denkmalpflege und Bauen im Bestand. "Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass Projekte dann besonders erfolgreich sind, wenn eine enge Zusammenarbeit mit den Betrieben und damit der Praxis stattfindet", betont Rainer Beck, Geschäftsführer der Handwerkskammer für Oberfranken.
Forschungsziel: Handwerkswissen um wiederverwertbare Baumaterialien bewahren
Aus einem durch das Forschungsprojekt entstehenden Netzwerk sollen konkrete Bedarfe rund um nachhaltige Sanierung und Instandhaltung ermittelt werden. Schon jetzt zeichnen sich für die Verantwortlichen u.a. folgende Themenfelder ab:
- Bewahrung und Nutzung von traditionellem Handwerkswissen und -techniken sowie Langzeiterfahrungen
- Möglichkeiten einer Kreislaufwirtschaft von regionalen Beständen und wieder verwertbarer Baumaterialien
- Umgang mit Bioziden und gesundheitsgefährdenden Stoffen (z.B. Asbest)
Zwei erste Community-Projekte sind bereits entstanden. "Historische Fenster erhalten und energetisch verbessern" wird koordiniert von Alexandra Troi (Fakultät Design der HS Coburg). Marianne Tauber, Professorin für Forensische Restaurierungswissenschaft organischer Polymere an der Universität Bamberg, ist für das Community-Projekt "Historische Beschichtungstechnologien – Nachhaltige Sanierung von historischen Stahlträgern" zuständig.
An der Hochschule Coburg ist in Kooperation mit den beiden anderen Projektpartnern ein neuer dualer Studiengang "Bauerhalt und traditionelle Handwerkstechniken" geplant, in dessen Lehrinhalte das neu- bzw. wieder erworbene Wissen einfließen kann. Nicht zuletzt werden aus den Projekten auch Ausgründungen angestrebt.