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Ruhr-Universität Bochum: Wie ein Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr für das Bauingenieurwesen begeistern kann

Verfasst von: Fabian Hesse
Veröffentlicht am: 4. Feb. 2025

Wie alle Hochschulen, an denen Bauingenieurwesen gelehrt wird, bemüht sich auch die Ruhr-Universität Bochum darum, das Fach bekannt und attraktiv zu machen. Ein Mittel ist das Freiwillige Wissenschaftliche Jahr, kurz FWJ. Dabei handelt es sich um ein freiwilliges Praktikum zur Studien- und Berufsorientierung. Es richtet sich an junge Menschen mit Abitur, die ein "Studium auf Probe" absolvieren möchten.

Ein Jahr lang besteht für sie die Möglichkeit, als Gasthörende verschiedene Lehrstühle an der Fakultät Bau- und Umweltingenieurwissenschaften kennenzulernen. Das FWJ bietet neben dem Schnupperstudium auch Einsicht in Wissenschaft und Forschung. Folgende Fragen sollen im FWJ beantwortet werden:

  • Ist ein Studium die richtige Wahl für mich?
  • Welche Fächer kann ich studieren?
  • Welche Voraussetzungen muss ich dafür mitbringen?
  • Wie funktioniert wissenschaftliches Arbeiten?
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An der Ruhr-Universität Bochum (RUB) können junge Menschen in vielen Fachbereichen des Bauwesens (Bild: Labor des Lehrstuhls für Verkehrswegebau) ein Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr absolvieren. Foto: fbi / RUB

Baustofftechnik: Welcher ist der richtige Beton?

Am Lehrstuhl für Baustofftechnik dreht sich dabei alles um Beton und Mörtel im Hoch- und Tiefbau. Immer komplexere Baumaßnahmen fordern bestimmte Eigenschaften von Frisch- und Festbeton. Um zielsicher eingebaut werden zu können, muss dieser eine spezifische Fließfähigkeit sowie Mischungsstabilität mitbringen oder er muss für höchste Beanspruchungen wie bei On- und Offshore Windenergieanlagen besonders fest und dauerhaft sein.

FWJler können den Lehrstuhl aktiv in verschiedenen Projekten unterstützen und bei der experimentellen und theoretischen Erforschung von neuartigen und umweltfreundlicheren Baustoffen mitwirken, von den Laboruntersuchungen über die Auswertung der Messergebnisse bis hin zu den Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen. Ein aktuelles Ziel der Baustoffforschung ist beispielsweise die möglichst unbegrenzte Wiederverwendung von Asphalt.

Grundbau und Geotechnik: Wie sind Bauwerke mit dem Boden verbunden?

Am Lehrstuhl Bodenmechanik, Grundbau und Umweltgeotechnik forscht man zu Fundamenten von Offshore-Windenergieanlagen, zur Rekultivierung ehemaliger Braunkohletagebaue in Form großer Seen, zur Verwendung von Pfahlgründungen für die oberflächennahe Geothermie und zum Einsatz von CO2-freien und biologischen Bau- und Bodenverbesserungsverfahren.

Daneben beschäftigen sich die wissenschaftlichen Mitarbeitenden mit Baugruben, Tunneln, der unterirdischen Endlagerung nuklearer Abfälle und der Boden-Bauwerk-Interaktion bei Erdbeben. In den einzelnen Forschungsprojekten werden unterschiedliche Laborversuche und Simulationen am Computer durchgeführt. Fragen zum Klimawandel und zur Energiewende sind hier eine große Antriebsfeder.

Massivbau und digitale Bausimulation: Wie entstehen nachhaltige Betonbauten und was passiert über Jahrzehnte mit dem Material?  

Am Lehrstuhl für Massivbau geht es um große Bauwerke aus Beton und wie diese nachhaltig geplant und gebaut werden können. Die Freiwilligen können hier unter anderem erfahren wie eine gläserne Brücke funktioniert, wie man mit Beton klebt oder wie mit "alten" Bauteilen komplett neue Bauwerke entstehen.

Die mechanische Wirklichkeit der Welt spielt die zentrale Rolle in den Forschungsfragen des Lehrstuhls für Kontinuumsmechanik. Ausgehend von den mechanischen Grunderkenntnissen der Forscher Newton, Lagrange, Euler, Bernoulli und vieler mehr soll mithilfe moderner Computertechnik den alten Ideen neues Leben eingehaucht werden. Brauchte Newton noch Heerscharen von Angestellten, um den Nullpunkt einer Funktion zu berechnen, genügen heute wenige Zeilen Programmcode, um in Sekunden Millionen von Rechenschritten auszuführen.

Dieses hochleistungsfähige Rechnen wird angewandt, um das mechanische Verhalten unterschiedlicher Materialien zu beschreiben, zu simulieren und nach Möglichkeit vorherzusagen. Digitale Prozesse und Modelle stehen auch am Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen im Fokus. Ziel der Forschung ist es, die Baubranche durch Spitzentechnologien wie 3D-Modelle und künstliche Intelligenz zu revolutionieren.

Windingenieurwesen: Wie kann Wind schaden und nutzen?

Neben den genannten Lehrstühlen bietet auch die Arbeitsgruppe Windingenieurwesen und Strömungsmechanik ein FWJ an. Die Teilnehmenden beschäftigen sich mit den Auswirkungen des natürlichen Windes in der bebauten Umwelt. Wissenschaftlich untersucht wird, wie Bauwerke starken Stürmen widerstehen, wie sich Stäube und Gase durch Wind in Städten ausbreiten oder wie aus Wind nutzbare Energie wird.

Geboten werden Experimente an Bauwerks- oder Stadtmodellen im eigenen Windkanal. Die Freiwilligen können bei Messungen an Türmen oder kompletten Windenergieanlagen vor Ort nahe am Sensor und am Bildschirm mitarbeiten.

Ruhr-Universität: Viele Teilnehmende bleiben uns erhalten 

Im aktuellen Durchgang an der Ruhr-Universität nehmen 17 Freiwillige an dem Programm teil. Die Rückmeldungen nach Abschluss des FWJ sind laut Uni durchweg positiv. So hätten im letzten Jahr 8 von 19 Freiwilligen im Anschluss an das FWJ ein Studium an der RUB begonnen, vier weitere an einer anderen Hochschule. Einige würden ihre Tätigkeiten an den Lehrstühlen sogar als studentische Hilfskräfte weiterführen. Ein weiterer Teilnehmer sei ebenfalls "seinem" Lehrstuhl als Auszubildender erhalten geblieben.

Der nächste offizielle Bewerbungszeitraum startet Anfang März und läuft bis Ende April. In diesem Zeitraum können sich Interessierte hier für das FWJ 2025/26 bewerben, welches im Oktober 2025 beginnt.

Über das Freiwillige Wissenschaftliche Jahr (FWJ)

Ein Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr (FWJ) in Deutschland ist eine Alternative zum Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ). Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) und einige Partnerinstitute starteten 2011 das erste deutsche Modellprojekt für ein FWJ.

An der RUB entstand 2021 das Konzept für das Freiwillige wissenschaftliche Jahr an der Fakultät für Bauingenieurwesen. Mittlerweile begrüßen verschiedene Lehrstühle aus vier Fakultäten jährlich Schülerinnen und Schüler, die ein ganzes Jahr bei ihnen studieren, forschen und lernen.