Schwingung und Schall: Wie verhalten sich weitgespannte Holzdecken?
Große Deckenspannweiten in Holzgebäuden bislang wenig erforscht
Das Bauen mit Holz birgt für die Schaffung nachhaltiger und flexibler Räume in Gebäuden großes Potenzial. Somit steigt die Zahl der öffentlichen Bauwerke in Holzbauweise, darunter Schulen und Kindergärten, aber auch Verwaltungs- und Bürogebäude. Häufig werden zudem Bestandsgebäude unter Verwendung des Holzbaustoffs erweitert.
Eine Herausforderung für Planende ist es, trotz der großen Spannweite alle Anforderungen an die Holzdecken einzuhalten. Am Institut für Holzbau (IfH) der Hochschule Biberach (HBC) forscht man daher speziell zu weitgespannten Holzdecken mit mehr als sieben Metern Länge.
"In vielen Anwendungsbeispielen der Vergangenheit wurde die Wirtschaftlichkeit von Holzdecken nicht optimal ausgenutzt", erklärt Patricia Hamm, Professorin am IfH. Das liege insbesondere an der fehlenden Datenlage für weitgespannte Decken. "Diese Lücke wollen wir mit unserem Forschungsvorhaben schließen", so Hamm. Im Rahmen des Forschungsprojekts sollen auch bisherige Erkenntnisse mithilfe von Künstlicher Intelligenz neu verknüpft bzw. verarbeitet und für die Bauwirtschaft verfügbar gemacht werden.
Deckenlänge von über sieben Metern im Fokus
Bisher lag der Forschungsfokus auf üblichen Spannweiten von bis zu sechs Metern. Nun will sich Patricia Hamm gemeinsam mit ihrem wissenschaftlichen Mitarbeiter und Master-Absolvent, Johannes Ruf, auf weitgespannte Decken von mehr als sieben Metern konzentrieren. Zielsetzung ist es, die Decken möglichst leicht auslegen zu können, um Material und damit Kosten zu sparen.
In Kooperation mit der Hochschule für Technik Stuttgart hat sie dazu einen Antrag gestellt, der im Mai bewilligt wurde und über eine Laufzeit von drei Jahren gefördert wird. Mit Mitteln von rund 330.000 Euro fördert die Holzbau-Offensive Baden-Württemberg, das Land Baden-Württemberg sowie die Europäische Union nun das Forschungsprojekt "Optimierung der Schwingungs- und Schallbemessung von weit gespannten Holzdecken durch Messungen an ausgeführten Objekten" (kurz: SchwallBe).
In Stuttgart werden dazu gezielt Schallmessungen durchgeführt. Gerade Holzdecken können fühlbar und hörbar schwingen, "ein Zustand, der als störend empfunden werden kann", berichtet Johannes Ruf. Meist wird mit großen Querschnitten und starken Aufbauten entgegengesteuert, wodurch die Kosten für die Holzbauweise deutlich steigen. Diesen Zusammenhang und die Frage der optimalen Auslegung wollen die Biberacher und Stuttgarter Forschenden gemeinsam beleuchten.
50 Holzdecken an Bestandsgebäuden werden untersucht
Konkret will das Forschungsinstitut 50 Decken an Bestandsgebäuden untersuchen und die Werte in einer umfangreichen Datenbank zusammenstellen und so differenzierte Bemessungsansätze für Planungsbüros und ausführende Betriebe zur Verfügung zu stellen. "Das ist eine wichtige Transferleistung für die Branche, die direkt in die praktische Anwendung übertragen werden kann", erläutert Professorin Hamm.
Da alle Erfahrungswerte darauf hindeuten, dass weitgespannte Holzdecken in der Realität ein günstigeres Schwingungsverhalten aufweisen, als in den bisherigen Berechnungen angenommen, wollen Hamm und Ruf bereits ausgeführte Objekte untersuchen, um das tatsächliche Schwingungs- und Schallverhalten zu ermitteln. Sie vermuten, dass sich Randeinspannungen und einspringende Ecken positiver auswirken als bisher angenommen.
Neben Rippendecken und Massivholzdecken will das IfH weitere Typen von Decken, wie Holz-Beton-Verbundsysteme, untersuchen. Einige Unternehmen haben bereits im Vorfeld Interesse an dem Forschungsprojekt bekundet. Bislang wurden bereits zehn Praxisbeispiele in verschiedenen Abschlussarbeiten untersucht.
Aufruf in D-A-CH-Region: Welche Bestandsgebäude können untersucht werden?
Hinzukommen sollen weitgespannte Decken aus der Region, aber auch aus Österreich und der Schweiz. "Wir wollen dazu unser Netzwerk ansprechen, freuen uns aber auch über Vorschläge aus der Holzbaubranche", so Ruf. Das Forschungsduo rechnet mit einem Tag Aufwand pro Messung sowie einer Woche pro Decke (inkl. Datenzusammenstellung und Auswertung der gewonnenen Daten). Aktuell werden die Parameter zusammengestellt, welche in der Datenbank abgebildet und über die Messung erhoben werden sollen.
Das Forschungsprojekt soll bei Tagungen und Messen vorgestellt werden, darunter die 1. Internationale Fachtagung Tragwerksplanung Holzbau des Forum Holzbau in Memmingen. Das Institut für Holzbau freut sich über jegliches Interesse oder auch Angebote eines geeigneten Bestandsgebäudes zur beschriebenen Untersuchung.