Prof. Dr.-Ing. Marcus Schreyer (DT BAU Consulting GmbH): Die Cloud schafft eine ganzheitliche Perspektive
Marcus Schreyer ist Projektpartner und Technischer Leiter der DT BAU Consulting GmbH sowie Professor für digitalisiertes Bauen mit Schwerpunkt digitale Methoden in der Bauabwicklung an der OTH Regensburg. DT Bau berät und begleitet Planungsbüros und Bauunternehmen sowie öffentliche und private Organisationen des Bauwesens bei der digitalen Transformation. Zudem bietet das Unternehmen Leistungen im Bereich BIM-Projektmanagement sowie IPA-Managementleistungen an.
Herr Schreyer, was fordert Sie aktuell besonders in Ihrem Job?
Die Anforderungen sind sehr vielfältig. Die Umsetzung sowohl von strategischen BIM-Einführungen als auch von BIM in Bauprojekten ist durch einen ständigen Wechsel zwischen konzeptionellem Arbeiten und technischen Detailfragen geprägt. Dazu kommen baufachliche wie auch technologische und organisatorische Abhängigkeiten. Diese Komplexität, die sich bei jeder Organisation bzw. bei jedem Projekt etwas anders darstellt, finde ich unheimlich spannend.
Als CTO (Chief Technology Officer, dt. technischer Direktor; Anm. d. Red.) habe ich hauptsächlich die Technologie im Fokus. Gleichzeitig muss ich jedoch stets auch auf die kundenindividuellen Randbedingungen wie Unternehmensziele, vorhandene Software oder Kenntnisse eingehen.
Wie lange sind Sie schon in der Branche tätig und warum? Was war Ihr bisheriger beruflicher Höhepunkt?
Bau und IT beschäftigen mich seit meiner Schulzeit. Ich bin in verschiedenen Ingenieurbüros meiner Familie aufgewachsen und verdiente bereits in der Schulzeit als IT-Admin dazu. Auch hatte ich das Glück, bereits häufiger mit tollen Unternehmen und Kollegen herausfordernde Bau- oder Managementaufgaben zu lösen.
Dass ich mich beruflich im Schnittbereich Bauwesen und Informatik positioniert habe, war ein Ergebnis meines Post-Doc-Aufenthalts am CIFE an der Stanford University. Als ich mich dort mit Virtual Design and Construction beschäftigt habe, wurde mir klar, dass die Zukunft in einer Verschmelzung von Technologien mit Bauprozessen und den damit verbundenen Produktivitätspotentialen liegt.
Rückblickend betrachtet waren es also die Impulse aus dem Ausland, wie zum Beispiel der Austausch im Rahmen des Expert Panels on BIM der Building and Construction Authority Singapore (Baubehörde in Singapur; Anm. d. Red.), die meinen Karriereweg geprägt haben.
Welche Wege geht Ihr Unternehmen in punkto Personalgewinnung?
Das funktioniert am besten über diverse Netzwerke, speziell in meinem Bereich beispielsweise das buildingSMART-Netzwerk oder verschiedene Startup-Kreise. Das Online-Businessnetzwerk LinkedIn ist auch ein sehr hilfreiches Recruiting-Tool.
Bitte vervollständigen Sie den Satz: "Um erfolgreich zu planen und zu bauen kommt es in Zukunft darauf an, dass..."
… man sich stets mit Blick auf die unternehmerischen Ziele die Chancen neuer Arbeitsmethoden und Technologien für sein Unternehmen bzw. seine Organisation erschließt und dies als fortlaufenden Prozess versteht.
In welche Technik investiert Ihr Unternehmen?
Aktuell investieren wir fast vollständig in cloudbasierte Technologien. Ein großes Thema sowohl bei unseren Kunden als auch in der Branche insgesamt sind dabei die Projektplattformen bzw. CDEs (Common Data Environment; Anm. d. Redaktion), die immer mehr BIM-Managementfunktionen abbilden können.
Gleichzeitig verschmelzen auch die großen Softwarehäuser Bürosoftware und Groupware in der Cloud. Auf diese Weise werden vernetzte Prozesse zwischen vormals getrennter technischer, kaufmännischer und organisatorischer Software möglich.
