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Subunternehmerverhältnis oder Arbeitnehmerüberlassung? - Worauf Bauunternehmen achten müssen

Verfasst von: RA Prof. Dr. jur. Günther Schalk
Veröffentlicht am: 30. März 2023
Kategorie:

Baubranche für arbeitsrechtliche Grenzfälle empfänglich

Die Baubranche ist durchaus empfänglich für Sachverhalte, bei denen es hart an der Grenze ist, ob ein (erlaubtes) Subunternehmerverhältnis oder aber eine (nicht erlaubte) Arbeitnehmerüberlassung besteht. Das kann durchaus auch ein Anlass für ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren sein. Die Grenze ist sehr feinsinnig zu ziehen.

Das bestätigt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Juli 2022 (9 AZR 323/21). Darin heißt es:

  1. Eine Überlassung zur Arbeitsleistung i.S.d. § 1 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und nach dessen Weisungen beschäftigt werden. Davon zu unterscheiden sind Arbeitnehmer, die nach Weisungen des Unternehmers zur Ausführung von Dienst- oder Werkverträgen als Erfüllungsgehilfe bei Dritten eingesetzt werden.
  2. Der Werkbesteller oder Auftraggeber von Dienstleistungen kann dem Werkunternehmer oder Dienstleister bzw. dessen Erfüllungsgehilfen bestimmte Anweisungen zur Ausführung der Dienste bzw. des Werks erteilen. In diesen Fällen ist die arbeitsrechtliche, personenbezogene und verfahrensorientierte Weisungsbefugnis von der projekt- und sachbezogenen ergebnisorientierten Anweisung abzugrenzen.
  3. Sprechen einige Kriterien für die Annahme, der Arbeitnehmer sei als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags tätig geworden und andere für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung, hat das Tatsachengericht eine umfassende Abwägung aller in die Entscheidung einzustellenden Gesichtspunkte vorzunehmen und das Ergebnis seiner Gesamtbetrachtung nachvollziehbar zu erläutern.

Gerichtsfall: Arbeitsverhältnis aufgrund von direkten Anweisungen vermutet

Der Kläger wurde seit dem 1. Juli 2010 ununterbrochen bis zum 30. April 2018 bei der Beklagten in deren Betrieb eingesetzt. Dort war er innerhalb eines einer Abteilung zugeordneten Teams als Systemingenieur tätig. Den Teams gehören Mitarbeiter der Beklagten und Arbeitnehmer der B GmbH an. Der Kläger arbeitete unter anderem mit der Mitarbeiterin der Beklagten G in demselben Team.

Die Kommunikation innerhalb der Abteilung erfolgte größtenteils per E-Mails, die unmittelbar an alle dort eingesetzten Mitarbeiter gerichtet waren. Für die B GmbH nahm ein bei ihr angestellter Arbeitnehmer die Funktion eines sogenannten „Single Point of Contact“ gegenüber der Beklagten wahr. Der Kläger war der Überzeugung, es sei ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, weil er der Beklagten unerlaubt zur Arbeitsleistung überlassen worden sei. Er habe nach Arbeitsanweisungen der Beklagten mit den bei ihr angestellten Arbeitnehmern in demselben Team gearbeitet und sei in den Betrieb eingegliedert gewesen.

Das Bundesarbeitsgericht verwies die Rechtssache an das Landesarbeitsgericht Hessen zurück. Eine Überlassung zur Arbeitsleistung iSd. § 1 Abs. 1 AÜG liegt demnach vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen.

Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG ist durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen.

Arbeitnehmerüberlassung von Werk- oder Dienstvertrag zu unterscheiden

Von Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom AÜG nicht erfasst.

Die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis ist von der projektbezogenen werkvertraglichen Anweisung zu unterscheiden. Die werkvertragliche Anweisung ist sachbezogen und ergebnisorientiert, nicht personenbezogen. Sie ist gegenständlich auf die zu erbringende Werkleistung begrenzt. Das arbeitsrechtliche Weisungsrecht ist demgegenüber personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert. Es beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und weiterhin die Motivation des Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts sind.

Fazit: Arbeitnehmer eines Subunternehmens nicht vollends in eigen Mannschaft integrieren

Bauunternehmen sind also dringend gefragt, klare Verhältnisse zu schaffen, um eine illegale Arbeitnehmerüberlassung zu verhindern. Sie dürfen in diesem Fall die Arbeitnehmer des Subunternehmers nicht so in ihre Mannschaft integrieren, dass kein Unterschied mehr auffällt.

Insbesondere muss darauf geachtet werden, dass Anweisungen zu Aufgaben und Arbeitsabläufen nicht an jede einzelne Person des Subunternehmers erfolgen, sondern dass ein gesonderter Ansprechpartner festgelegt wird, der die Anweisungen des Auftraggebers dann an seine Leute weitergibt und eigenständig ausgestaltet.