Für uns, aber auch für unsere Kunden werden damit Auswertungen über Fachbereiche hinweg vereinfacht. Es entsteht eine ganzheitlichere Perspektive, wodurch Risiken an organisatorischen Schnittstellen in Unternehmen und Projekten gesenkt werden können.
Welchen Wunsch haben Sie an die Politik?
Ganz profan wäre ein Wunsch, dass wir endlich auch in Deutschland eine vernünftige Mobilfunkinfrastruktur hinbekommen, wie sie in anderen Ländern seit Jahrzehnten existiert. Wenn Gespräche auf einer Autofahrt in einem Ballungsraum mehrmals von Funklöchern und überlasteten Zellen unterbrochen werden, ist das einer Technologienation nicht würdig.
Sorgen macht mir auch, dass man momentan den Eindruck bekommt, dass die Lösungen für unsere gesellschaftlichen Probleme für immer mehr Menschen in Konzepten aus der Vergangenheit liegen. Ich befürchte jedoch, dass dies kein politisch lösbares Problem ist, sondern die Ursachen in individuellen Ängsten der Menschen begründet sind. Eine sachliche und weniger polemische Diskussion von Chancen und Risiken bei politischen Entscheidungen würde vielen Menschen helfen, Entscheidungen besser zu verstehen.
5D Projektabwicklung, Industrielles Bauen und Automatisierung, BIM2FM - diese und andere Schlagworte umschreiben die Digitalisierung im Bauwesen und Ihre Lehre als Professor. Was gehört für Studierende heute zum Standardrepertoire?
Bei den Studierenden muss einerseits ein Fundament aus fachbezogenem Grundlagenwissen gelegt werden, andererseits beginnt bereits im Studium eine Schwerpunktsetzung hinsichtlich der späteren Tätigkeit zum Beispiel als Baumanager, Planer bzw. der Ausrichtung im Infrastrukturbau oder Hochbau. Dieser Logik sollte auch die Vermittlung digitaler Kompetenzen folgen.
Zum Grundlagenwissen im Bereich BIM zählen für mich das Verständnis, wie Informationen in Modellen organisiert sind sowie erste praktische Erfahrungen damit, wie die Daten in Besprechungen oder für eine Mengenermittlung genutzt werden. Wenn dies dann noch durch Prozess-, Datenmanagement- und Programmiergrundkenntnisse im Bachelor-Grundstudium ergänzt wird, ist viel gewonnen.
In den höheren Bachelorsemestern, dem Masterstudium oder auch im Job macht es dann Sinn, die Digitalisierungskompetenzen an fachlichen Neigungen und geplanten Tätigkeitsfeldern auszurichten und sich beispielsweise als Planer mit parametrischer Planung, als Bauleiter mit 5D bzw. als Projektmanager mit BIM2FM zu beschäftigen.
Um diese fachliche Breite in der Lehre abdecken zu können, haben wir uns an der OTH Regensburg mit vier "digitalen" Professoren der unterschiedlichen baufachlichen Schwerpunkte Planung, Projekt- und Baumanagement sowie Bauproduktion und Baurobotik aufgestellt und parallel mit Kollegen klassischer Baufächer vernetzt. Fach- und Methodenwissen geht auf diese Weise Hand in Hand, ohne dass die Stundenpläne dabei überquellen.
Wie sieht Ihre individuelle Weiterbildung aus?
Als Professor habe ich eigentlich einen Bildungsauftrag [lacht]. Aber natürlich ist es mein Anspruch, auch in der Ausbildung der Studenten auf der Höhe der Zeit zu sein und sie gleichzeitig für langfristige Entwicklungen vorzubereiten. Hier spielt der Austausch mit anderen Experten aus der Praxis und Technologieanbietern eine wichtige Rolle. Künftig will ich auch selbst wieder Wissen in Forschungsprojekten schaffen.
Wofür begeistern Sie sich nach Feierabend?
Leider sitze ich tagsüber lange vor Bildschirmen und freue mich daher über jede Stunde, die ich beim Sport auf dem Rad, in den Bergen sowie mit Familie und Freunden verbringen kann. Bei aller Begeisterung für meinen Beruf sind das doch wichtige Anker, die mich im Leben erden.
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